
Sie saßen bereits mehrere Jahre in Belarus in Haft, mussten brutale Misshandlungen und Folter ertragen, wie sie nach ihrer Freilassung berichteten: Unter den mehr als 100 politischen Gefangenen, die Machthaber Alexander Lukaschenko freigelassen hat, sind gleich mehrere prominente Köpfe der belarussischen Oppositionsbewegung. Die Freilassung erfolgte auf Drängen von US-Präsident Donald Trump und ist Teil eines Deals, der die Legitimität von Diktator Lukaschenko innen- und außenpolitisch stärkt.
Wer wurde freigelassen?
Insgesamt entließ Lukaschenko 123 politische Gefangene. Unter ihnen sind mehrere führende belarussische Oppositionelle wie Maria Kolesnikowa, Viktor Babariko, Maxim Snak und der Friedensnobelpreisträger Ales Beljazki. Die Freilassung sei im „Rahmen der mit US-Präsident Donald Trump getroffenen Vereinbarungen und auf dessen Bitte hin“ erfolgt, teilte Lukaschenkos Pressedienst in Minsk mit.
Ales Beljazki
Ales Beljazki gründete 1996 die Menschenrechtsorganisation Wesna, die sich für politische Gefangene und ihre Familien engagiert. Nach der von Manipulationsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl 2020 entschied er sich, in Belarus zu bleiben, trotz einer Verhaftungswelle nach Massenprotesten.
Ein Jahr später wurde er verhaftet und im April 2023 zu zehn Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt. Dem Menschenrechtsaktivisten wurden Finanzvergehen im Zusammenhang mit seiner Organisation Wesna vorgeworfen. Weltweit bekannt wurde er 2022, als er den Friedensnobelpreis erhielt.
Maria Kolesnikowa
Maria Kolesnikowa gehörte zu den Anführerinnen der Massenproteste nach der Präsidentenwahl 2020. Sie wurde am 7. September 2020 verhaftet, nachdem sie sich einer Zwangsausweisung widersetzt und ihren Pass an der Grenze zerrissen hatte. Im Jahr 2021 wurde sie wegen extremistischer Aktivitäten und Verschwörung zur Machtübernahme zu elf Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt. Während ihrer Haft erkrankte sie schwer und musste operiert werden.
Viktor Babariko
Viktor Babariko, ein ehemaliger Banker, galt vor der Präsidentenwahl 2020 als aussichtsreichster Gegenkandidat Lukaschenkos. Doch zwei Monate vor dem Wahltermin wurde er verhaftet und im Juli 2021 wegen Korruptionsvorwürfen zu 14 Jahren Haft verurteilt. Babariko bestritt die Vorwürfe. Auch er erkrankte während seiner Haft schwer und musste operiert werden. Nachdem er lange ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert war, durfte er im Januar 2025 erstmals wieder eine Nachricht an seine Familie senden.
Maxim Snak
Maxim Snak war Anwalt und Mitglied im Wahlkampfteam von Babariko. Er wurde zusammen mit Kolesnikowa vor Gericht gestellt und 2021 ebenfalls wegen "extremistischer Aktivitäten und Verschwörung zur Machtübernahme" zu zehn Jahren Haft verurteilt. Wie sie wurde auch er später auf die Liste der “Terroristen” des KGB-Sicherheitsdienstes gesetzt.
Unter den Freigelassenen waren neben Oppositionellen auch Journalisten. Die meisten, nämlich 114 Personen, wurden in die Ukraine gebracht, die übrigen neun, darunter Beljazki, nach Litauen. Die Freilassung am 13. Dezember war bereits die dritte in diesem Jahr. In allen Fällen war die US-Regierung beteiligt. Insgesamt kamen dabei durch die Vermittlung Washingtons weit mehr als 200 politische Gefangene frei.
Warum hat Lukaschenko die politischen Gefangenen freigelassen?
Die Freilassung der politischen Gefangenen ist aus Sicht von Beobachtern wie dem Grünen-Europaabgeordneten Sergej Lagodinski oder der Politologin Olga Dryndova keine humanitäre Geste. Vielmehr habe der belarussische Machthaber mit den prominenten Oppositionellen sein „stärkstes politisches Kapital“ eingesetzt, um die wirtschaftliche und politische Isolation seines Landes zu beenden.
So hoben die USA im Gegenzug für die Freilassungen Sanktionen gegen die belarussische Kalidüngemittelindustrie auf. Die Sanktionen waren seit 2021 wegen Menschenrechtsverletzungen verhängt worden. Die Düngemittelproduktion ist für Belarus von großer Bedeutung. Nun kann Minsk wieder mit den USA handeln.
Zugleich nutze Lukaschenko die Verhandlungen und den Deal mit den USA, um seine Legitimität gegenüber dem eigenen Staatsapparat und international zu stärken, so die Einschätzung von Dryndova. Damit könnte die Hoffnung verbunden sein, dass die USA Druck auf die EU ausüben, damit diese ihre Isolationspolitik und Sanktionen gegenüber seinem Land ebenfalls lockern.
Möglicherweise ist der Deal aber auch der Versuch Lukaschenkos, mehr Unabhängigkeit und Gewicht gegenüber Russlands Präsident Wladimir Putin zu erlangen und sich die Rolle eines Vermittlers bei den Verhandlungen um einen Frieden in der Ukraine zu sichern.
Was bedeutet die Freilassung für die belarussische Opposition?
Die Freilassung prominenter Persönlichkeiten wie Beljazki, Kolesnikowa und Babariko könnte die belarussische Opposition stärken. Seit 2020 hat die Bewegung aus dem Exil die internationale Aufmerksamkeit für die politischen Gefangenen und die Situation in Belarus wach- und den Druck auf das Regime hochgehalten.
Für die belarussische Philosophin Olga Shparaga sind die Freilassungen verbunden mit neuer Hoffnung und Motivation weiterzukämpfen. „Ich hoffe sehr darauf, dass diese Befreiungen von Menschen neue Ideen, neue Impulse, neue Gefühle mitbringen“, sagte Shparaga im Dlf.
Allerdings ist noch unklar, ob die Freigelassenen weiter politisch aktiv sein wollen. Ihren Schilderungen zufolge haben sie in belarussischer Haft brutale Misshandlungen und Folter erfahren. Bei ihrer ersten Pressekonferenz nach der Freilassung äußerten sie sich extrem zurückhaltend bezüglich ihres künftigen politischen Engagements.
Noch ist auch unklar, welche Länder die Freigelassenen aufnehmen werden - mit Ausnahme von Kolesnikowa und Babariko. Diesen hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) bereits eine Aufnahme in Deutschland zugesagt.
Wie wird der Deal zwischen den USA und Lukaschenko bewertet?
Beobachter werten die Freilassung als großen Erfolg und wichtiges Zeichen. Für die Freigelassenen ist es ein "großes Glück", sagte Kolesnikowa, für die Angehörigen ein Moment der Erleichterung, so die in Litauen im Exil lebende Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Zugleich erinnerten sie an diejenigen, die noch immer in Belarus im Gefängnis sitzen.
Laut Angaben der belarussischen Menschenrechtsorganisation Wesna sind aber immer noch mehr als 1100 Menschen aus politischen Motiven inhaftiert. Es könnten jedoch weit mehr sein, da diese Angaben nur die namentlich Bekannten berücksichtigen. Zudem werden ständig neue politische Gefangene inhaftiert.
Der Sondergesandte des US-Präsidenten für Belarus, John Coale, sagte in Minsk, er erwarte die Freilassung weiterer rund 1000 Menschen. Man sei auf dem richtigen Weg.
Der Grünen-Europaabgeordnete Sergej Lagodinsky beschreibt die Vereinbarung zwischen den USA und Lukaschenko als „Abwicklung einer menschenfeindlichen Erpressungsmasche“ und als eine Art „Normalisierungslabor für Diktatoren“. Trump versuche auszutesten, was er vielleicht auch mit Putin ausprobieren wolle: „Wie viel kann man diesen Menschen geben, diesen Diktatoren geben, um Ruhe und einen Nobelpreis zu haben?“
Er fordert neben der Freilassung der politischen Gefangenen auch ein Ende der staatlichen Repressionen des Regimes und der Unterstützung der russischen Aggression in der Ukraine. Neben der innerstaatlichen Unterdrückung betreibe Belarus weiterhin die Destabilisierung von EU-Staaten, beispielsweise Litauens, durch die gezielte Steuerung von Migrationsschüben sowie Grenz- und Luftraumverletzungen.
All das sind für den Europaabgeordneten Lagodinsky Gründe, warum die EU an ihren Sanktionen gegen Belarus auch festhalten sollte – trotz der Freilassungen.
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