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Belastete Beziehungen

Im November 2006 scheiterten die Verhandlungen über ein Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Russland am Widerstand Polens. Russland hatte damals einen Einfuhrstopp für polnisches Fleisch verhängt. Nun hat Polen seinen Widerstand aufgegeben. Und so sollte heute auf dem EU-Außenministertreffen in Luxemburg grünes Licht für den Beginn der Gespräche gegeben werden. Doch jetzt stellt sich Litauen quer. Aus Vilnius berichtet Matthias Kolb.

    Freundschaft ist ein Begriff, der in der internationalen Politik etwas aus der Mode gekommen zu sein scheint. Damals, zu Zeiten der Sowjetunion, war häufig von Freundschaft die Rede. Die Litauer sprachen von "draugyste", die Letten von "draudziba" und die Russen von "druschba". Druschba heißt auch die Öl-Pipeline, die von Russland über Weißrussland nach Westeuropa führt und bis vor zwei Jahren außerdem Lettland und Litauen versorgte, erklärt der energiepolitische Berater des litauischen Ministerpräsidenten, Saulius Specius:

    "Wir bekamen lange Zeit Rohöl durch die Pipeline zu unserer Raffinerie in Mazeikiai geliefert. Leider wurde die Lieferung vor fast zwei Jahren unterbrochen. Man sagte uns, es gebe Umweltprobleme auf russischem Territorium. Offen gesagt: Es erscheint zweifelhaft, dass es sich nur um ein Leck oder einige undichte Stellen handelt. Es wirkt vielmehr, als sei jemand unzufrieden, dass wir die Raffinerie an eine polnische Firma verkauft haben - und nicht an eine russische."

    Die Blockade der Pipeline ist für die Litauer auch deshalb unverständlich, weil russische Firmen durch die Verarbeitung ihres Rohöls in der Raffinerie in Mazeikiai selbst gute Geschäfte machten. Auch im Außenministerium vermutet man politische Hintergründe, so Unterstaatssekretär Zygimantas Pavilionis:

    "Unser Ministerpräsident hat mehrere offizielle Briefe nach Moskau geschickt. Auch EU-Kommissionspräsident Barroso und Energiekommissar Piebalgs unterstützen unseren Vorschlag an die Russen: Lasst uns die Pipeline gemeinsam untersuchen. Wir sind bereit, unser Geld und unsere Experten für die Reparatur beizusteuern. Aus Moskau kam keine Antwort."

    Die Raffinerie arbeitet weiter, doch sie muss das Rohöl nun per Schiff importieren - zu deutlich höheren Kosten. Weitere Folgen: Weniger Gewinn für die Raffinerie und weniger Steuereinnahmen für Litauen. Russland behauptet, es sei zu teuer, den Schaden an der Pipeline zu beheben und baut stattdessen den eigenen Hafen in Primorsk aus, um von dort Rohöl in den Westen zu liefern. Das Thema Energie beschäftigt alle baltischen Staaten: Estland, Lettland und Litauen sind an das russische Netz angeschlossen. Noch produziert das Atomkraftwerk in Ignalina zwei Drittel des litauischen Stroms und exportiert Elektrizität nach Lettland. Doch Litauen hat sich im Beitrittsvertrag verpflichtet, den Reaktor des Tschernobyl-Typs Ende 2009 abzuschalten. Nun wächst die Sorge vor den Konsequenzen:

    "Ich möchte nicht, dass Litauen abhängig ist von Russland oder von irgendeinem anderen Land. Das führt nur dazu, dass die Preise für Energie weiter steigen."

    Litauens Regierung fordert nun Solidarität und droht damit, die Aufnahme der Verhandlungen über das Partnerschaftsabkommen der EU mit Russland zu blockieren. Die Druschba-Blockade ist nur ein Streitpunkt in den litauisch-russischen Beziehungen: Seit mehr als einem Jahr ist ein litauischer Geschäftsmann in Kaliningrad verschwunden, doch die lokalen Behörden verweigern die Zusammenarbeit. Der Vorwurf aus Vilnius: Als Mitglied im Europarat sei Russland zur Kooperation verpflichtet - Moskau ignoriere also bestehendes Recht. Gleiches gelte für die Konflikte in den abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien in Georgien sowie in Transnistrien. Litauen will diese Themen in das Verhandlungsmandat aufnehmen, so Unterstaatssekretär Zygimantas Pavilionis:

    "Die Tatsache ist einfach: Russische Soldaten sind stationiert auf dem Territorium von souveränen Staaten. Diese Staaten lehnen dies ab und laut Völkerrecht sollten die fremden Soldaten abziehen - doch das geschieht nicht. Zudem sollten die Russen dabei helfen, die Konflikte zu lösen, doch sie betrachten dies als ihr eigenes Gebiet."

    Die litauische Position stößt bei den Nachbarn eher auf Unverständnis - dabei kämpft Lettland mit einem ähnlichen Problem. Seit 2003 versorgt die Druschba-Pipeline den Hafen in Ventspils nicht mehr mit Öl. Offenbar war es dem russischen Pipeline-Betreiber Transneft nicht gelungen, Anteile an dem wichtigen Umschlagplatz zu erwerben. Dennoch will Riga schnell mit den Gesprächen beginnen, erklärt der politische Direktor des lettischen Außenministeriums, Peteris Ustubs:

    "Wir sehen die eindeutigen Vorteile eines umfassenden Abkommens zwischen der EU und Russland. Es gibt viele schwierige Themen, für die Lösungen gefunden werden müssen, aber das kann während der Verhandlungen erreicht werden - und nicht durch eine Blockade."

    Litauen halte sich seine Entscheidung bis zuletzt offen, so Zygimantas Pavilionis:

    "Wenn unsere Stimme gehört wird und unsere Interessen berücksichtigt werden, dann sagen wir sofort: Lasst uns mit den Verhandlungen beginnen."