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Beim Ausbruch des Eyjafjallajökull war "man zu vorsichtig"

Der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg vom Luftfahrt-Presseclub sieht Verbesserungen im Umgang mit der isländischen Aschewolke im Vergleich zu April 2010. Die Grenzwerte seien hochgesetzt worden - gleichzeitig hätten die Hersteller ihre Triebwerke auf Auswirkungen durch Aschepartikel einer Prüfung unterzogen.

Cord Schellenberg im Gespräch mit Martin Zagatta | 25.05.2011
    Martin Zagatta: Hunderte Flüge in Europa wurden schon gestrichen, jetzt hat es auch Deutschland erwischt. Flughäfen in Norddeutschland mussten wegen der Aschewolke aus Island geschlossen werden, darunter auch der in Hamburg. Der soll in diesen Minuten nun wieder geöffnet werden, nachdem seit dem frühen Morgen nichts mehr ging. Wir sind jetzt mit dem Luftfahrtexperten Cord Schellenberg verbunden. Er ist der Vizepräsident des Luftfahrt-Presseclubs und Inhaber einer PR-Agentur, die auch für Fluggesellschaften arbeitet. Guten Tag, Herr Schellenberg.

    Cord Schellenberg: Guten Tag, Herr Zagatta!

    Zagatta: Herr Schellenberg, ob der Vulkan noch weiter spucken wird und wie lange, das können die Experten im Moment mittelfristig zumindest nicht absehen. Aber ist man in Deutschland diesmal denn besser vorbereitet auf solch ein Ereignis? Haben die Verantwortlichen aus dem vergangenen Jahr gelernt, aus den massiven Behinderungen damals und dem Chaos, das wir da erlebt haben?

    Schellenberg: Es ist sicherlich etwas anderes, wenn man so eine Übung zum zweiten Mal machen muss und wenn man hier ja auch schon eigentlich einen Tag vorher sagen konnte, dass es sich mehr um eine Sperrung für Stunden handeln wird, als wie im vergangenen Jahr für Tage, wo das jeden Tag neu entdeckt werden musste, geht es nun weiter oder nicht. Insgesamt, glaube ich, ist das für die Fluggäste eine Situation, mit der man ordentlich zurechtkommen kann. Gleichzeitig sind die Airlines natürlich aber wie immer so ein bisschen auf dem Sprung, und wir merken das jetzt ja. Die einen sagen, es geht schon gleich weiter, die anderen müssen aber erst mal organisieren, wie sie weitermachen, und das ist oft für die Fluggäste schwer verständlich, dass sie sagen, da steht doch das Flugzeug, aber man kann natürlich auch nicht Besatzungen stundenlang rumsitzen haben, denn die könnten dann, wenn sie ihren Dienst schon begonnen haben, gar nicht mehr eingesetzt werden. Das heißt, in gewisser Weise muss man auch erst mal sein Personal nach Hause schicken oder aufs Hotelzimmer schicken, um es dann wieder zu aktivieren.

    Zagatta: Aber ist das nicht merkwürdig, was wir gerade aus Frankfurt gehört haben, dass die Medien von der deutschen Flugsicherung da besser informiert sind als die Airlines?

    Schellenberg: Ja ich glaube, die Medien haben sich inzwischen selber auch anders vorbereitet als im vergangenen Jahr. Die haben sehr gute Kontakte zu den Flughäfen entwickelt und die Flughäfen bekommen das vom Deutschen Wetterdienst schon sehr frühzeitig mitgeteilt, was man so glaubt, dass sich entwickelt. Das geht dann in den Krisenstab der deutschen Flugsicherung und muss dort ja auch erst einmal beschlossen werden. Die Flughäfen, die sind jetzt einfach ein bisschen schneller an den Medien dran, weil die auf dem Flughafen ja auch stehen und die Entwicklung aktiv begleiten, während die Fluggesellschaften natürlich jetzt nicht im Terminal sich aufhalten, sondern an den Computern, und die brauchen erst mal eine verlässliche schriftliche Information der Flugsicherung.

    Zagatta: Welche Konsequenzen wurden denn gezogen? Was läuft denn jetzt konkret besser als bei dem Chaos im letzten Jahr?

    Schellenberg: Man hat die Grenzwerte hochgesetzt, man hat sicherlich auch die Modelle, die Rechenmodelle in London, wo das Vulkaninstitut steht und beobachtet, auch wieder verfeinert. Also da sind Erfahrungen eingeflossen, wohl in der Theorie bei der Vorausberechnung, denn nur das geht ja. Man kann die Aschewolke ja nicht metermäßig oder kilometermäßig verfolgen, sondern man muss das berechnen und die entsprechenden Winde einberechnen. Gleichzeitig haben natürlich die Fluggesellschaften mit ihren Flugzeugherstellern und Triebwerkherstellern gesprochen und haben auch versucht rauszufinden, für welchen Bereich gibt es sozusagen einen grünen Haken, wie viel Partikelchen könnten denn die Triebwerke ansaugen und es passiert nichts, und für welchen Bereich sagt sich der Triebwerkhersteller, da ist es mir selber zu heiß, so einen grünen Haken zu setzen, da sage ich lieber nein, ab einer entsprechenden Konzentration kann ich euch das nicht mehr garantieren. Und dann ist klar, dass die Politik auch sagt, in dem Bereich darf auch nicht mehr geflogen werden.

    Zagatta: Im Nachhinein ist man immer schlauer. Aber hat sich dann jetzt inzwischen herausgestellt, dass man im Vorjahr, im letzten Jahr einfach übertrieben reagiert hat?

    Schellenberg: Also das könnte schon so sein, dass man da zu vorsichtig war, vielleicht auch, weil man mit diesem Fall eben auch nie gerechnet hatte, dass so ein Vulkan über so viele Hunderte, Tausende Kilometer seine Partikel wehen lässt. Gleichzeitig merkt man aber eines: Es ist immer noch genug Optimismus in der Luft, denn die Freunde, die die Forschungsflugzeuge hier in Deutschland betreiben, die haben jetzt ja gesagt, sie könnten natürlich ihr Forschungsflugzeug wieder in die Luft bringen, um diese Messungen dann auch live über Deutschland vorzunehmen, aber dieses Flugzeug ist momentan fürs Verteidigungsministerium im Einsatz und steht erst Montag zur Verfügung. Das, muss ich sagen, finde ich schon unglaublich, dass ein Industrieland wie Deutschland es nicht schafft, innerhalb von wenigen Stunden so ein Flugzeug in die Luft zu bringen, sondern dann müssen andere bestehende Aufträge erst mal abgearbeitet werden. Also ich glaube, so im Zusammenspiel mit den Behörden ist doch noch ein bisschen Bedarf, um einfach schneller zu werden.

    Zagatta: Wie ist denn das Zusammenspiel auf europäischer Ebene? Da gibt es ja jetzt die Kritik, dass auf europäischer Ebene die Abstimmung nicht läuft, dass jedes Land im Prinzip immer noch machen kann, was es will.

    Schellenberg: Die Länder können natürlich oder müssen auch vielleicht rechtlich selber entscheiden, aber sie haben ja gemeinsame Werte geschaffen, an denen sie sich orientieren, und das Ganze fußt auf die Rechenmodelle aus London. Insofern würde ich sagen, das mag jetzt vielleicht komisch sein, dass so viele Länder in Europa selber entscheiden müssen, wie sie diese Rechenmodelle dann in Politik umsetzen, aber man sieht ja: Norddeutschland ist betroffen und dementsprechend wurde nicht geflogen, wird nicht geflogen, das ändert sich jetzt ja in diesen Minuten gerade. Süddänemark scheint nicht betroffen zu sein, dort wird geflogen, und dementsprechend denke ich, das ist doch dann ganz praktisch, Hauptsache man entscheidet so nah wie möglich an der Natur und so nah wie möglich an den Rechenmodellen und hält sich eben nicht nur an der Theorie fest.

    Zagatta: Cord Schellenberg, der Vizepräsident des Luftfahrt-Presseclubs, war das. Herr Schellenberg, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

    Schellenberg: Vielen Dank!