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Behutsam fördern und fordern

Die "young academy" in Rostock fördert seit eineinhalb Jahren Kinder und Jugendliche im Musikbereich mit Blick auf die Berufswahl. Denn in Deutschland mangelt es an gut ausgebildeten Musikpädagogen.

Von Lenore Lötsch | 14.06.2010
    Die Solisten tragen golden schimmernde Blusen, streng geflochtene Zöpfe, aber durchaus auch Jeans. Das Repertoire reicht von Schumann über Beethoven bis Abba. Und im Publikum wird mit Händen, Augen und Füßen jede Note des Vortrages mitgefühlt. Schließlich stehen die eigenen Kinder auf der Bühne der Rostocker Hochschule für Musik und Theater.

    Die efljährige Regina Nietz kommt aus Waren an der Müritz. Seit einem halben Jahr ist die kleine Cellistin Mitglied der "young academy Rostock" - einer Art Talentschmiede der Hochschule. Die größte Herausforderung ist für sie allerdings bisher keine musikalische.

    "Da sind so viele Treppen und so. Ja, man verirrt sich sehr schnell."

    Seit fünf Jahren spielt Regina Nietz Cello.

    "Naja, das ist nicht so quietschig wie ne Geige. Nicht so hoch, `n bisschen tiefer. Finde ich ganz cool."

    Neben den regulären Stunden an der heimischen Musikschule bekommt Regina viermal im Semester Unterricht bei einem Celloprofessor in Rostock, zu dem ihre Musikschullehrerin sie begleitet. Reginas Mutter Ulrike Nietz lobt vor allem die enge Zusammenarbeit der Hochschule mit den Musikschulen im Land, die durchaus im heimischen Wohnzimmer hörbar wird.

    "Vom kleinen Kind am Cello, was quietscht und pfeift bis dahin, dass die Töne auch jetzt ganz schön klangen und dann haben wirs einfach probiert, um jetzt noch bessere Bedingungen zu schaffen. Und bisher gibt es natürlich sehr schöne, auch technische Impulse, besondere Kniffe und Tricks, die den Ton noch verbessern."

    Seit eineinhalb Jahren gibt es die "young academy" in Rostock. Gemeinsam mit allen Musikschulen des Landes werden in der ersten Förderstufe musikalische Talente gesucht. Professoren der Hochschule besuchen deutschlandweit Konzerte, sprechen mit den Lehrern vor Ort. Die talentiertesten werden dann bereits mit acht Jahren auch an der Rostocker Hochschule unterrichtet. Neben Regina Nietz gehören noch 52 andere Schüler zur ersten Förderstufe, dem sogenannten Netzwerk. Das ist bereits die volle Auslastung, freut sich der Leiter der "young academy", Stephan Imorde.

    "Das Netzwerk setzt so ein mit acht Jahren und geht etwa bis 14. Also das sind die Ideallinien. Mit 14 würde man dann wechseln in das Frühstudium. Dort muss man dann eine Eignungsprüfung machen. Durch diese Eignungsprüfung wird man dann Student der Hochschule im Frühstudium. Dann haben wir so ganz alleine die Verantwortung."

    Das zweite Glied der "young academy" ist das Frühstudium. Die 18 Frühstudierenden in diesem Semester kommen aus ganz Deutschland, aber auch aus Rumänien. Die 16-jährige Frühstudentin Birgit Laura Buttler aus Rostock begegnet den einige Jahre älteren Vollstudenten an der Hochschule allerdings noch mit ziemlichem Respekt.

    "Also ich gehör noch nicht ganz dazu, aber ich gehör auch nicht mehr ganz zu den Schülern. Also es ist son Mischmasch."

    Birgit-Laura Buttler hat zwei Stundenpläne. Nach der Schule fährt sie dreimal in der Woche in die Hochschule. Nicht nur, um in ihrem Hauptfach der Oboe ausgebildet zu werden.

    "Das ist Pflicht, dass man mindestens eine Stunde Theorie hat, ich hab anderthalb und eine Dreiviertelstunde Nebenfach, das heißt bei mir Klavierunterricht und dann Hauptfach anderthalb Stunden."

    Nach dem Frühstudium plant die "young academy" noch eine dritte Förderstufe: die sogenannte Exzellenzförderung für internationale Spitzenbegabungen. Gerade entsteht diese Förderung gemeinsam mit dem Schirmherrn Daniel Barenboim. Ob das Prinzip der "young academy" erfolgreich ist, entscheidet sich allerdings erst in fünf Jahren, wenn die ersten Absolventen sich an den Musikhochschulen bewerben.

    " Der deutsche Nachwuchs hat es schwer, der deutsche Nachwuchs geht zurück zahlenmäßig. Wenn sie sich hier in den Hochschulen umschauen, das gilt nicht nur für Rostock, das gilt für alle Hochschulen bundesweit, haben wir ein Nachwuchsproblem. Wir können noch nicht einmal den Bedarf decken, den wir nachher haben, an Musikschullehrern, an Lehrern an den allgemeinbildenden Schulen. Da wird es einen Riesenmangel geben in den nächsten Jahren, weil die nicht mehr in ausreichender Zahl an die Hochschule kommen","

    sagt der Leiter "young academy", Stephan Imorde. Für ihn ist die Arbeit mit den musikalisch hochbegabten Kindern und Jugendlichen mitunter eine Gratwanderung: In Rostock wollen er und seine Kollegen behutsam fördern, die Talente aber gleichzeitig konkurrenzfähig machen gegenüber dem internationalen Nachwuchs, der immer früher auf die Konzertbühnen drängt. Es geht in Rostock nicht in erster Linie darum, nur Klassiksuperstars auszubilden, sondern flexible Musiker, die aber durchaus die Rostocker Hochschule als ihren Heimathafen betrachten sollen. Frühstudentin Birgit Laura Buttler:

    ""Erstmal bleib ich natürlich hier in Rostock, aber ich denke schon, dass ich auch mal woanders hin möchte, um auch mal zu gucken, wie es da ist und um mal zu zeigen, dass die Deutschen vielleicht auch spielen können."