Donnerstag, 25. April 2024

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Berliner Bewerbung
"Olympische Spiele können Stadt voranbringen"

Heute wird das Umfrageergebnis aus Berlin und Hamburg präsentiert: Dann zeigt sich, wie hoch die Zustimmung zu Olympischen Spielen in den jeweiligen Städten ist. Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin, sagte im Deutschlandfunk, er halte das Umfrageergebnis nicht für eine Vorentscheidung. Für ihn ausschlaggebend: der gute Ruf Berlins in der Welt.

Michael Müller im Gespräch mit Friedbert Meurer | 10.03.2015
    Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD).
    Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD). (Imago / Metodi Popow)
    Olympische und Paralympische Spiele könnten eine Stadt voranbringen, sagte Michael Müller. Es sei auch ein starkes politisches Signal angesichts von Klagen, in welche Regionen Spiele oft gegeben würden.
    Eine Mehrheit sei eine Mehrheit, kommentierte Müller ein Umfrageergebnis in Berlin von womöglich nur knapp über 50 Prozent Zustimmung für eine Olympiabewerbung. Durch die Olympischen Spiele würde auch in dezentrale Strukturen investiert, von denen Berlin über Olympia hinaus profitiere.
    Wenn es in Berlin und Hamburg eine Mehrheit für die Spiele gäbe, dann würden auch weitere Punkte bei der Bewerbungsvergabe des Deutschen Olympischen Sportbundes eine Rolle spielen als allein das Abstimmungsergebnis.
    Berlin habe in der Welt einen guten Ruf, betonte Müller. Man müsse aufpassen, dass man sich nicht selbst international klein mache. Es gehe auch mal etwas schief, kommentiert er den Vergleich mit dem Berliner Flughafen. Man könne deshalb nicht von vorne herein sagen, man traue sich nichts mehr zu.
    Berlin wolle mit einer großartigen Sportveranstaltung auch andere Bilder liefern als die von 1936 im Zeichen der NS-Propaganda. Es sei an der Zeit, zu zeigen, wofür Deutschland stehe: ein modernes und weltoffenes Land.

    Das Interview in voller Länge:
    Friedbert Meurer: Hamburg oder Berlin, welche Stadt wird der Deutsche Olympische Sportbund für die Olympischen Spiele 2024 nominieren, die Sommerspiele? Heute fällt wohl eine Vorentscheidung. Der DOSB hat Meinungsbefragungen in beiden Städten, Hamburg und Berlin, in Auftrag gegeben. Vom Ausgang hängt einiges ab. Heute Nachmittag werden die Ergebnisse bekannt gegeben.
    Michael Müller, Berlins neuer Regierender Bürgermeister (SPD), der Nachfolger von Klaus Wowereit. Guten Morgen, Herr Müller!
    Michael Müller: Schönen guten Morgen!
    Meurer: Berlin ist arm, aber sexy, hat Ihr Vorgänger gesagt. Warum wollen Sie sich auch noch Olympia ans Bein binden?
    Müller: Na ja, es gibt viele Gründe. Natürlich ist es so, dass Olympische und Paralympische Spiele eine Stadt auch noch mal neu positionieren können, voranbringen können, und wir verbinden ja mit unserem dezentralen Konzept auch Investitionen in der ganzen Stadt, von denen man nachhaltig profitiert. Aber ich glaube, es ist auch ein starkes politisches Signal. Wir alle beklagen ja auch mitunter, in welche Städte oder Regionen große Veranstaltungen gegeben werden, gerade in diesen Tagen, wo es ja auch internationale Konflikte gibt, nach den Anschlägen in Paris, dass wir auch sagen, wir wollen als weltoffene, tolerante Metropole in unsere Stadt, in unser Land einladen zu friedlichen Spielen. Hier sollen die Athleten der Welt ja herkommen. Ich glaube, das ist auch ein starkes Signal, und da wollen wir gerne dabei sein.
    Meurer: Wir erfahren heute Nachmittag das Ergebnis der Meinungsbefragungen in Hamburg und Berlin. Wären Sie mit 51 Prozent Jastimmen zufrieden?
    Müller: Herr Hörmann selbst hat ja gesagt, er erwartet, dass eine Mehrheit der Bevölkerung dann auch dafür ist, und Mehrheit ist Mehrheit.
    Meurer: Das ist der DOSB-Präsident Hörmann.
    Müller: Entschuldigung, der DOSB-Präsident. - Mehrheit ist Mehrheit! Ich glaube, man muss da jetzt nicht über ein oder zwei Prozent hin oder her diskutieren. Ich hoffe natürlich auf ein stärkeres Votum und spüre das auch in der Stadt, dass es da zunehmend auch eine Sportbegeisterung gibt für Olympische und Paralympische Spiele. Für alle anderen Sportveranstaltungen gibt es ja auch schon diesen Funken, der übergesprungen ist. Wir machen ja sehr viel auch schon an Großveranstaltungen. Also ich glaube, das wird schon ein klares Votum werden auch für Spiele in der eigenen Stadt.
    "Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht selbst klein machen national"
    Meurer: Herr Müller, in den Umfragen sagen Berliner, auch Hamburger, das Geld wird doch eher für Schulen gebraucht. Wäre das Geld da besser angelegt?
    Müller: Ich glaube, man darf das nicht gegeneinander ausspielen. Es ist ja - ich habe eben schon darauf hingewiesen - so, dass wir nicht investieren wollen in einen neuen Stadtteil, wo immer alles noch mal größer und schöner wird. Wir haben ja ganz bewusst ein Konzept vorgelegt, wo wir auf bestehende Infrastruktur zurückgreifen. Wir haben ein Olympiastadion, wir haben hervorragende Sporteinrichtungen für Großveranstaltungen, in die würde dann noch mal investiert werden, genauso aber im Übrigen auch in den ÖPNV wie in Schulsporthallen, in dezentrale Strukturen, von denen die Berlinerinnen und Berliner profitieren jenseits der Spiele, und investieren müssen wir ohnehin. Die Stadt wächst, 40.000 Menschen kommen pro Jahr zusätzlich in die Stadt. Wir könnten also Sportinfrastruktur in die Investitionen in die wachsende Stadt zusammenführen.
    Meurer: Im Moment wird geschätzt, Olympia in Berlin würde dreieinhalb Milliarden Euro kosten. Wenn man sich die Kostenentwicklung für den Berliner Flughafen anguckt, heute Morgen schlägt Hartmut Mehdorn wieder Alarm. Bei welchen Kosten wird das am Ende landen?
    Müller: Wissen Sie, wenn wir das als Maßstab nehmen, dann müsste heute noch Hamburg die Bewerbung zurückziehen, weil die Kosten für die Elbphilharmonie sich verzehnfacht haben. Da sind wir noch weit entfernt. Also ich glaube, wir müssen da wirklich aufpassen national. Da geht es nicht um Berlin oder Hamburg. Da könnten auch ein paar andere Städte genannt werden. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht selbst klein machen national. In jeder Stadt, in jeder Region gibt es zu Großprojekten, zu Infrastrukturprojekten auch berechtigte Nachfragen und mitunter auch Widerspruch und Widerstand, und es geht auch mal was schief. Aber wir können uns auch gemeinsam eine Menge zutrauen. Es geht in unserem Land auch sehr viel sehr gut nach vorne. Das sind solche Veranstaltungen zum Beispiel auch, wo wir bewiesen haben in den letzten Jahren, dass wir das können. Alleine am 9. November 2014 zum Jahrestag des Mauerfalls waren in Berlin an diesem Wochenende eine Million Menschen zusätzlich in unserer Stadt. Also wir können Großveranstaltungen und das werden wir auch beweisen.
    "Es ist Aufgabe von Politik, um Zustimmung zu werben"
    Meurer: Begeisterung könnte es geben. Aber erinnern wir uns beispielsweise an die Abstimmung Tempelhofer Feld, gerade mal knapp ein Jahr alt. Zwei Drittel der Berliner wollten nicht, dass das Tempelhofer Feld bebaut wird. Jetzt käme Olympia, offenbar auch mit ein paar Bauten im Tempelhofer Feld. Wie soll das zusammenpassen?
    Müller: Zum einen ist es so, dass das temporäre Bauten sind am Tempelhofer Feld und eben nicht dauerhaft eine Randbebauung. Das war ein anderes Konzept. Zum Zweiten haben wir zwei Volksabstimmungen gewonnen und zwei Volksabstimmungen verloren. Und zum Dritten noch mal: Diese Diskussion gibt es in jeder Stadt. Wir haben in jeder Stadt Auseinandersetzungen zur Mietenpolitik, zur Infrastruktur, zu Projekten, die neu kommen, in Hamburg genauso wie wir es in Stuttgart erleben. Auch in München ist es nicht unumstritten oder in Frankfurt, wenn Verkehrsinfrastruktur ausgebaut werden soll. Das ist eine Sache, die muss Politik ernst nehmen und muss auch in die Auseinandersetzung gehen. Aber wir können doch nicht von vornherein sagen, wir trauen uns nichts mehr zu, weil es Widerspruch gibt. Erst recht dann ist es doch Aufgabe von Politik, transparent zu erklären, worum es geht und um Zustimmung zu werben.
    Meurer: Spielt für Sie, Herr Müller, eine Überlegung, dass Berlin 1936 Olympiastadt war und das eine große NS-Propaganda-Show war?
    Müller: Ja, das spielt auch eine Rolle. Das wird auch in der Stadt diskutiert. Wir wollen auch mit dieser großartigen Sportveranstaltung - darum geht es; es geht um eine großartige Sportveranstaltung - auch andere Bilder liefern und nicht die, die wir immer in Verbindung bringen Berlin, Olympische Spiele 1936 und NS-Propaganda. Wir hatten dann noch mal die Spiele 1972 in Deutschland, leider auch überschattet von einem schlimmen Attentat ja auch, und ich glaube, es ist an der Zeit zu zeigen, wofür Deutschland auch steht: eben auch für eine andere Haltung, für ein weltoffenes, tolerantes, modernes Deutschland. Wir wollen gerne zu friedlichen Spielen in unser Land einladen und dafür kann eigentlich sehr gut nur Berlin stehen.
    "Überheblichkeit ist wirklich fehl am Platze"
    Meurer: In den 90er-Jahren gab es ja dann noch mal einen Versuch. 1993 ist Berlin allerdings mit Pauken und Trompeten beim IOC durchgefallen für die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele im Jahr 2000. Was ist damals schiefgelaufen?
    Müller: Zum einen kann man gewinnen und verlieren. Das ging auch Hamburg schon so. Die haben gegen Leipzig verloren. Das ist so, wenn man in einen Wettbewerb geht. Ich glaube, dass wir damals wirklich mit einer falschen Haltung auch in die Bewerbung gegangen sind. Vielleicht kann man es auch Überheblichkeit nennen. Nach dem Mauerfall, in diesen Jahren ist damals auch die Politik, weite Teile der Stadtgesellschaft davon ausgegangen, es kann gar nicht anders werden, nur Berlin kann gewinnen. Und ich glaube, so kann man nicht herangehen, sondern wir sind in einem knallharten nationalen, aber erst recht internationalen Wettbewerb. Auch andere Städte geben tolle Bewerbungen ab und damit muss man sich sehr seriös auseinandersetzen, muss sehr auf die eigenen Stärken gucken und die herausarbeiten und irgendeine Form von Überheblichkeit ist da wirklich fehl am Platze, und das ist dann auch entsprechend ja gewürdigt worden in den Jahren, die sie gerade beschrieben haben.
    Meurer: Wenn die Akzeptanz der Hamburger heute größer ausfällt, sagen Sie dann, okay, Hamburg hat den Preis?
    Müller: Nein. Warum? - Der DOSB hat ja selbst um eine Entscheidungssituation praktisch gebeten. Der DOSB, der Deutsche Olympische Sportbund, hat Hamburg und Berlin aufgefordert, eine Bewerbung abzugeben. Dem sind wir beide sehr gerne nachgekommen. Und es wird ja bei der Auswahlentscheidung noch mehr eine Rolle spielen. Natürlich die Umfrage jetzt, die spielt eine große Rolle, selbstverständlich. Aber wenn es in beiden Städten eine Zustimmung der Bevölkerung gibt, eine Mehrheit, die sich das in der eigenen Stadt gut vorstellen kann, dann werden ja auch andere Kriterien eine Rolle spielen, nämlich mit welcher Stadt kann man besser international punkten, wer hat die Erfahrungen mit Sportgroßveranstaltungen, wer hat die entsprechende Infrastruktur, zum Beispiel auch Hotelkapazitäten und, und, und. Und da muss man wirklich sagen, dass Berlin ja doch in der Welt einen sehr guten Namen hat und ein Anziehungspunkt ist für viele Menschen und dass wir mit Sicherheit in einer internationalen Auseinandersetzung uns sehr gut behaupten können.
    Meurer: Michael Müller, Berlins Regierender Bürgermeister von der SPD, wirbt logischerweise für seine Stadt. Heute fällt vielleicht eine Vorentscheidung zwischen Hamburg und Berlin. Danke schön, Herr Müller, nach Berlin und auf Wiederhören.
    Müller: Danke auch! Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.