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Bergdoktor

Ein Medizinstudium in Deutschland bleibt für viele Abiturienten wegen des strengen Numerus clausus ein Traum. Aber wer in Deutschland nicht zugelassen wird, könnte nach Österreich ausweichen. Dort werden die Plätze über einen Eignungstest vergeben, an dem immer mehr Deutsche teilnehmen.

Von Julia Kimmerle |
    Dominic Gerstmeyr weiß, was er will: Der 22-jährige Augsburger möchte Arzt werden. Naturwissenschaften, Verantwortung übernehmen und Menschen helfen: Das würde er am liebsten machen. Gerstmeyr - blond, T-Shirt, Baseballkappe - sieht man an, dass er Leistungssportler war. Und dass er entschlossen ist, für sein Traumstudium einiges auf sich zu nehmen. Gerade kommt er aus der Berufsschule, er macht eine Ausbildung als Kinderkrankenpfleger. Denn mit Abiturdurchschnitt von 2,2 stehen seine Chancen auf einen Studienplatz schlecht.

    "Als ich gemerkt habe, dass das in Deutschland sehr lange dauern wird mit dem Medizinstudium, da einen Platz zu bekommen, habe angefangen, mich im Ausland umzuschauen. Im Internet über Möglichkeiten informiert, in Italien zu studieren, in Rumänien, Nachbarländer, auch Frankreich. Und da wird man dann schon bald feststellen, dass es nicht einfach ist in vielen Ländern. Und dann bleibt jetzt im Endeffekt nur noch Österreich übrig."

    In Österreich gibt es keinen Numerus clausus. Wer dort Mediziner werden will, muss den Eignungstest für medizinische Studienrichtungen, den EMS, bestehen. Maximal 20 Prozent der Plätze werden an Deutsche vergeben - 80 von 400. Ein Schutz vor der Welle der Numerus-clausus-Flüchtlinge. 1800 Deutsche haben sich beworben. So viele wie nie zuvor. Dominic Gerstmeyr trainiert schon seit Wochen dafür und lernt unter anderem Patientenprofile auswendig.

    "Zum Beispiel Mayer, zwanzig Jahre, mit Tuberkulose, alleinstehend - da habe ich jetzt zum Beispiel einen Bekannten, der Mayer heißt. Da stelle ich mir sein Gesicht vor. Dann verknüpfe ich das zum Beispiel mit der Kerze, mein Symbol für zwanzig Jahre. Die Tuberkulose ist dann die Tupperdose, das klingt recht ähnlich. Und dann verknüpfe ich halt den Bekannten der Mayer heißt, der hat eine Kerze in der Hand, und da fließt ihm aber das Wachs runter in eine Tupperdose."

    Faktenlernen, Muster erkennen, räumliches Denken - jeder Punkt zählt: Dominic Gerstmeyr hat gleich zwei Vorbereitungskurse besucht. Kostenpunkt: etwa 900 Euro, die er sich zusammengespart hat, damit es in Innsbruck auch sicher klappt. Dort, an der Hochschule, sieht man den deutschen Bewerberansturm gelassen, sagt Konstantin Preindl, der sich in der österreichischen Hochschulvertretung, der ÖH, engagiert.

    "Wir sind als ÖH - und ich mache das ja nun auch schon ein paar Jahre - nie auf Probleme gestoßen. Dass da Studierende zu uns kommen und sich beschweren, das sei alles so furchtbar, oder so - nie! Das war nie ein Problem, weder von der einen noch von der anderen Seite."

    Auch zwei Straßen weiter, bei der Hochschulleitung, gilt der EMS Test nicht als Hürde gegen deutsche Bewerber. Sondern als gutes Mittel, um die begehrten Plätze nur an geeignete Studenten zu verteilen. Professor Norbert Mutz, Vizerektor für Lehre und Studienangelegenheiten:

    "Hier gibt eine ganz klare Überprüfmöglichkeit und das ist die Ausstiegsquote: Die Ausstiegsquote nach Einführung des EMS Tests sinkt immer weiter ab. Und das zeigt, dass die Auswahl des Personenkreises für das Medizinstudium keine ganz falsche sein kann."

    Trotzdem gibt es mit dem Test Probleme. Die Kosten. Test-Lizenz, Auswertung, Räume und das Aufsichtspersonal sind teuer. Dieses Jahr sind es 400.000 Euro. Daran sind auch die vielen Deutschen schuld. An der Finanzierung müsse sich deshalb bald etwas ändern, sagt Konstantin Preindl:

    "400.000 Euro ist schon eine wahnsinnige Summe, die dann irgendwo natürlich wieder den Studierenden fehlt. Und da ist natürlich schon auch die Meinung bei uns, ob man sich da nicht irgendwas einfallen lassen muss, dass man zumindest teilweise, diese Kosten wieder reinkriegt."

    In Deutschland hat Baden-Württemberg einen ähnlichen Eignungstest. Dort werden die Kosten auf die Prüflinge umgelegt. Dominic Gerstmeyer musste in Ulm 50 Euro für den Test bezahlen. Wenn es denn heute klappen sollte in Innsbruck, dann habe sich das in jedem Fall gelohnt, sagt er. Und wenn das Ergebnis heute nicht ausreicht?

    "Dann - werde ich weitersehen. Dann werde ich die Ausbildung weitermachen, und mir eine andere Lösung überlegen fürs nächste Jahr."