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Bauernhof pur

Die Landwirtschaft ist wieder im Aufwind, das zeigt sich auch an der Zahl der Studenten. Doch bevor es in den Hörsaal geht, absolvieren viele der angehenden Akademiker eine Lehre auf einem Hof. So meldet die niedersächsische Landwirtschaftskammer 20 Prozent mehr Auszubildende als im vergangenen Jahr. Besonders groß ist dabei der Anteil junger Frauen.

Von Carlon Hoffrogge |
    Lehrherr Stieg: "Bettina, ich habe ausgestellt. Fährst du zurück, sodass wir den Schlepper abladen können?"

    Bettina: "Ja, guckst du hinten?"

    Mit ihren grünen Gummistiefeln steht Bettina Armgart neben der Biogasanlage bis zum Knöchel im Matsch. Ihr Lehrherr Markus Stieg aus Reiffenhausen beobachtet genau, wie seine 20-jährige Auszubildende den riesigen Trecker mit Anhänger rückwärts setzt.

    Zweimal am Tag steigt Bettina auf den Trecker und füttert die Biogasanlage mit einem Gemisch aus Mais, Getreide, Grassilage, Hühnermist und Trockenkot.

    "Eine Biogasanlage ist vom Prinzip her wie eine Milchviehherde. Man muss jeden Tag füttern, jeden Tag kontrollieren. Aber ich denke, mit der Biogasanlage ist es doch noch anders. Denn füttere ich bei der Kuhherde mal falsch, reagiert jede Kuh anders, bei der Biogasanlage bricht dann gleich die ganze Biologie zusammen. Der Schaden kann sich größer auswirken. "

    Damit es gar nicht erst zum Schaden kommt, bildet Markus Stieg seine junge Auszubildende gewissenhaft aus. Dabei erwartet er von Bettina, dass sie ordentlich mit zupackt, sich für nichts zu schade ist und jeden Tag aufs Neue Wind und Wetter trotzt.

    "Da muss man schon ein bisschen Idealismus haben, denn das ist hier kein Bürojob, hier muss man auch mal in den Dreck und Gestank und da muss man dann halt durch. Flexibilität, Interesse und Spaß an der Sache, das ist das Wichtigste."

    All diese Eigenschaften bringt Bettina Armgart vom elterlichen Hof im Solling mit.

    "Man weiß abends, was man getan hat und man sieht den Lernerfolg. Landwirtschaft, das ist kein Beruf, das ist eine Lebensphilosophie. Entweder man kann sich für so etwas begeistern oder nicht."

    Von den neueingeschriebenen Studenten an der Agrarfakultät der Göttinger Universität kommen nur noch 30 Prozent vom Hof. Die anderen 70 Prozent interessieren sich für das breite Angebot dieses Studiums, sagt Dr. Christian Ahl als Studiendekan der Göttinger Fakultät. Denn als Agrarstudent zählt man zu den Allroundern. So stehen Fächer wie Chemie, Biologie, Physik, Maschinentechnik, Tierhaltung, Ackerbau und Ökonomie regelmäßig auf dem Stundenplan. All diese Fächer sind besonders für den neuen Zweig der Bioenergie von Nutzen. Studiendekan Ahl:

    "Man muss die Systemanalyse einer gesamten Bioenergiesystemes verstehen. Das heißt für unsere Agraringenieure oder Bachelor-Absolventen, das sie vom Anbau der entsprechenden Früchte das pflanzenbauliche Wissen haben, dann aber auch das Wissen über die Biogasanlage selbst. Man muss sich mit den Produkten, die da reinkommen sehr gut auskennen, um eben auch ökonomisch und am Markt erfolgreich zu sein. "

    Bevor Bettina im Sommer ihr Studium an der Universität Göttingen antritt, hat sich die Abiturientin ganz bewusst für die Ausbildung auf einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Biogasanlage entschieden.

    "Ich wusste nicht viel darüber. Und alle reden von der Zukunft der Landwirtschaft und der Energie. Und ich dachte, wenn du später mal was machen willst, weißt du von Grund auf Bescheid, worum es da geht. "

    Nach dem Bachelorstudium finden alle Absolventen der Agrarwissenschaften innerhalb von drei Monaten einen guten Berufseinstieg, so Studiendekan Christian Ahl. Bei den Masterstudenten gibt es keinerlei Arbeitssuchzeit, denn Pflanzenbauunternehmen, Futtermittelhersteller oder Landtechnikfirmen reißen sich regelrecht um die Agraringenieure.

    "Von allen Studienrichtungen, die im Master- und Bachelorbereich sind, ob das nun Pflanze, Tier, Ressourcenmanagement, Landwirtschaft und Umwelt, das da gleiche Chancen bestehen. Im Prinzip ist für alle derzeit ein sehr guter Arbeitsmarkt vorhanden. "

    Bei den üppigen Stellenangeboten, so Christian Ahl, muss die Universität sogar schon um ihren Forschungsnachwuchs bangen.

    "Zur Zeit ist es auch so, dass wir gerade auf den Stellen, auf den man promovieren kann, nicht genügend Auswahl an Masterabsolventen haben, da die Industrie, da die Agrarwirtschaft höhere Einstiegsgehälter zahlt als wir über Forschungsprojekte, Forschungsangebote den Studierenden darlegen können. Sie haben eine sehr gute Auswahl."