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Benzin und Autos wie Brot und Spiele

Die iranische Bevölkerung wird immer unzufriedener mit ihrem Präsidenten Mahmud Ahmadineschad. Weder Armut noch Arbeitslosigkeit sind zurückgegangen. Also versucht die Führung, das Volk mit hoch subventionierten Mitteln des täglichen Bedarfs bei der Stange zu halten. Der Benzinpreis ist niedrig und die Luft in Teheran darum eine der schlechtesten der Welt.

Von Martin Ebbing | 17.02.2007
    Mit den ersten Sonnenstrahlen beginnt in Teheran das Verkehrschaos. Die ersten Pendler machen sich auf den Weg zur Arbeit, und es ist noch keine sieben Uhr, da sind die Straßen hoffnungslos verstopft.

    Um acht geht am Haft-e Tir, einem der drei großen Plätze im Zentrum, nichts mehr. Die Autos stehen Stoßstange an Stoßstange. Es wird gehupt und geschimpft, um Zentimeter gekämpft und rücksichtslos von Lücke in Lücke gesprungen, aber die Mehrzahl der Fahrer nimmt ihr Schicksal in stummer Resignation hin.

    Das Leben im Stau ist Alltag.

    " Wer in Teheran wohnt, lebt in einem permanenten Stau, " sagt diese junge Frau. " Niemand erwartet, dass jemand pünktlich zu einer Verabredung kommt. "Trafik", Verkehr, ist die Standarderklärung, warum mal wieder jemand eine Stunde zu spät gekommen ist."

    Die permanente Verstopfung hat historische Gründe. Seit 1960 ist die Einwohnerzahl von einer auf 12 Millionen gestiegen. Obwohl kreuz und quer Schnellstraßen wie Breschen durch die Wohngebiete und Geschäftsviertel gebaut wurden, hat die Verkehrsplanung nicht mithalten können.

    Es gibt zwar eine moderne U-Bahn, aber die zwei Linien decken nur einen geringen Teil des Stadtgebietes ab. Die Busse, meist aus dem Auspuff qualmende ältere Modelle, stecken ebenso im Stau wie der Rest.

    Vor allem wegen der vielen Autos gilt die Luft in Teheran als mit die schmutzigste weltweit. Nach Angaben des städtischen Umweltbeauftragten sterben pro Tag in Teheran 120 Menschen an den Folgen der Abgase – Tendenz stark steigend.

    Katalysatoren werden im Iran zwar empfohlen, sind aber keine gesetzliche Pflicht.

    " Die Stadt ist zum Opfer des billigen Öls geworden," sagt der Ökonom Said Leylaz. " Die Leute glauben, weil sie auf all dem Öl sitzen, brauche es auch nichts kosten."

    Ein Liter Kraftstoff kostet an der Tanksäule rund 850 Rial – weniger als 10 Cent. Das ist weit unter dem Herstellungspreis. Die Regierung subventioniert den Benzinpreis. Leylaz hält dies für einen gefährlichen Fehler:

    " Weil das Benzin so billig ist, sieht niemand einen Grund, daran zu sparen. Sie werden in Teheran kaum einen Fahrer finden, der sein Auto abstellt, wenn er mal fünf Minuten warten muss. Mit dem Auto zum Bäcker zu fahren oder die Tante am anderen Ende der Stadt zu besuchen, kostet höchstens Zeit, aber so gut wie kein Geld. Die Regierung schätzt, dass Benzin im Wert von jährlich einer Milliarde Dollar einfach verschwendet wird. Auch wenn wir das Land mit den zweitgrößten Erdölvorkommnissen der Welt sind, können wir uns das aber nicht leisten."

    Täglich werden im gesamten Land rund 70 Millionen Liter Benzin verbraucht. Der Iran verfügt in seinen Raffinerien aber nur über die Kapazitäten, 40 Millionen Liter zu produzieren.

    Die Differenz muss aus dem Ausland gekauft werden. Im letzten Haushalt wurden für diese Importe 4 Milliarden Dollar angesetzt. Das ist fast ein Zehntel der gesamten Erdöleinnahmen des Iran. Jedes Jahr kommen etwa 200.000 neue Autos hinzu und die Lücke zwischen selbstproduziertem und importiertem Benzin wird immer größer. Das Fahrvergnügen hat die Grenzen des finanziell Möglichen erreicht.

    Was also tun? Es gibt so viele unterschiedliche Ideen wie Autofahrer.

    Ali Ramazani, Taxifahrer: " Sie sollten keine Autos mehr auf Kredit verkaufen. Dann würde es nicht so viele Autos geben. Und dann sollten die Ampeln anders geregelt werden, so dass der Verkehr flüssiger verläuft. "

    Majid Hashempour, Ingenieur: " Das Hauptproblem ist, dass es in Teheran einfach zu viele Menschen gibt. Der Verkehr ist nur eine Folge davon. Der Zuwachs der Bevölkerung muss kontrolliert werden. "

    Amirali Zendegandi, Armeeoffizier: " Es sollten weniger Autos produziert und keine Fahrzeuge mehr importiert werden. Und dann sollten die alten Autos aus dem Verkehr gezogen und neue Straßen gebaut werden. "

    All diese Ideen wurden in der einen oder anderen Form schon mal diskutiert, aber die Erkenntnis hat sich durchgesetzt, dass das billige Benzin der Schlüssel vieler Probleme ist.

    Seit Jahren werden im Parlament immer wieder Pläne diskutiert, die Subvention stufenweise zu reduzieren und den Benzinpreis an einen realen Preis anzupassen.

    Das klingt einfach, so der Ökonom Leylaz, würde aber weitreichende Folgen haben:

    " Unsere ganze Wirtschaft orientiert sich irgendwie am Benzinpreis. Das ist mehr psychologisch. Wird das Benzin teurer, steigt der Preis für die Taxifahrt. Wird die Taxifahrt teurer, steigen auch die Lebensmittelpreise. Werden die Lebensmittel teurer, steigen die Mieten. Der Iran kämpft allemal mit einer Inflation von mehr als 10 Prozent. Einen solchen weiteren Preisschub könnte die Wirtschaft kaum verkraften."

    Spüren würden den gestiegenen Benzinpreis vor allem die sozial Schwachen und das ist im Iran jeder Dritte. Kein Politiker wagt deshalb, eine solche Entscheidung zu treffen.

    Das gilt vor allem für Präsident Mahmud Ahmadineschad, der mit dem Versprechen, die Lebensbedingungen der Unterschicht verbessern zu wollen, seine Wahl gewonnen hat.

    Aber das Problem ist nicht mehr zu ignorieren. Im letzten Jahr hat das Parlament Ahmadineschad den Etatposten für die Benzinimporte gestrichen, um ein Zeichen zu setzen. Mit Drohungen und Betteln hat er die Abgeordneten, von denen die Mehrheit seine Parteifreunde sind, dazu gebracht, ihm einen Nachtragshaushalt zu genehmigen.

    Im März muss erneut über die Frage entschieden werden. Wieder steht eine Erhöhung des Benzinpreises zur Diskussion.

    " Es wird nicht passieren, " ist sich Majid Hashempour, ein Ingenieur, sicher." Wenn Ahmadineschad den Benzinpreis erhöht, wird er keine Woche mehr im Amt sein."