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Berliner Biermann

Bei der Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Hauptstadt hat sich Wolf Biermann als Berliner Heimatdichter präsentiert. Seine scharfe Kritik an der rot-roten Koalition kleidete er in einen schwer verständlichen historischen Vergleich.

Moderation: Beatrix Novy |
    Klaus Wowereit: "Es bleibt jedem unbenommen, offen, öffentlich, prononciert für einen Regierungswechsel zu kämpfen. Die Koalitionsbildung in Berlin als verbrecherisch zu bezeichnen, geht allerdings auch bei aller Freude über kontroverse Debatten zu weit. Und deshalb, lieber Wolf Biermann, er wird es verkraften, darf ich diese Äußerung mit allem Nachdruck zurückweisen."

    Beatrix Novy: Klaus Wowereit, der hat es heute schwer gehabt: Er musste die Laudatio auf den neuen Berliner Ehrenbürger Wolf Biermann halten, den Mann, der die SPD auch kurz vor der Verleihung dieser Würde dafür beschimpft, sich mit der PDS eingelassen zu haben. Zusammen mit der hatte sich Wowereit Anfang des Jahres gegen einen Ehrenbürger Biermann gestemmt, bevor er von der eigenen Partei zwangsüberzeugt wurde. Michael Rutschky hat alles mitbekommen heute in Berlin, Herr Rutschky, hörte man bei Wowereit die Zähne knirschen bei seiner Rede?

    Michael Rutschky: Er hat es sehr elegant gemacht, indem er das Problem einfach eingeklammert hat. Die Ehrenbürgerwürde wird von der Stadt verliehen, hat er uns erklärt, und nicht vom Senat und schon gar nicht von den Parteien, die den Senat tragen. Und insofern bleibt die Beschimpfung der SPD durch Biermann davon ganz unberührt. Also das ist egal, wie gesagt, das wird eingeklammert.

    Novy: Nun ist aber Wowereit ja eingegangen auf das, was Biermann vorher gesagt hat über die SPD und die PDS. Also er hat sich schon ein bisschen gewehrt.

    Rutschky: Ja, wie soll ich sagen, das war sozusagen die diplomatische Lösung des Problems, indem man, das offizielle Wort heißt eben, Sie haben es gehört in dem O-Ton, zurückweist.

    Novy: Was hatte Wowereit denn für positive Gründe angeführt, Biermann zum Ehrenbürger zu machen?

    Rutschky: Er hat ihn irgendwie zu einer Art Berliner Heimatdichter erklärt, der eben eine große Rolle gespielt hat beim Umsturz der SED durch Untergrundarbeit im Osten und Untergrundarbeit im Osten vom Westen aus nach der Ausbürgerung, und das ist ja eigentlich auch ganz korrekt, dass es so eine Art Ostberliner Folklore gibt, die von Wolf Biermann verkörpert wird.

    Novy: Auf die Konflikte ist er inhaltlich nicht eingegangen, also was für Gegengründe immer genannt wurden?

    Rutschky: Nein, überhaupt kein Wort. Also das müssten wahrscheinlich doch auch die PDS-Mitglieder des Senats erklären, und die werden sich wahrscheinlich hüten, das zu tun.

    Novy: Wolf Biermann hat ja nun seine eigene Rede gehalten, kommen wir jetzt mal zur Hauptperson, die war länger als die von Wowereit. Was hat er denn gesagt und wie?

    Rutschky: Ja, das ist immer so nicht ganz einfach zu sagen, weil er doch so das Image des alternden Lausbuben, des stark gealterten Lausbuben, wir haben ja noch andere Lausbuben dieser Art in der Literaturwelt der Bundesrepublik, kultiviert. Und er wirft dann irgendwie so poetische Formulierungen aus, von denen man nicht so ganz genau weiß, was sie einfangen sollen. Also die Sache mit dem verbrecherisch, dass es verbrecherisch sei, dass sich die SPD in Berlin mit der PDS, mit der Linken in einer Koalition versammelt habe, das wurde dann mit einer sehr verwickelten Napoleongeschichte und mit Talleyrand und dem Herzog Herzog d'Enghien. also 1804, als sich Napoleon zum Kaiser krönte, wurde der gekidnappt und nach Paris verschleppt und da zerhackt, und in diesem zerhackt, da hat er sich dann richtig verfangen. Also davon konnte er gar nicht genug kriegen, Biermann meine ich. Und das Ganze kulminierte dann eben in einem Satz des Außenministers Talleyrand, der bekanntlich ein außerordentlich wendiger, allzu wendiger Mann war, und der zu Napoleon gesagt habe, Majestät, es war kein Verbrechen, es war ein Fehler. Und mit dieser sehr, wie soll ich sagen, beziehungsreichen, aber auch wolkenhaften Formulierung, hat er sich dann aus der Geschichte mit dem verbrecherisch wieder rausgestohlen.

    Novy: Aber er hat doch sicherlich seine Beziehung zu Berlin thematisiert, denn darum ging es doch?

    Rutschky: Ja, er hat sich als Berliner Heimatdichter geoutet und auch entsprechende Texte vorgetragen, vorgesungen, vorgeheult. Er kommt ja dann sehr leicht irgendwie ins pathetisch Performatorische, und, wie gesagt, es war eigentlich eine Berliner Veranstaltung, gar keine Frage, also es wurde kein Fremder geehrt, sondern ein Einheimischer, eben mit der Pointe, dass es ein Einheimischer war, der gegen ein untergegangenes Stück Berlin, Stück Ostberlin, die Hauptstadt der DDR, sein Leben geführt hat. Und das war sicherlich auch rührend und bewegend und merkwürdig, und es ist eben ein Teil jetzt der Berliner Mythologie, dass jemand wie Wolf Biermann Ehrenbürger ist, meiner unmaßgeblichen Meinung nach zurecht.