Kein Wunder - schließlich wurde die Anlage noch von der Bonner Nachkriegsrepublik als repräsentatives Gelände genutzt. Wer den Park betritt und auf das Schloss zugeht, der verfällt fast von allein in ein gemächliches Schreiten und kann sich gut vorstellen wie es vor über 200 Jahren war, als Kutschen die lange Auffahrt hinauffuhren zum Ehrenhof, der von Nord- und Südflügel des Schlosses eingerahmt wird. Eine sogenannte Dreiflügelanlage mit Walmdach ist das Schloss Augustusburg, in dem uns Haushistorikerin Christiane Winkler empfängt und vor einem Porträt des legendären Bauherren und Kölner Kurfürsten Clemens August zu erzählen beginnt.
"1723 hat er den Grundstein für Schloss Augustusburg als Sommerresidenz gelegt, und er ist auch so ein Glückspilz der Geschichte. Clemens August wurde bereits mit 19 Jahren zum Bischof in Münster und Paderborn - auf Betreiben seines Vaters - und hat in seinem Leben unendlich viele Ämter innegehabt. Er hatte allein fünf Bistümer und dann war der Höhepunkt seiner Karriere sicherlich die Wahl zum Hochmeister des Deutschen Ordens, eine ganz außergewöhnliche Auszeichnung, weil immer nur einer der zahlreichen geistlichen Fürsten natürlich diesen Titel tragen konnte. Da hat er auch immer sehr stolz drauf hingewiesen. Und natürlich braucht ein Fürst, der was auf sich hält, neben der Hauptresidenz, die sich in Bonn befand, ein Sommerschloss und das wurde dann eben Schloss Augustusburg. Der Name leitet sich dann ab von seinem Namen - Clemens August - Augustusburg."
Clemens August aus dem Geschlecht der Wittelsbacher, denen man ohnehin eine Art Bauwurm-Gen nachsagte, ließ an der Stelle einer ehemaligen erzbischöflichen Wasserburg aus dem 13. Jahrhundert ab 1725 sein Schloss errichten. Zunächst nach den Plänen des westfälischen Baumeisters Johann Conrad Schlaun, später übernahm der bayerische Hofbaumeister Francois de Cuvilleés die Verantwortung für die Schönheit dieses Prachtbaus. Nach dem Vorbild des Hofes von Versailles sollte auch die Sommerresidenz des Kölner Kurfürsten den Glanz des Gottesgnadentums widerspiegeln. Dabei wohnte Clemens August, der Herrscher, der der Kunst und der Diplomatie den Vorzug vor dem Krieg gab, nur vier bis sechs Wochen im Jahr auf Schloss Augustusburg. Den Ort hatte er vor allem wegen seiner günstigen Lage für die Falkenjagd, einer seiner großen Leidenschaften ausgewählt. Ein kleines Schlösschen, Falkenlust, ließ er nur wenige Hundert Meter anbei errichten.
Ausgeklügelt jedoch war auch in einer Sommerresidenz das Empfangszeremoniell für die geladenen Gäste. In einer letzten großen Verherrlichung des Absolutismus - man bedenke: nur 20 Jahre nach der endgültigen Vollendung des Brühler Schlosses brach die Französische Revolution los - versicherte Clemens August sich selbst und seinen Untertanen und Gästen der eigenen Bedeutung. Kernstück dieser Apotheose: der kurfürstliche "Empfangsraum", die berühmte Prunktreppe des Architekten Balthasar Neumann.
"Für diese Treppe hat man allein 20 Jahre Bauzeit benötigt. Und wenn man den Formenreichtum hier anschaut, den Stuckmarmor, die Figuren, dann wird auch klar, warum man da solange gebraucht hat. Und es ist hier eine Art Himmelsstiege, eine Repräsentationstreppe, die den Fürsten indirekt vorstellt. Clemens August kam nicht herunter, um den Gast zu empfangen, sondern man musste sich zum Fürsten empor arbeiten. Wir stehen hier zunächst im Vestibül, denn der Gast des 18. Jahrhunderts fuhr mit der Kutsche ein, die Glastüren, die die großen Bögen umspannen, die sind erst im 20. Jahrhundert eingebracht worden, das war zu Zeiten Clemens August offen, und dann fuhr man eben hier herein, stieg trockenen Fußes am Fuß der Treppe aus und hatte vor sich eine mehrstufige, theatralische Inszenierung des Fürsten."
Außerhalb des Treppenhauses ist die überwältigende Höhe und gefühlte Weite des Raumes nicht einmal zu erahnen. Die Person des Herrschers ist allgegenwärtig. Jedes Gemälde, jede Skulptur bezieht sich auf Clemens August. In der Mitte der Nordwand des Treppenhauses erkennt man seine vergoldete Büste auf einer Pyramide, dort werden auch seine insgesamt 40 verschiedenen Titel und Positionen symbolisch dargestellt, eingerahmt von Nobilitas, dem Adel, zur Rechten und Modestia, der Bescheidenheit, zur Linken. Kein Fleck in diesem Treppenhaus ist ohne Symbolik. In diesem ohnehin schon beeindruckendem Entrée nahm nun der gesamte Hofstaat Aufstellung um den Gast zu begrüßen. Am Fuß der Treppe die kleinsten Dienstboten, Küchenjungen und Bäckergesellen, bis ganz nach oben, wo dann die hohe Geistlichkeit und die hohen Beamten und Diplomaten den Gast willkommen hießen.
"Das Interessante bei diesem Empfangszeremoniell ist die Tatsache, dass sich da eine Formensprache entwickelt hat im 18. Jahrhundert, wo man genau ablesen konnte, wie steht der Fürst, der empfängt, zum Land des Botschafters. Es war im 18. Jahrhundert nicht so, dass der Staatschef, sprich der König oder der Fürst eines anderen Landes selbst gekommen wäre, sondern er hat einen Botschafter geschickt. Da geht es schon los, der Rang dieses Botschafters zeichnet schon das gegenseitige Einvernehmen. Wenn man also einen hochrangigen Ambassadeur schickt, dann bedeutet das eben gegenseitige Hochachtung, und war auch ein Signal gegenüber dem Ausland. Wenn das Ausland - also in diesem Fall war das immer die Rivalität zwischen Habsburg und Frankreich - wenn die Habsburger dann gesehen haben, der französische Botschafter wird mit entsprechendem Pomp und ausführlich empfangen, war das natürlich sofort ein Signal und man hat dann versucht sich die gleiche Gunst zu erwirtschaften. Das ist also ein ganz ausgeklügeltes System."
Ein System, das dem von jahrelangen Kriegen heimgesuchten Kölner Kurfürstentum den Frieden brachte und erhielt - zum Segen des Landes und zum Wohle Clemens August, dessen Reichtum seine Bautätigkeit beförderte und auch uns noch heute Freude macht. Dass die junge Bundesrepublik mit ihrem Regierungssitz Bonn das nahe gelegene Brühler Schloss dazu auswählte, dort ihre Staatsempfänge abzuhalten, verwundert deshalb nicht.
Und auch wenn es natürlich im 20. Jahrhundert wesentlich egalitärer zuging, der Bundespräsident als Hausherr die Gäste beim Wagenschlag abholte und sie ins Treppenhaus führte, so dürften auch die demokratisch gewählten Staatsgäste oder konstitutionellen Monarchen beeindruckt gewesen sein - wenn sie, im Zentrum des Treppenhauses angelangt, den Blick nach oben richteten:
"Ja, jetzt sieht man, dass der Raum 20 Meter Höhe hat und in der Himmelskuppel endet, wo sich der Götterhimmel tummelt, der Blick wird automatisch magisch nach oben gezogen. Diese Himmelskuppel die wir da sehen, ist allerdings auch wieder eine reine Augentäuschung, die Decke ist nämlich flach und viereckig. Und der Maler Carlo Carlone hat sehr geschickt verstanden, die Ecken und Kanten zu kaschieren, damit der Besucher, der Betrachter die perfekte Illusion der Himmelskuppel hat. Der Raum selber, der Architekt Balthasar Neuman, der die Entwürfe gemacht hat, spielt so ein bisschen mit dem Raum, um ihn nach oben hin immer größer und weiter und lichter erscheinen zu lassen. Wir haben hier im unteren Bereich drei sogenannte Raumachsen, es führt in der Mitte eine Treppe hinauf. Und außerdem nimmt die Helligkeit der Farben zu."
Aus Stuckmarmor sind die Verzierungen und Verkleidungen der Wände und Säulen, eine Mischung aus Gips und Leim, die mit verschiedenen Farben vermischt direkt auf den noch feuchten Putz aufgebracht wurde. Nur wahre Handwerksmeister waren nach dem Trocknen in der Lage, durch zehn- bis zwölfmaliges Polieren des grauen Materials die gewünschten Farbtöne hervorzubringen. Aus richtigem Marmor ist der Boden, erzählt die Haushistorikerin Christiane Winkler.
"Besonders spektakulär, sicherlich schon im 18. Jahrhundert, aber auch im 20. war der Einsatz des schmiedeeisernen Leuchters der im Treppenhaus hängt. Das ist der einzige Leuchter, der bis heute noch mit Kerzen bestückt ist. Und man kann ihn herunter lassen anlässlich der Staatsempfänge, oder wenn hier Festkonzerte waren, dann wird der runtergekurbelt und es gibt eine Verlosung unter den Kollegen, wer denn die Ehre hat die 18 Kerzen anzuzünden ... .Ich durfte auch schon mal, ja, ich durfte sie auch schon mal aus pusten."
Wer Rang und Namen hatte auf dem politischen Parkett des 20. Jahrhunderts, der war auch auf Schloss Augustusburg. Gorbatschow war da, Reagan, Mitterand, Nelson Mandela, die gekrönten Häupter sowieso, allein die englische Königin besuchte drei Mal die ehemalige Sommerresidenz des Kölner Kurfürsten, die jetzt der Repräsentationsraum der jungen Bonner Republik war.
"Es sind bei einem modernen Staatsempfang 320 Gäste im Sitzen bewirtet worden, hier im Speise- und Musiksaal stand aber die Haupttafel des Bundespräsidenten, das war so 'ne E-förmige Tafel, wo etwa 8o Gäste Platz nahmen, die 80 Wichtigsten. Und man konnte auch im 20. Jahrhundert interessanterweise genau den Rang des Gastes ablesen, je weiter man hinten in den Räumen saß, bis in der Bibliothek am Katzentisch, desto rangniedriger war man, und hier saßen dann eben so die 80 wichtigsten Menschen."
Über 100 Empfänge in fast 50 Jahren, und doch blieb auch Augustusburg, wie auch der Regierungssitz Bonn, in gewisser Weise Provisorium.
"Also eine funktionsfähige Küche gibt es bis heute nicht hier im Haus, sondern nur ein Provisorium, und das Essen wurde für die Staatsgäste auf dem Petersberg vorgekocht, und dann eben auf LKWs mit Blaulicht hierher nach Brühl transportiert, weil das Essen nicht im Stau stehen durfte. Und man muss sich vorstellen, dass zum Teil 25 Tonnen Material hierher geschafft wurden. Es wurde alles gebracht. Es waren bei einem Staatsempfang für 320 Personen 23.000 Teile an Besteck und Porzellan - das Porzellan wurde hier im Haus aufbewahrt, - das Besteck wurde dann, weil es versilbert war, eben wieder mitgenommen und da dann fachgerecht behandelt und poliert. Und es musste, wenn man Eis brauchte um Getränke zu kühlen, das Ganze hierher geschafft werden, damit man dann im Keller die Getränke kühl halten konnte. Ebenso wurden 40 Meter an Wärmebrücken aufgebaut, wo man das Essen dann eben dementsprechend warm halten konnte, um insgesamt war dieser Aufwand gigantisch, auch an Material."
Natürlich nahm man auch auf die persönlichen Befindlichkeiten der hohen Gäste Rücksicht. Reagan beispielsweise war allergisch gegen rohe Tomaten, die Queen mochte und mag kein Aspik und Prinz Bernhard der Niederlande verfügte über eine tiefe innere Abneigung gegen deutsche Schaumweine - und bekam deshalb nur echten französischer Champagner. Doch der Mensch lebt nicht von Brot und Alkohol allein und deshalb diente die kultivierte Natur in Form des Schlossparks der seelischen Erbauung der Staatsgäste.
"Der Garten ist nämlich hier so etwas wie die Fortsetzung der Architektur unter freiem Himmel. Es gibt nämlich in der Augustusburg keinen Festsaal, sondern das war dann im Sommer der Garten. Wände aus pflanzlichem Material, hier die streng geschnittenen Kastenlinden an beiden Seiten, und die umrahmen einen französischen Garten, der von Dominique Gerard entworfen wurde. Das war ein Architekt, der in Versailles ausgebildet worden war."
1996 war der rumänische Präsident der letzte Staatschef auf Schloss Augustusburg. Seitdem finden die prunkvollen Empfänge der Bundesrepublik Deutschland in Berlin statt. Im Schloss Augustusburg jedoch feiert der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen bis heute sein jährliches Sommerfest, genießen die Zuhörer die Brühler Schlosskonzerte und besuchen Tausende von Touristen die Anlage aus der Zeit des Kölner Kurfürsten Clemens August. Und wer an einem lauen Sommerabend auf der Terrasse sitzt und der Barockmusik lauscht, der kann - mit ein klein wenig Fantasie - die Zeit vergessen. Denn Mond und Sterne haben auch schon zu Kurfürst Clemens August Zeiten das Schloss und den Park beleuchtet.
"1723 hat er den Grundstein für Schloss Augustusburg als Sommerresidenz gelegt, und er ist auch so ein Glückspilz der Geschichte. Clemens August wurde bereits mit 19 Jahren zum Bischof in Münster und Paderborn - auf Betreiben seines Vaters - und hat in seinem Leben unendlich viele Ämter innegehabt. Er hatte allein fünf Bistümer und dann war der Höhepunkt seiner Karriere sicherlich die Wahl zum Hochmeister des Deutschen Ordens, eine ganz außergewöhnliche Auszeichnung, weil immer nur einer der zahlreichen geistlichen Fürsten natürlich diesen Titel tragen konnte. Da hat er auch immer sehr stolz drauf hingewiesen. Und natürlich braucht ein Fürst, der was auf sich hält, neben der Hauptresidenz, die sich in Bonn befand, ein Sommerschloss und das wurde dann eben Schloss Augustusburg. Der Name leitet sich dann ab von seinem Namen - Clemens August - Augustusburg."
Clemens August aus dem Geschlecht der Wittelsbacher, denen man ohnehin eine Art Bauwurm-Gen nachsagte, ließ an der Stelle einer ehemaligen erzbischöflichen Wasserburg aus dem 13. Jahrhundert ab 1725 sein Schloss errichten. Zunächst nach den Plänen des westfälischen Baumeisters Johann Conrad Schlaun, später übernahm der bayerische Hofbaumeister Francois de Cuvilleés die Verantwortung für die Schönheit dieses Prachtbaus. Nach dem Vorbild des Hofes von Versailles sollte auch die Sommerresidenz des Kölner Kurfürsten den Glanz des Gottesgnadentums widerspiegeln. Dabei wohnte Clemens August, der Herrscher, der der Kunst und der Diplomatie den Vorzug vor dem Krieg gab, nur vier bis sechs Wochen im Jahr auf Schloss Augustusburg. Den Ort hatte er vor allem wegen seiner günstigen Lage für die Falkenjagd, einer seiner großen Leidenschaften ausgewählt. Ein kleines Schlösschen, Falkenlust, ließ er nur wenige Hundert Meter anbei errichten.
Ausgeklügelt jedoch war auch in einer Sommerresidenz das Empfangszeremoniell für die geladenen Gäste. In einer letzten großen Verherrlichung des Absolutismus - man bedenke: nur 20 Jahre nach der endgültigen Vollendung des Brühler Schlosses brach die Französische Revolution los - versicherte Clemens August sich selbst und seinen Untertanen und Gästen der eigenen Bedeutung. Kernstück dieser Apotheose: der kurfürstliche "Empfangsraum", die berühmte Prunktreppe des Architekten Balthasar Neumann.
"Für diese Treppe hat man allein 20 Jahre Bauzeit benötigt. Und wenn man den Formenreichtum hier anschaut, den Stuckmarmor, die Figuren, dann wird auch klar, warum man da solange gebraucht hat. Und es ist hier eine Art Himmelsstiege, eine Repräsentationstreppe, die den Fürsten indirekt vorstellt. Clemens August kam nicht herunter, um den Gast zu empfangen, sondern man musste sich zum Fürsten empor arbeiten. Wir stehen hier zunächst im Vestibül, denn der Gast des 18. Jahrhunderts fuhr mit der Kutsche ein, die Glastüren, die die großen Bögen umspannen, die sind erst im 20. Jahrhundert eingebracht worden, das war zu Zeiten Clemens August offen, und dann fuhr man eben hier herein, stieg trockenen Fußes am Fuß der Treppe aus und hatte vor sich eine mehrstufige, theatralische Inszenierung des Fürsten."
Außerhalb des Treppenhauses ist die überwältigende Höhe und gefühlte Weite des Raumes nicht einmal zu erahnen. Die Person des Herrschers ist allgegenwärtig. Jedes Gemälde, jede Skulptur bezieht sich auf Clemens August. In der Mitte der Nordwand des Treppenhauses erkennt man seine vergoldete Büste auf einer Pyramide, dort werden auch seine insgesamt 40 verschiedenen Titel und Positionen symbolisch dargestellt, eingerahmt von Nobilitas, dem Adel, zur Rechten und Modestia, der Bescheidenheit, zur Linken. Kein Fleck in diesem Treppenhaus ist ohne Symbolik. In diesem ohnehin schon beeindruckendem Entrée nahm nun der gesamte Hofstaat Aufstellung um den Gast zu begrüßen. Am Fuß der Treppe die kleinsten Dienstboten, Küchenjungen und Bäckergesellen, bis ganz nach oben, wo dann die hohe Geistlichkeit und die hohen Beamten und Diplomaten den Gast willkommen hießen.
"Das Interessante bei diesem Empfangszeremoniell ist die Tatsache, dass sich da eine Formensprache entwickelt hat im 18. Jahrhundert, wo man genau ablesen konnte, wie steht der Fürst, der empfängt, zum Land des Botschafters. Es war im 18. Jahrhundert nicht so, dass der Staatschef, sprich der König oder der Fürst eines anderen Landes selbst gekommen wäre, sondern er hat einen Botschafter geschickt. Da geht es schon los, der Rang dieses Botschafters zeichnet schon das gegenseitige Einvernehmen. Wenn man also einen hochrangigen Ambassadeur schickt, dann bedeutet das eben gegenseitige Hochachtung, und war auch ein Signal gegenüber dem Ausland. Wenn das Ausland - also in diesem Fall war das immer die Rivalität zwischen Habsburg und Frankreich - wenn die Habsburger dann gesehen haben, der französische Botschafter wird mit entsprechendem Pomp und ausführlich empfangen, war das natürlich sofort ein Signal und man hat dann versucht sich die gleiche Gunst zu erwirtschaften. Das ist also ein ganz ausgeklügeltes System."
Ein System, das dem von jahrelangen Kriegen heimgesuchten Kölner Kurfürstentum den Frieden brachte und erhielt - zum Segen des Landes und zum Wohle Clemens August, dessen Reichtum seine Bautätigkeit beförderte und auch uns noch heute Freude macht. Dass die junge Bundesrepublik mit ihrem Regierungssitz Bonn das nahe gelegene Brühler Schloss dazu auswählte, dort ihre Staatsempfänge abzuhalten, verwundert deshalb nicht.
Und auch wenn es natürlich im 20. Jahrhundert wesentlich egalitärer zuging, der Bundespräsident als Hausherr die Gäste beim Wagenschlag abholte und sie ins Treppenhaus führte, so dürften auch die demokratisch gewählten Staatsgäste oder konstitutionellen Monarchen beeindruckt gewesen sein - wenn sie, im Zentrum des Treppenhauses angelangt, den Blick nach oben richteten:
"Ja, jetzt sieht man, dass der Raum 20 Meter Höhe hat und in der Himmelskuppel endet, wo sich der Götterhimmel tummelt, der Blick wird automatisch magisch nach oben gezogen. Diese Himmelskuppel die wir da sehen, ist allerdings auch wieder eine reine Augentäuschung, die Decke ist nämlich flach und viereckig. Und der Maler Carlo Carlone hat sehr geschickt verstanden, die Ecken und Kanten zu kaschieren, damit der Besucher, der Betrachter die perfekte Illusion der Himmelskuppel hat. Der Raum selber, der Architekt Balthasar Neuman, der die Entwürfe gemacht hat, spielt so ein bisschen mit dem Raum, um ihn nach oben hin immer größer und weiter und lichter erscheinen zu lassen. Wir haben hier im unteren Bereich drei sogenannte Raumachsen, es führt in der Mitte eine Treppe hinauf. Und außerdem nimmt die Helligkeit der Farben zu."
Aus Stuckmarmor sind die Verzierungen und Verkleidungen der Wände und Säulen, eine Mischung aus Gips und Leim, die mit verschiedenen Farben vermischt direkt auf den noch feuchten Putz aufgebracht wurde. Nur wahre Handwerksmeister waren nach dem Trocknen in der Lage, durch zehn- bis zwölfmaliges Polieren des grauen Materials die gewünschten Farbtöne hervorzubringen. Aus richtigem Marmor ist der Boden, erzählt die Haushistorikerin Christiane Winkler.
"Besonders spektakulär, sicherlich schon im 18. Jahrhundert, aber auch im 20. war der Einsatz des schmiedeeisernen Leuchters der im Treppenhaus hängt. Das ist der einzige Leuchter, der bis heute noch mit Kerzen bestückt ist. Und man kann ihn herunter lassen anlässlich der Staatsempfänge, oder wenn hier Festkonzerte waren, dann wird der runtergekurbelt und es gibt eine Verlosung unter den Kollegen, wer denn die Ehre hat die 18 Kerzen anzuzünden ... .Ich durfte auch schon mal, ja, ich durfte sie auch schon mal aus pusten."
Wer Rang und Namen hatte auf dem politischen Parkett des 20. Jahrhunderts, der war auch auf Schloss Augustusburg. Gorbatschow war da, Reagan, Mitterand, Nelson Mandela, die gekrönten Häupter sowieso, allein die englische Königin besuchte drei Mal die ehemalige Sommerresidenz des Kölner Kurfürsten, die jetzt der Repräsentationsraum der jungen Bonner Republik war.
"Es sind bei einem modernen Staatsempfang 320 Gäste im Sitzen bewirtet worden, hier im Speise- und Musiksaal stand aber die Haupttafel des Bundespräsidenten, das war so 'ne E-förmige Tafel, wo etwa 8o Gäste Platz nahmen, die 80 Wichtigsten. Und man konnte auch im 20. Jahrhundert interessanterweise genau den Rang des Gastes ablesen, je weiter man hinten in den Räumen saß, bis in der Bibliothek am Katzentisch, desto rangniedriger war man, und hier saßen dann eben so die 80 wichtigsten Menschen."
Über 100 Empfänge in fast 50 Jahren, und doch blieb auch Augustusburg, wie auch der Regierungssitz Bonn, in gewisser Weise Provisorium.
"Also eine funktionsfähige Küche gibt es bis heute nicht hier im Haus, sondern nur ein Provisorium, und das Essen wurde für die Staatsgäste auf dem Petersberg vorgekocht, und dann eben auf LKWs mit Blaulicht hierher nach Brühl transportiert, weil das Essen nicht im Stau stehen durfte. Und man muss sich vorstellen, dass zum Teil 25 Tonnen Material hierher geschafft wurden. Es wurde alles gebracht. Es waren bei einem Staatsempfang für 320 Personen 23.000 Teile an Besteck und Porzellan - das Porzellan wurde hier im Haus aufbewahrt, - das Besteck wurde dann, weil es versilbert war, eben wieder mitgenommen und da dann fachgerecht behandelt und poliert. Und es musste, wenn man Eis brauchte um Getränke zu kühlen, das Ganze hierher geschafft werden, damit man dann im Keller die Getränke kühl halten konnte. Ebenso wurden 40 Meter an Wärmebrücken aufgebaut, wo man das Essen dann eben dementsprechend warm halten konnte, um insgesamt war dieser Aufwand gigantisch, auch an Material."
Natürlich nahm man auch auf die persönlichen Befindlichkeiten der hohen Gäste Rücksicht. Reagan beispielsweise war allergisch gegen rohe Tomaten, die Queen mochte und mag kein Aspik und Prinz Bernhard der Niederlande verfügte über eine tiefe innere Abneigung gegen deutsche Schaumweine - und bekam deshalb nur echten französischer Champagner. Doch der Mensch lebt nicht von Brot und Alkohol allein und deshalb diente die kultivierte Natur in Form des Schlossparks der seelischen Erbauung der Staatsgäste.
"Der Garten ist nämlich hier so etwas wie die Fortsetzung der Architektur unter freiem Himmel. Es gibt nämlich in der Augustusburg keinen Festsaal, sondern das war dann im Sommer der Garten. Wände aus pflanzlichem Material, hier die streng geschnittenen Kastenlinden an beiden Seiten, und die umrahmen einen französischen Garten, der von Dominique Gerard entworfen wurde. Das war ein Architekt, der in Versailles ausgebildet worden war."
1996 war der rumänische Präsident der letzte Staatschef auf Schloss Augustusburg. Seitdem finden die prunkvollen Empfänge der Bundesrepublik Deutschland in Berlin statt. Im Schloss Augustusburg jedoch feiert der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen bis heute sein jährliches Sommerfest, genießen die Zuhörer die Brühler Schlosskonzerte und besuchen Tausende von Touristen die Anlage aus der Zeit des Kölner Kurfürsten Clemens August. Und wer an einem lauen Sommerabend auf der Terrasse sitzt und der Barockmusik lauscht, der kann - mit ein klein wenig Fantasie - die Zeit vergessen. Denn Mond und Sterne haben auch schon zu Kurfürst Clemens August Zeiten das Schloss und den Park beleuchtet.