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Beethoven & Franck - Duo-Abend in Saratoga (USA)

...mit Norbert Ely am Mikrofon. Herzlich willkommen zur ersten sonntäglichen Sendung "Die neue Platte im Deutschlandfunk" im neuen Jahr, und daß dieses Jahr 2000 dem Gedenken an den sogenannten 13. Apostel gewidmet sein soll, Johann Sebastian Bach, hat sich längst herumgesprochen, auch bei der Plattenindustrie. Die wird uns also noch hinlänglich eindecken mit alten und neuen Aufnahmen, soweit sie es nicht schon getan hat. Heute möchte ich Ihnen jedoch zwei CDs mit Kammermusik vorstellen, die mit dem denkwürdigen Gedenkjahr nichts zu tun haben, die aber zumindest einer heftigeren Diskussion würdig sind: auf der einen spielt Peter Bruns alle Werke für Cello und Klavier von Gabriel Fauré; auf der anderen sind Itzhak Perlman und Martha Argerich mit Teilen eines Duo-Abends im amerikanischen Saratoga zu hören: * Musikbeispiel: L.v.Beethoven - aus: Sonate für Klavier und Violine A-dur op.47, 1. Satz So beginnt sie, die Kreutzer-Sonate, die Sonate Nr.9 in A-dur op. 47 von Ludwig van Beethoven, hier zu hören in einem Live-Mitschnitt der EMI vom Juli 1998 im Saratoga Performing Arts Center. Kein Zweifel: Die Interpreten zeigen Souveränität und Größe, und das Ganze verspricht spannend zu werden. Itzhak Perlman beginnt die Sonate großformatig, doch ohne eigentlichen Nachdruck und beinahe schon kontemplativ. Martha Argerich zeigt kurz die Pranke, zieht dann aber auch schon wieder die Krallen ein. Das ist nicht unbedingt Musik der Revolution, der weitgreifenden Geste. Beethoven verwies ausdrücklich auf den Konzertcharakter der Sonate, und mit welcher Wucht und Rücksichtslosigkeit ein David Oistrach diese Einleitung spielen konnte, wird unvergessen bleiben. Perlman und Argerich sehen in Beethoven vielleicht doch eher einen frühen Romantiker als den entschiedenen Anhänger des neuen revolutionären Menschen und eifrigen Gast in der französischen Botschaft. Um es übertrieben zu sagen: So spielt man wahrscheinlich die Kreutzersonate, wenn man intensiv Leo Tolstoj gelesen hat. Nun ist das ein schweres Stück. Perlman ist in den oberen Lagen nicht immer so griffsicher, wie man das früher von ihm gewohnt war; die Argerich wütet dafür virtuos und holt gelegentlich aus dem - offenbar amerikanischen - Konzertflügel einen ausgesprochen massiven Ton heraus, der dem Zusammenklang nicht immer dienlich ist. Vielleicht war auch die Mikrofonaufstellung eher suboptimal. Insgesamt muß man mit dem ersten Satz nicht glücklich werden, obwohl es schöne Momente des Aufeinanderhörens und interessante Farben gibt. Der zweite Satz beginnt mit dem Andante-Thema, aus dem Martha Argerich ein zerquältes Adagietto macht, aus dem man zunächst nur mit Mühe so etwas wie einen Rhythmus heraushört; da ist Perlman schon klarer in seinen Absichten. Dafür geht dann Frau Argerich in der ersten Variation, die jedem Pianisten mit einem guten leggiero flott und genußreich von der Hand geht, zu einem munteren Allegretto über. Nichts gegen interpretatorische Freiheiten, schon gar nicht bei einem Stück, das im Zeichen der Freiheit steht. Aber manches klingt in dieser Aufnahme einfach nach schlechter Gewohnheit und bisweilen schon nach Gefühlsschlamperei. Und daß Itzhak Perlman oft so gar keine Lust mehr verspürt, den Bogen abzusetzen - ausgenommen in eingezeichneten Pausen -, vielmehr weitgehend ein nonstop-legato ohne weiteren Ehrgeiz der Phrasierung spielt, zeigt zwar seine eminente Kompetenz in Sachen Bogenführung, aber letztlich wenig Verständnis für die Gedankenwelt des Komponisten. * Musikbeispiel: L.v.Beethoven - aus: Sonate für Klavier und Violine A-dur op.47, 2. Satz Er hat einen wirklich schönen Ton, der Itzhak Perlman. Aber in diesem Live-Mitschnitt wirkt der gelegentlich doch nicht ganz so kontrolliert, wie man das von diesem Geiger erwarten könnte. Immerhin: Das Finale jagen die beiden so hin, daß anschließend aus dem Publikum ein anerkennender Pfiff ertönt. Was sich in der gefühlsgeschwängerte Beethoven-Interpretation schon andeutete, wird in der Sonate A-dur von César Franck vollendet: entschiedene Sentimentalität. Allenthalben riecht es nach "Schön Rosmarin", und das hat dieser kluge Meister des leidenschaftlichen Kontrapunkts eigentlich nicht verdient. Die schönen Stellen werden superschön gespielt, die wilden superwild, und daß das Ganze irgendwie zusammenhängt, merkt man vor allem daran, daß es keine Kaffeepause dazwischen gibt. Die sollte man sich als Hörer durchaus gönnen; man verpaßt nicht viel.

Norbert Ely |