Samstag, 11. Mai 2024

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Bauhistoriker verlässt Beirat des Projekts "Archäologische Zone" in Köln

Der Bau- und Kunsthistoriker Günther Binding hat sein Ausscheiden aus dem Wissenschaftlichen Beirat für die Archäologische Zone in Köln mit andauernden Diskussionen über falsche wissenschaftliche Aussagen des Ausgrabungsleiters Sven Schütte begründet. Schütte gebe beispielsweise das Alter der Synagoge falsch an, erklärte Binding. Der Projektleiter schreibe sie der Antike zu, allgemein werde aber angenommen, dass sie aus dem 12. Jahrhundert stammt. "Er hat wissenschaftliche Argumente, Befundinterpretationen, die wir in der Weise nicht nachvollziehen können", ergänzte Binding.

Moderation: Christoph Schmitz | 06.03.2008
    Christoph Schmitz: Der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma wollte an historischer Stätte eines archäologischen Ausgrabungsfeldes vor dem Alten Rathaus in Köln einen sensationellen Fund verkünden, ein antikes Gebäude aus dem vierten Jahrhundert. Ein ministerialer Deckmalschützer korrigierte aber gleich, das Gebäude sei schon 1956 bekannt geworden. Neuentdeckungen aus der Antike? Fehlanzeige, Köln möchte mit einer archäologischen Zone, für die die Vorausgrabungen zurzeit gemacht werden, groß rauskommen. Vierzehn Millionen Euro soll das Projekt mit Museum kosten. Zahlen kann das die Stadt allerdings nicht selbst, sondern bewirbt sich im Rahmen der "Regionale 2010" um Zuwendungen. Der Bau- und Kunsthistoriker Günther Binding hat jetzt den wissenschaftlichen Beirat des Projektes aus Protest verlassen. OB Schramma habe im vorgeworfen, er behindere den Fortgang der Beratungen. Dabei habe er mit Projektleiter Sven Schütte nur nicht erfolglos über die Datierungen der archäologischen Funde weiter streiten wollen, sondern lieber zu Planungen der Zone übergehen wollen, so Binding. Aber was deutet Sven Schütte falsch? Das habe ich Günther Binding gefragt.

    Günther Binding: Was er falsch deutet, ist einmal das Alter der Synagoge und der Mikwe, dieses Waschraumes, den er fürs achte Jahrhundert in Anspruch nimmt oder die Synagoge sogar für die Antike, während wir allgemein davon ausgehen, dass diese Anlage erst aus dem zwölften Jahrhundert stammt. Und seine Befunde, die er hat, nicht auf einen älteren Zustand verweisen.

    Schmitz: Ist seine frühere Datierung, die ja antike Gebäude immer interessanter machen, je älter, umso bedeutsamer, ist die interessensgeleitet, geht es darum, ein Spektakel zu inszenieren, um an das Geld heranzukommen? Ist es deswegen unwissenschaftlich einfach so gewendet, oder hat er andere Argumente, die Sie nicht nachvollziehen können, wissenschaftlicher Art?

    Binding: Richtig, er hat wissenschaftliche Argumente, Befundinterpretationen, die wir in der Weise nicht nachvollziehen können. Es handelt sich zum Beispiel um zwei Brunnen, die erst mittelalterlich sind, die er für antik hält und dort einbringt.

    Schmitz: Warum würden denn die Erfolgschancen geringer werden, wenn man diese Deutungen mit in das Dossier, in den Antrag zur Förderung hineinbringen würde?

    Binding: Wenn man falsche Deutungen hineinbringt, gibt das zusätzliche Diskussionen, und die sind gar nicht notwendig. Wir brauchen diese ganze Deutungssache, die kann man hinterher bringen, brauchen wir nicht unmittelbar in diesem Dossier. Viel wichtiger ist es, und dazu sind wir bis heute nicht gekommen, obwohl wir schon das vierte Dossier behandelt haben, wir kommen nicht dazu zur Diskussion dessen, was an sich nötig ist, nämlich das Programm, die Zugänglichkeit, auch das zukünftige Ausstellungsprogramm, das allerdings durch seine wissenschaftliche Diskussion zum Teil begründet ist, wird von uns in der Weise nicht akzeptiert.

    Schmitz: Was läuft denn falsch in diesem Beirat und was das Projekt insgesamt angeht?

    Binding: Dass wir eben uns jetzt immer mit diesen Dingen auseinandersetzen müssen, die Herr Schütte uns vorträgt, von denen wir nicht glauben, dass sie so stehen bleiben können. Und damit werden wir gehindert, uns mit dem eigentlichen Projekt, nämlich dieser Darstellung der archäologischen Zone zu beschäftigen. Das Programm ist ja, die archäologische Zone, was jetzt ausgegraben ist durch Doppelfeld in den 50er Jahren und noch zusätzliche weitere Untersuchungen, den Menschen darzustellen.

    Schmitz: Warum beharrt denn dann die Stadt bei dieser Deutungsdiskussion?

    Binding: Das weiß ich nicht. Der Oberbürgermeister könnte ohne Weiteres ein Machtwort sprechen und die Dinge, die Herr Schütte vorträgt, zunächst mal zurückstellen.

    Schmitz: Aber, Herr Quander, der Kulturdezernent steht scheinbar auf Seite des OB und des Herrn Schütte?

    Binding: Völlig auf der Seite von Herrn Schütte.

    Schmitz: Warum?

    Binding: Das weiß ich nicht.

    Schmitz: Im vergangenen Herbst ist bereits der Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, Professor Ulrich Großmann aus dem Beirat ausgetreten, so wie Sie das jetzt getan haben, Herr Binding, mit einer vergleichbaren Kritik, die Sie jetzt vortragen?

    Binding: Nein, er war ursprünglich gesetzt worden von der Stadt als Vorsitzender. Und es wurde dann eine Wahl durchgeführt. Bei der Wahl wurde dann Herr Brecht zum Vorsitzenden gewählt und Herr Schiefer und ich zu Stellvertretern. Wir wurden ja dann in der Sitzung darauf vom Oberbürgermeister sozusagen abgesetzt, und er hat den Vorsitz übernommen. Und der Nürnberger Generaldirektor Großmann hat argumentiert, dass wir zu sehr um diese historische Dinge diskutieren und darum kümmern.

    Schmitz: Ja, aber Archäologen, Bauhistoriker müssen sich doch um historische Dinge kümmern?

    Binding: Richtig. Aber da kommen wir zu keiner Einigung. Es läuft jetzt parallel der Wettbewerb. Und da muss man jetzt abwarten, wie die sich zu den einzelnen Dingen stellen, wobei dieser Wettbewerb nicht vom Beirat begutachtet worden ist, sondern von dem Oberbürgermeister Schramma und Herrn Minister Wittke letztlich formuliert wurde.

    Schmitz: Herr Binding, ich muss noch mal nachfragen, warum, glauben Sie denn, hält der Oberbürgermeister so sehr an diesem bisherigen Prozedere, Frühdatierung nenne ich das mal, fest?

    Binding: Wahrscheinlich nur im Interesse von Herrn Dr. Schütte.

    Schmitz: Weil er Herrn Schütte schützen möchte?

    Binding: Davon gehe ich aus.

    Schmitz: Welche Verbindungen gibt es da?

    Binding: Er hat ihn auf Vorschlag des Kulturdezernenten eingestellt.

    Schmitz: Es geht also um eine personalpolitische Diskussion?

    Binding: Ja.

    Schmitz: Auf Kosten des inhaltlichen Weiterkommens?

    Binding: So würde ich das durchaus sehen.

    Schmitz: Soweit Günther Bindung, Bauhistoriker. Er ist als wissenschaftlicher Beirat der Archäologischen Zone in Köln zurückgetreten.