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Bei Existenzgründern unterm Sofa

"Gründen im Team" heißt eine Initiative, die Arbeitsuchenden beim Start in die berufliche Selbstständigkeit hilft. Campus & Karriere begleitet zwei Teilnehmer ein Jahr lang auf ihrem Weg. Die Familie von Harald Schnitzler, der mit seiner Frau und seinen Kindern in einem ehemaligen Bauernhaus lebt, steht dabei vor einer ganz besonderen Herausforderung: Beide Familienoberhäupter machen sich selbstständig. Es zeigt sich: Existenzgründung hinterlässt Spuren, auch in der Wohnung.

Von Svenja Üing | 16.06.2006
    Harald Schnitzler:
    " Huppla, endlich mal was Leichtes, das kommt da drüben hin. Da sind noch ein paar alte Fotos von uns. Klasse. Dann kommt das dahin. - Ihr Bücher sollt stehen! - Und den tun wir dahin. - So, sieht doch schon fast wohnlich aus."

    Die Wände sind tapeziert, der Linoleumboden liegt und die Bücher-Regale sind aufgebaut. Nur der Telefonanschluss und die Elektrik fehlen noch. Sechs Monate hat Harald Schnitzler in die Renovierung investiert - alles in Eigenarbeit, auch um Geld zu sparen. Jetzt können er und seine Frau Andrea das neue Büro endlich beziehen:

    " Schön! Also wir haben hier zwei schöne Fenster, ein großes und ein bisschen kleineres. Und das ist eine Steigerung von mindestens 200 Prozent gegenüber meinem alten - ja Büro kann man nicht sagen - Schreibloch. Es ist hell, es ist warm, es hat nur eine Tür, die man zumachen kann."

    Jetzt wird es leichter, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, hofft der 45-Jährige: seine Selbstständigkeit als Kostenanalytiker in der Automobilbranche. Vorher war die Ablenkung zu groß: seine vier Kinder, das jüngste ist zweieinhalb, der Umbau des ehemaligen Bauernhofes, die Scheidung von seiner ersten Frau - das alles kostet Zeit.

    " Das heißt also auf gut Deutsch gesagt, meine Selbstständigkeit betreibe ich momentan nebenbei. Und das ist gefährlich. Denn ich bin seit dem 1.4. arbeitslos - oder Arbeit suchend - das ist eine Menge Zeit. Und wenn ich genau angucke, was ich bis jetzt gemacht habe, das hätte ich sicherlich in einer Woche durchziehen können. Ja, sagen wir mal zwei Wochen."

    Die Überwindung der bürokratischen Hürden auf dem Weg in die Selbstständigkeit verlangt besonders viel Geduld. Allein der Antrag auf Arbeitslosengeld, die Voraussetzung fürs Überbrückungsgeld, dauert mittlerweile schon zweieinhalb Monate.

    " Man fängt an zu lachen, so ein bisschen Hysterie kommt da auf, denn es ist wahnsinnig. Also für diesen Antrag bin ich jetzt viermal beim Arbeitsamt gewesen. Da geht Zeit drauf, da geht Benzin drauf - und Nerven."

    Die meiste Zeit investiert das Ehepaar Schnitzler momentan jedoch in die berufliche Selbstständigkeit von Andrea Detjen-Schnitzler. Auch sie hat 2004 am GiT-Prozess teilgenommen und "Art of Garden" gegründet. Auf Garten-Ausstellungen und im Internet verkauft sie seither nützliche Garten-Accessoires: Nistkästen, Vogeltränken, Schneckenfallen.

    " So, einmal umschließen. Da sind unsere schönen Weinkisten, da muss man immer aufpassen, dass die einem nicht gleich entgegen fallen, obwohl das alles sehr gut geladen ist. Hier sehen wir die Wespenfallen. So ein paar gusseiserne Artikel schimmern hier durch."

    Der Anhänger für die nächste Ausstellung ist schon wieder gepackt, der Sommer ist für das Garten-Geschäft die Hochsaison. Im ganzen Bundesgebiet ist Andrea Detjen-Schnitzler dann unterwegs - und ihr Mann ist als helfende Hand oft mit dabei. Dabei kommen beide an ihre Leistungsgrenzen, auch was die Koordination der beiden Existenzneugründungen des Paares angeht. Gezweifelt haben sie aber nur ein einziges Mal: nach einem ernüchternden Feedback ihrer Finanzberaterin. Andrea Detjen-Schnitzler:

    " Wir haben uns dann die Zahlen noch einmal gemeinsam angesehen und er als Kostenanalytiker hat auch dann gesehen: Pass mal auf, da sind ein paar Knackpunkte, wenn wir die beseitigen, müsste es doch eigentlich voran gehen. Da war er eigentlich der auslösende Punkt zu sagen: Lass es uns noch einmal versuchen."

    In einer Zeit, in der für viele Arbeitsuchende der Weg in die Existenzgründung als einziger Ausweg aus der beruflichen Krise erscheint, sei vor allem eines die Grundvoraussetzung für einen gelingenden Start in die Selbstständigkeit:

    " Dass ich mir darüber klar werde: Das was ich da tue, das ist auch ein Stück von mir. Ich lebe den ganzen Tag für meine Geschichte. Und nicht: Weil ich jetzt arbeitslos bin, muss ich mich selbstständig machen. Ich muss jetzt unbedingt etwas finden, was ich jetzt tun kann. Ich denke, dass das wirklich daneben geht."