Angela Elis: "Dieser Wagen war dreirädrig, hatte vorne ein kleines zierliches Vorderrad. Sie musste aber auf Wegen fahren, die von vierrädrigen Postkutschen ausgefahren waren. Das heißt, das schlackerte und wackelte, dieses kleine Vorderrad, war natürlich auch mal ein Stein auf dem Weg oder ein Grasbüschel oder ein Stock. ... Und es war sehr viel wahrscheinlicher, dass sie im Graben oder am Baum landet, als dass sie heil ankommt."
Bertha Benz ist heil angekommen bei dieser weltweit ersten Fernfahrt mit einem Automobil, zu der sie am 5. August 1888 aufbrach, um der Welt zu beweisen, wozu so ein Motorwagen fähig war. An einem Tag schaffte sie es von Mannheim nach Pforzheim – eine Strecke von 106 Kilometern.
"Also, ohne Bertha kein Auto, das muss man wirklich sagen; auch wenn es zunächst nach Klischee klingt. Aber es ist einfach so", meint ihre Biografin Angela Elis.
"Leider wieder nur ein Mädchen"
"Couragiert, innovativ, heute würde man sagen: die erste Managerin ihres Gatten Carl Benz", sagt Jutta Benz, eine Urenkelin, über ihre berühmte Vorfahrin, die 1849 als dritte Tochter eines Zimmermeisters und Bauunternehmers in Pforzheim geboren wurde und in dem Bewusstsein aufwuchs, sich in einer von Männern dominierten Welt behaupten zu müssen. "Leider wieder nur ein Mädchen", hatte der Vater nach ihrer Geburt ins Familienstammbuch geschrieben.
Bertha besuchte die "Höhere Töchterschule" und verliebte sich in Carl Benz, den jungen Maschinenbau-Ingenieur, der davon träumte, einen "pferdelosen Wagen" zu bauen. Sie ließ sich einen Teil ihres Erbes auszahlen, Carl gründete mit dem Geld in Mannheim seine erste eigene Werkstatt. Fast eineinhalb Jahrzehnte tüftelte er an seinem Motorwagen herum - und immer wieder war es Bertha, die ihm, auch in schweren Zeiten, den Rücken stärkte. 1886 erhielt Carl Benz endlich ein Patent auf das erste praxistaugliche Motorfahrzeug.
"Die Leute blieben vielfach maulaufsperrend stehen und die Droschken-, Milch- und Käsekutscher fluchten wie die Türken. Die Polizei zeigte auch keine freundliche Miene, vielleicht auch deshalb, weil das Wägele halt etwas Rauch und Gestank verbreitete", erinnerte sich Bertha Benz später an die ersten kurzen Probefahrten mit dem knatternden Automobil.
Die Höchstgeschwindigkeit lag bei rund 20 Stundenkilometern. Viel zu schnell nach Meinung der Mannheimer Polizei, die Carl Benz ein Fahrverbot erteilte.
Jutta Benz: "Meiner Urgroßmutter, die das alles ja mitbekommen hat, war das alles zu lang. Dass da nichts vorangegangen ist. ... Und dann hat sie wohl, zusammen mit ihren Söhnen, diese Fahrt unternommen - um ihre Verwandtschaft in Pforzheim zu besuchen."
Pannenhilfe mit Hutnadel und Strumpfband
Berta Benz: "Mein Mann schlief noch, als die Reise losging. ... Eugen saß am Steuer, ich neben ihm und Richard auf dem Rücksitz. Bei Wiesloch schon begannen die Tücken. Der Benzinzufluss verstopfte sich, eine Hutnadel musste Dienste leisten; und als die Zündung versagte, musste mein – es sei ausgesprochen, mein – Strumpfband als Isoliermaterial dienen!"
Bergauf mussten Bertha Benz und die halbwüchsigen Söhne schieben. Bergab konnten sie nur hoffen, dass die schlichte Handbremse der Belastung standhalten würde. Getankt wurde Waschbenzin aus den dörflichen Apotheken. Verdreckt und verschwitzt kam das Trio am Abend in Pforzheim an. Auch die Heimfahrt glückte. Wenig später wurde der "Benz Patent Motorwagen" bei einer Technik-Ausstellung in München mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.
"Immer sogleich betriebsfähig! – Bequem und absolut gefahrlos! ... Erspart den Kutscher, die theuere Ausstattung, Wartung und Unterhaltung der Pferde", hieß es in einem Werbeblatt aus dem Jahre 1888. Bald fanden sich auch die ersten Käufer. Andere Fahrzeugtypen kamen auf den Markt, und mit den ersten Autorennen erlagen viele einem regelrechten Geschwindigkeitsrausch - was das Ehepaar Benz sehr bekümmerte.
Vereinnahmung durch die Nazis
Noch als 90-Jährige appellierte Bertha an alle Autofahrer: "Bitte, fahrt nicht so schnell. Ihr bringt nicht nur Euer eigent Leben, sondern auch das Eurer Mitmenschen in Gefahr." Dass sich Bertha Benz, die 1944 starb, von den Nazis vereinnahmen ließ, war der wohl größte Fehler ihres Lebens; sie hat es am Ende bitter bereut.
Bis zuletzt nahm sie Anteil an der Weiterentwicklung des Automobils. Aber: "Soweit bekannt ist in der Familie, ist sie nie mehr wieder gefahren. Sie hat sich immer fahren lassen. Aber selbst ist sie nicht mehr ans Steuer gegangen", so Jutta Benz.