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Berichtsentwurf im VW-Skandal geleakt
"Dieses Dokument der Koalition ist eine Lachnummer"

Die Opposition ist empört: Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zum Diesel-Skandal entlastet Hersteller, Aufsichtsbehörden und die Große Koalition. Dem Verkehrsministerium sei kein Vorwurf zu machen, heißt es in dem Papier, von dem knapp hundert Seiten vorab in Umlauf gekommen sind.

Von Nadine Lindner | 04.05.2017
    Alexander Dobrindt in einem pilotiert fahrenden Audi A7
    Dem Verkehrsministerium unter Alexander Dobrindt sei im VW-Skandal kein Vorwurf zum machen, heißt es auf Seite 37 des Berichtsentwurfs. (dpa/picture alliance/Peter Kneffel)
    Es war eine Überraschung am Nachmittag! Eigentlich sollte er erst Ende Juni kurz vor der Sommerpause offiziell vorgestellt werden, doch nun kursiert ein Teil des Berichtsentwurfs vorab im politischen Berlin.
    Knapp hundert Seiten sind bereits bekannt geworden, sie liegen dem Deutschlandradio Hauptstadtstudio vor. Spiegel Online hatte darüber zuerst berichtet. Es handelt sich um den Bewertungsteil der Abgeordneten der Großen Koalition im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestags.
    Große Koalition bescheinigt Bundesregierung keine Versäumnisse
    Ihr Fazit: Die schwarz-rote Koalition sieht keine Versäumnisse der Bundesregierung beim VW-Skandal. Der von der Opposition erhobene Vorwurf des organisierten Staatsversagens wird von den Abgeordneten der Großen Koalition zurückgewiesen.
    Auf Seite 37 heißt es unter anderem, dass dem Verkehrsministerium kein Vorwurf zum machen sei. Im Gegenteil, das Ministerium vom Alexander Dobrindt, CSU, habe dafür gesorgt, dass VW seine Fahrzeuge umrüste und auf eigene Kosten in einen - Zitat "rechtskonformen Zustand" bringt.
    Grüne: "Das ist eine großkoalitionäre Bewusstseinsstörung"
    Das ärgert die Opposition. Vor allem den grünen Fraktionsvize und Ausschussmitglied Oliver Krischer:
    "Dieses Dokument der Koalition ist eine Lachnummer, es ist eine großkoalitionäre Bewusstseinsstörung."
    Die Kumpanei der Regierung mit der Automobilindustrie gehe weiter. Schwer enttäuscht vom Entwurf der Großen Koalition zeigt sich auch der Ausschussvorsitzende, der Linke Herbert Behrens:
    "Anfangs, als ich in den Bericht reinschaute, war ich enttäuscht. Jetzt bin ich empört."
    Linke: "Überhaupt keine kritische Würdigung der Arbeit"
    Man habe gut im Untersuchungsausschuss zusammengearbeitet, der Bericht sei nun eine üble Überraschung:
    "Nein, es gibt überhaupt keine kritische Würdigung der Arbeit, die wir in den letzten Monaten geleistet haben."
    Die Union keilt zurück: die Kritik der Opposition verkenne offenbar die Realität. So äußerte sich der Obmann der CSU, Ulrich Lange auf Anfrage per Email.
    Der Ausschuss habe sich mit 57 Zeugen und 13 Sachverständigen auseinandergesetzt. Dabei habe sich ergeben, dass die Bundesregierung unverzüglich reagiert und Aufklärung organisiert habe, so der CSU-Politiker weiter. Nein, der Skandal fällt aus, der Bericht ist korrekt.
    SPD: "Keinen Skandal aufgedeckt"
    So sieht es auch die Obfrau der SPD im Abgas-Untersuchungsausschuss, Kirsten Lühmann. Der Vorwurf, der Bericht solle die Auto-Industrie reinwaschen, sei falsch, die Opposition habe zu hohe Erwartungen gehabt:
    "Es ist nur so, dass der Untersuchungsausschuss keinen Skandal aufgedeckt hat."
    Gleichwohl muss die SPD-Abgeordnete einräumen:
    "Wir haben in diesem Untersuchungsausschuss festgestellt. Wir haben in dem Moment - sowohl rechtlich als auch praktisch - hinken wir mit der Überprüfung von Abgasen von Pkw hinter dem hinterher, was möglich wäre."
    Typengenehmigung weiter durch das Kraftfahrtbundesamt
    In dem Entwurf äußern sich die GroKo-Abgeordneten noch zu weiteren Punkten. Sie lehnen auch die Einführung einer gemeinsamen europäischen Behörde zur Typengenehmigung ab. Die Kompetenz solle bei den nationalen Behörden, also dem Kraftfahrbundesamt bleiben, es solle aber gestärkt werden. Das KBA war von Abgeordneten im Untersuchungsausschuss als zu passiv kritisiert worden.
    Votum der Opposition angekündigt
    Im März hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel als letzte Zeugin vor dem Abgas-Untersuchungsausschuss ausgesagt. Sie hielt an der Diesel-Technologie fest, auch aus Klimaschutzgründen.
    Diesel-Fahrzeuge stoßen zwar mehr Stickoxide, aber deutlich weniger CO2 aus. Zuvor hatten der amtierende, sowie ehemalige Bundesverkehrsminister ausgesagt. Im Januar war Ex-VW-Chef Martin Winterkorn vorgeladen. Alle gaben an, vor dem Auffliegen von den Manipulationen nichts gewusst zu haben.
    Die Abgeordneten der Opposition kündigten an, ein eigenes Votum abzugeben.