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Berliner Lehrer dürfen nicht einfach gehen

In Berlin werden kaum noch Lehrer verbeamtet. Das führt zu einem Zwei-Klassen-System in den Lehrerzimmern. Lehrer, die in ein anderes Bundesland ziehen, könnten dort verbeamtet werden. Doch die Schulleitung und die Bildungspolitik lässt die Lehrer nicht gehen.

Von Verena Kemna |
    Kathrin Schälicke steht im Lehrerzimmer des Berliner Berggruen-Gymnasiums. Die angestellte Lehrerin für Deutsch, Geschichte und Darstellendes Spiel zeigt auf einen offenen Brief, der seit Tagen an der Pinnwand hängt. Da heißt es gleich in der ersten Zeile: Liebe verbeamtete Kolleginnen und Kollegen !

    "Also hier sind die Namen der angestellten Lehrerinnen und Lehrer an unserer Schule, die hier unterschrieben haben und mitteilen, wie unsere Situation ist. Es ging lediglich darum, dass wir erst einmal informieren wollten und auf die wesentlichen Unterschiede dieser beiden Arbeitsverhältnisse, Angestelltenverhältnis und Beamtenverhältnis, hinweisen wollten."

    Seit beinahe zehn Jahren haben junge Lehrer in Berlin keinen Beamtenstatus mehr. Sie arbeiten wie Kathrin Schälicke als Angestellte und müssen auf zahlreiche Vergünstigungen verzichten. Angefangen vom unterschiedlichen Nettoeinkommen bis zu Gehaltskürzungen im Krankheitsfall und Versorgungsunterschieden nach der Pensionierung. Kathrin Schälicke hat es längst akzeptiert, dass sie als Lehrerin in Berlin wohl nie einen Beamtenstatus erreichen wird. Dennoch erwartet sie von der zuständigen Senatsschulverwaltung ein positives Signal. Die Resonanz bei den etwa 60 Beamtenkollegen im Lehrerzimmer bewertet sie als durchweg positiv.

    "Wir haben den Brief dann auch noch mal kopiert und jedem Kollegen ins Fach gelegt. Viele kamen dann auch auf uns zu und meinen, das finden wir gut, dass ihr das macht. Es wird Zeit, dass ihr auch mal was unternehmt. Danach kam als Nächstes die Schilderaktion, die Buttons, die wir tragen, auch da war die Resonanz sehr positiv."

    Sie ist eine von insgesamt zwanzig angestellten Lehrern am Berggruen-Gymnasium, die alle bei der Aktion mitmachen. Auch Geschichtslehrer Florian Quaiser trägt einen Aktionsbutton auf dem Pullover. Darauf ist das Brandenburger Wappen zu erkennen, darunter steht: So nah und auch noch verbeamtet. Wer sein Lehrerglück etwa im Land Brandenburg sucht, kann sich theoretisch mit einem Beamtenstatus in der Tasche neu in der Hauptstadt bewerben, um dann als verbeamteter Lehrer genau die gleiche Arbeit zu tun wie die angestellten Kollegen. Die Stimmung in vielen Berliner Lehrerzimmern sei gereizt, meint Florian Quaiser. Zusätzliches Engagement etwa in Arbeitsgruppen und bei Ausflügen sei nicht selbstverständlich und die Signale der Senatsschulverwaltung ohne Perspektive.

    "Na ja, schön, du kannst unter den Bedingungen arbeiten, die wir dir hier geben und mehr wird es auch nicht werden. Und dann ist innerlich die Gefahr doch groß, dass man sagt, gut, dann mache ich das eben nicht. Ich denke, der Lehrerberuf ist so etwas. Man muss die Leute motivieren, sonst wird es ganz bitter für alle Beteiligten."

    Die Praxis, dass Lehrer, die in ein anderes Bundesland wechseln wollen, nicht mehr ohne Weiteres mit einer Freigabe ihrer Schulleitung rechnen können, sei ein falsches Signal.

    "Wenn Leute familiär nicht gebunden sind, flexibel sind, dann ist es ein Leichtes, das sozusagen aufzuheben. Deswegen würde ich mich nicht auf Senatsseite darauf verlassen, zu sagen, aha, wir legen ihnen einen Stein in den Weg und dann werden die da alle davor jammern und umdrehen. Ich meine, der Unmut wächst, die Wahl ist schon ein bisschen her und trotzdem rumort dieses Thema, dass man sich das nicht bieten lassen wird. "

    49 Berliner Lehrer, die Mangelfächer wie Mathematik, Physik, Chemie oder Latein unterrichten, haben von ihrer Schulleitung keine Freigabe bekommen. Sie können kündigen. Doch mit einer Kündigung in der Tasche ist es ungleich schwerer sich in einem anderen Bundesland als Lehrer zu bewerben. Beate Stoffers, Sprecherin der Berliner Bildungssenatorin, weiß um die angespannte Situation.

    "Wir sind froh um jeden Berliner Lehrer, wir sind froh um jeden Sonderpädagogen, um jede Erzieherin, die hier in der Berliner Schule tätig ist und deswegen werden wir Anreizsysteme prüfen, die die Situation hoffentlich entspannen werden."

    Was genau das sein könnte, dazu gibt es keine Hinweise. Fest steht, dass der neu gewählten SPD-Bildungssenatorin Sandra Scheeres angesichts leerer Kassen kaum Handlungsspielraum bleibt. Zumindest plant sie nächste Woche Gespräche mit der Bildungsgewerkschaft GEW.