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Basler Fasnacht
Närrisches Treiben trotz calvinistischer Tradition

In den protestantischen Gebieten der Schweiz wurden die Fastnachtsfeierlichkeiten im Zuge der Reformation abgeschafft. Die ausgelassene Narretei war den calvinistischen Reformatoren ein Dorn im Auge. In Basel überdauerte die Fasnacht, bis sie im 19. Jahrhundert auch offiziell wieder erlaubt wurde. Sie startet am Montag nach Aschermittwoch.

Von Alfried Schmitz | 07.03.2014
    Narren ziehen beim Morgenstraich am Montag nach Aschermittwoch musizierend durch die Gassen der Innenstadt von Basel.
    Mit dem "Morgenstraich" am Montag nach Aschermittwoch startet das 72-stündige närrische Treiben in Basel. (picture alliance / dpa / Patrick Seeger )
    "Was für mich interessant zu dieser Frage Katholizismus Protestantismus ist, dass in der Schweiz, in allen Orten, die eine starke Reformation erlebt haben, die Fasnacht gestorben ist. In Genf, in Zürich, an anderen Orten auch wurde die Fasnacht verboten. Das ist unchristlich, das ist des Teufels, diese Ausschweifungen! Das macht man nicht. In Basel hat sich die Fasnacht trotzdem weiter erhalten können. Für mich ist das ein Zeichen für die Offenheit Basels. Man hat trotz der sehr puritanischen und pietistischen Reformierten eine Offenheit behalten",
    sagt Felix Rudolf von Rohr. Der 1944 in Basel geborene Politiker und Journalist war lange Zeit Obmann des Basler Fasnachts-Comités. Er kennt sich aus in der langen Geschichte der Basler Fasnacht. Die Anfänge des Mummenschanzes lassen sich weit zurückverfolgen. Wie überall, wo Karneval, Fasching oder Fastnacht gefeiert werden, liegen die Ursprünge in heidnischen Riten. Mit viel Lärm sollten der Winter vertrieben und der bevorstehende Frühling willkommen geheißen werden. Im Zuge der Christianisierung vermischten sich heidnische Bräuche mit christlichen Regeln. Kurz vor Beginn der Fastenzeit, wollte man noch einmal so richtig ausgelassen feiern. Warum in den meisten Karnevalshochburgen am Aschermittwoch alles vorbei ist, in Basel aber erst sechs Tage danach gefeiert wird und dennoch ein Bezug zur Fastenzeit besteht, weiß Prof. Lukas Burkart. Er ist Historiker an der Universität Basel.
    "Der Grund dafür ist, dass es bereits im Hochmittelalter zwei unterschiedliche Arten gab, den Beginn der Fastenzeit zu berechnen. Es gibt die Möglichkeit nach dem Dienstag nach Invocabit oder den Mittwoch vor Invocabit zu berechnen. Diese doppelte Berechnungsart stammt aus dem 11. Jahrhundert."
    Invocabit, so nennen die Katholiken den ersten Fastensonntag. Mit dem Satz aus dem Bibelpsalm 15, "Invocabit me, et ego exaudiam eum" - "Er wird mich anrufen und ich werde ihn erhören", wird in der römisch-katholischen Kirche der Gottesdienst an jedem ersten Fastensonntag eröffnet.
    Mitleid mit den Fastenden
    Die Fastenzeit soll an die 40 Tage erinnern, die Jesus fastend und betend in der Wüste verbrachte. Doch 40 Tage an einem Stück fasten, das war für die körperlich sehr hart arbeitende Bevölkerung des Mittelalters undenkbar. Daher wurde diese strenge Regel auf der Synode von Benevent, im Jahr 1091, von den Kirchenoberen gelockert. Fortan durfte an Sonntagen das Fasten unterbrochen werden, was jedoch zu einer Verlängerung der Fastenzeit auf 46 Tage führte.
    Der Beginn der Fastenzeit musste dementsprechend vorverlegt werden. Doch der Beschluss des Konzils wurde nicht überall und von jedem befolgt. So kam es, dass in Basel und Umgebung gleich an zwei Terminen Fastnacht gefeiert und an zwei verschiedenen Terminen die Fastenzeit begonnen wurde. Als die Basler Fasnacht nach vielen historischen Wirren zu Beginn des 19. Jahrhunderts offiziell wieder eingeführt wurde, entschied man sich gegen den Konzilsbeschluss von 1091.
    "Es wird ja immer gesagt, dass die Basler Fasnacht deswegen eine Woche später sei, um den Katholiken eins auszuwischen. Ich denke, dass man sich eher fragen muss, warum im 19. Jahrhundert diese Baseler Gesellschaft, die so enorm reformiert und pietistisch und durchaus auch fromm in der Oberschicht war, eigentlich dazu kommt, eine so eigene und intensive Form von Fasnacht zu entwickeln. In der Reformationszeit selbst waren die Reformatoren nicht sehr begeistert vom Fastnachtsbrauch. Das das war ihnen zu wild, das passte nicht in ihr Reformprogramm der Gesellschaft",
    sagt die Historikerin Professor Susanna Burghartz von der Universität Basel. 1529 hatte sich die Reformationsidee auch in Basel endgültig durchgesetzt. Am Aschermittwoch desselben Jahres war es in der Stadt am Rhein zum Bildersturm gekommen. Vor allem das Münster, als Symbol bischöflicher Macht, wurde dabei schwer Mitleidenschaft gezogen. Doch auch in der Fastnacht sahen die Reformer ein typisches Relikt aus katholischer Zeit. Daher versuchten sie in den Folgejahren die ausschweifenden Fastnachtsfeiern durch Verordnungen und Gebote in den Griff zu bekommen. Umsonst. Eine außergewöhnliche Idee sollte helfen, die protestantische Moral im reformierten Basel zu etablieren.
    "Was man sagen kann, ist, dass es reformierte Fastnachtsspiele gibt, die eigentlich volkspädagogische Moralstücke sind und die deswegen einigermaßen deftig sein mussten, damit die Botschaft auch ankommt, aber gleichzeitig war es eine intensive Moralpropaganda gegen Unzucht und gegen nichteheliche sexuelle Beziehungen."
    Wirkungsloses Fastnachtsverbot
    Viel genutzt haben diese alternativen Erziehungsprogramme allerdings nicht. Daher erlässt der Magistrat 1546 ein generelles Fastnachtsverbot. Nach Meinung der Historikerin Susanna Burghartz verfolgte die reformierte Basler Obrigkeit mit dieser rigiden Maßnahme aber auch ein anderes Ziel:
    "Basel in der Neuzeit, also nachdem sich die Reformation erfolgreich durchgesetzt hat und in immer neuen Erlassen bestrebt war, eine immer christlichere Gesellschaft zu werden, dieses reformierte Basel, wo man sonntags die Stadt nicht verlassen durfte, wenn man nicht einen Passierschein hatte und nachweisen konnte, dass man in der Predigt war, versucht immer wieder Aspekte der Fasnacht zurückzudrängen, also das Trinken, das Tanzen, das Herumspringen. Alles Unkontrollierte stärker zu kontrollieren. Aber offensichtlich ist es mindestens so wichtig, sich als kontrollierende Obrigkeit zu inszenieren."
    Obwohl alle Maßnahmen, die Fastnachtfeiern in Basel zu verbieten oder zumindest stark einzudämmen, nichts fruchten, kommt es 1835 endlich zu einer offiziellen Genehmigung durch den Basler Stadtmagistrat. Welche Bedeutung die Religion heute in der Basler Fasnacht spielt, dazu noch einmal der Historiker Lucas Burkart:
    "In der Fasnacht spielt die Religion immer die Rolle, die sie sonst auch spielt, und da ist bei uns heute die Tendenz weiterhin abnehmend. In der heutigen Fasnacht als Brauch spielt sie in Basel keine Rolle. Sie wird auf die Schippe genommen. Aber das gilt für die Politik ebenso. Das gilt für öffentliche Personen auch."