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Bedrückender Semesterstart an der WHU

Vor Kurzem wurde bekannt, dass ein Student der WHU - Otto Beisheim School of Management während seines Praktikums bei Merrill Lynch, tot aufgefunden wurde. Die Gerüchte, er habe sich als Praktikant "totgearbeitet", sind an der renommierten Privatuniversität unter Studenten und Professoren Gesprächsstoff.

Von Gerd Stuhlfauth |
    Auf den ersten Blick ist alles wie immer. Die Vorlesungen und Kurse an der WHU haben begonnen. Studierende stehen in Gruppen und diskutieren. Doch der Tod ihres Kommilitonen Moritz Erhardt beschäftigt viele. Besonders diejenigen, die ihn gut kannten. Wie Alexander Hemker.

    "Ich war total fassungslos und schockiert. Konnte das erst gar nicht glauben. Kann es bis heute überhaupt noch nicht glauben. Es ist unvorstellbar, dass er jetzt nicht mehr zurückkommt."

    Hemker ist 21, wie Moritz. Er ist Bachelor-Student an der privaten Wirtschafts-Uni im fünften Semester. Wie Moritz, mit dem er befreundet war. Moritz habe schon in der Schule sehr gute Noten gehabt, er sei auch einer der Besten an der Uni gewesen. Und Studentensprecher. Einer, der sich auch für andere einsetzte, sagt Alexander Hemker.

    "Seine Vorstellung war, dass er ein paar Jahre sehr hart arbeiten möchte und dann langfristig einen anderen Job macht, in dem er sehr viel Gutes tun kann. Und auch hier war er sicher ehrgeizig und hat seine Ziele strebsam verfolgt, aber er hat es eigentlich nie wirklich übertrieben."

    Genau darüber aber wird jetzt spekuliert. Medienberichten zufolge soll Moritz vor seinem Tod drei Nächte lang durchgearbeitet haben. Wollte er vielleicht bei der international renommierten Investmentbank einen möglichst guten Eindruck hinterlassen und hat dann doch übertrieben? Wollte er alles tun für eine Karriere als Top-Manager? Hat er sich möglicherweise "totgearbeitet", wie es in der Presse auf den Punkt gebracht wurde?

    Auch WHU-Rektor Professor Michael Frenkel war geschockt von der Nachricht aus London. Moritz sei ihm zwar als engagiert in Erinnerung, aber ohne falschen Ehrgeiz. Frenkel betont, man wisse bisher nicht, ob der tragische Tod des Studenten mit der Arbeitsbelastung im Praktikum zusammenhängt. Aber: Arbeiten bis zum Umfallen, das dürfe nie zur Philosophie der WHU gehören, sagt Frenkel.

    "Wir wissen schon, dass es bei manchen Praktika auch Umstände gibt, bei denen man zumindest zeitweise sehr angespannt ist, hart arbeiten muss. Das ist auch in Ordnung, das ist in jedem Job so. Aber es muss Grenzen geben, das haben wir immer gesagt, das thematisieren wir auch mit den Studierenden, mit den Arbeitgebern. Werden es auch in Zukunft tun. Es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Und die Grenze heißt: wenn es an die Gesundheit geht."

    Auch im Studium verlange man viel, sagt der Rektor. Aber nicht zu viel. Schließlich hätten die Studierenden noch Zeit, sich in zahlreichen, zum Beispiel sozialen Initiativen zu engagieren. Es gehe an der WHU nicht nur um Leistung, sondern auch um Persönlichkeitsentwicklung.

    "Wenn man hier als Bachelor-Student anfängt, bekommt man bereits im ersten Semester eine Vorlesung praktisch angeboten, und 70 Prozent unserer Studierenden nehmen die auch wahr, die sich mit solchen Themen der Stressentstehung, Stressbewältigung, auch wie beobachte ich das, wie stelle ich das fest, beschäftigt."

    Daneben gebe es zum Beispiel auch einen Kurs zur Wirtschaftsethik und weitere Hilfestellungen bei persönlichen Problemen, sagt Rektor Frenkel. Bis hin zu einer psychologischen Beratung.

    Man werde aber sicher jetzt darüber nachdenken, ob man in Zukunft noch mehr machen müsse. Auch, um die jungen Leute vor sich selbst zu schützen.

    Für Alexander Hemker beginnt das neue Semester nachdenklich. Den Stress mache man sich selbst, sagt er.

    "Bis jetzt hab ich einen sehr guten Mittelweg da gefunden, wie die meisten anderen Kommilitonen auch. Aber das wird auch weiterhin ein Thema bleiben."