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Berufsbildung in Saudi-Arabien

Doch der deutsche Export nach Saudi-Arabien ist geprägt vom Handel mit Gütern. Auch Dienstleistungen können jedoch Exportartikel sein. Vor allem für den Bereich der Aus- und Weiterbildung "Made in Germany" gibt es in vielen Ländern potentielle Abnehmer. Bei der Erschließung dieser Märkte hilft die Imove, eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Vor zwei Wochen fand eine Imove-Delegationsreise nach Saudi-Arabien statt.

Von Silke Schmidt | 19.05.2007
    Frankfurt Flughafen - kurz vor dem Abflug nach Riad. Eine knapp 20-köpfige Wirtschaftsdelegation macht sich auf den Weg ins Königreich Saudi-Arabien: Ziel der Mission: Chancen auf dem boomenden Bildungsmarkt in Saudi-Arabien ausloten, Kontakte knüpfen, Kooperationen anbahnen.

    Letzte Sicherheitsanweisungen an Bord. Die deutsche Delegation ist auf dem Weg in ein arabisches Land - und zwar nicht in irgendeins. Es geht in das Mutterland des Islam mit den heiligen Stätten Mekka und Medina, in eine absolute Monarchie. In ein Land, in dem Frauen nicht die gleichen Rechte wie Männer haben. Und - wo spezielle Kleidervorschriften für sie gelten - auch für westliche Besucherinnen. Delegationsleiterin Sabine Gummersbach-Majoroh hat sich wie alle anderen Teilnehmerinnen im Voraus einen langen schwarzen Umhang gekauft:

    "Das muss man dann schon - man muss sich eine Abaya besorgen, man muss auch gucken, dass man eine Kopfbedeckung dabei hat, also einen Tuch oder einen Schal oder was auch immer - das ist also mit im Handgepäck und dann werden wir vor Ort sehen in wie weit wir das dann auch immer tragen müssen."
    Auch Doris Rost - interkulturelle Vertriebstrainerin mit langjähriger Geschäftserfahrung im arabischen Raum ist gespannt, was sie in Saudi-Arabien erwartet:

    "Ich sehe dem Ganzen mit sehr gemischten Gefühlen entgegen, ich sehe das Ganze als großes Abenteuer, bin aber tierisch gespannt drauf, freue mich, dass ich das so unter dem Deckmantel der Delegation machen kann das erste Mal."

    Bisher hatte sie sich noch nicht in dieses Land hinein gewagt, das Touristen im Regelfall auch nicht willkommen heißt und insbesondere Frauen bei der Einreise skeptisch gegenüber steht. Denn ein Visum für Frauen bedarf einer zusätzlichen Genehmigung des saudischen Außenministeriums. Bei der Vorbereitung der Reise war Doris Rost nicht immer wohl zumute:

    "Es hat mich im Vorfeld dazu gebracht, gewisse Literatur einfach wegzulegen - das geht mir zu sehr an die Substanz, das zu lesen. Auf der anderen Seite - die Spannung steigt. Ich bin sehr gespannt drauf. Und ich bin auch sehr gespannt drauf, wie ich das nachher für meine Arbeit verwerten kann."
    Neugierig auf das arabische Wirtschaftswunderland sind auch die anderen Teilnehmer der Reise. Es sind Anbieter aus den unterschiedlichsten Gebieten der beruflichen Aus- und Weiterbildung: aus dem handwerklichen, kaufmännischen und Management-Bereich. Im Gepäck verschiedene Kurse, Konzepte und Produkte für den Bildungsmarkt in Saudi-Arabien. Zum Beispiel Softwareprogramme, die eine virtuelle Realität erzeugen können. Uwe Katzky von der Firma Ray Sono aus Bremen:

    "Wir bieten Trainings- und Simulationslösungen an, wir haben eine ganze Palette von E-Learning-Programmen geschrieben in den letzten 10 - 12 Jahren, zirka 50 - 55 Stück. Viele Projekte, die in den Bereich VR-Simulation reingehen, ohne dass wir jetzt große Simulatoren selber herstellen, sondern es sind Lösungen, die auf kommerzieller Hard- und Software basieren, beispielsweise dass man 3 Monitore zu einem 360 Grad Panorama zusammenstellt - und dann zum Beispiel Teamtraining durchführt über solche Arbeitsstationen."

    Franz Gerstheimer von der Tübinger Firma inmedea will in Saudi-Arabien den medizinischen Weiterbildungsmarkt kennen lernen.

    "Wir haben ein Produkt für die Medizinerausbildung - für das klinische Training, früheres BMBF-Projekt, das jetzt angeboten wird. Und ich habe jetzt kurzfristig mitbekommen, dass es jetzt diese Delegationsreise gibt und finde das jetzt eine gute Gelegenheit, dass wir selber Kontakte zu knüpfen und erhoffe mir auch, dass wir dort Kontakte im Bereich Gesundheitswesen, Universitäten, vielleicht Pharmaindustrie gewinnen können."
    Kontakte zu Behörden, Institutionen und Einrichtungen will auch die gemeinnützige GmbH Inwent in Saudi-Arabien aufbauen. Hauptauftraggeber des Unternehmens ist die deutsche Bundesregierung. Reimut Düring, Abteilungsleiter für Osteuropa und den Nahen Osten:

    "Wir sehen es in erster Linie nicht unter dem Gesichtspunkt Geld verdienen, weil wir ja eine Non-Profit-Organisation sind, sondern wir wollen schon mit unserer Erfahrung und den Kompetenzen, die wir gesammelt haben dafür sorgen, dass die Entwicklung in eine bestimmte Richtung geht."
    Und zwar in Richtung mehr Qualität in der Aus- und Weiterbildung. Für Saudis im mittleren Management hat die Firma deshalb unter anderem Trainee-Programme in deutschen Unternehmen im Angebot. Darüber hinaus sollen Kontakte zu den Ausbildungsabteilungen der Betriebe und zur staatlichen Berufsbildungsbehörde aufgenommen werden.

    Mit all diesen Ideen, Erwartungen und Plänen geht es also los - auf nach Saudi-Arabien!
    Berufliche Weiterbildung entwickelt sich zunehmend zu einem internationalen Dienstleistungsprodukt, zu einem Exportgut. Doch diese Erkenntnis ist in Deutschland noch relativ jung. Während angelsächsische Länder schon seit Jahren ihre Bildungsangebote international vermarkten, tun sich die Deutschen immer noch schwer damit. Immerhin - seit sechs Jahren versucht die Bundesregierung daran etwas zu ändern. Im Jahr 2001 wurde auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die Arbeitsstelle "Imove" eingerichtet. "Imove"steht für International Marketing of Vocational Education - zu deutsch: internationales Marketing für berufliche Weiterbildung. Leiterin Sabine Gummersbach-Majoroh:

    "Wir helfen konkret weiter, in dem wir versuchen im Rahmen von Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit erst mal Mut zu machen, Bewusstsein zu schaffen, darauf hinzuweisen - es gibt Chancen - auch außerhalb Deutschlands -und auch außerhalb Europas. Denn viele Anbieter, die sagen zwar: ja, ja, wir machen ja schon internationale Arbeit. Das ist aber oft nur im Europäischen Raum. Aber jetzt wirklich mit einer gewissen Art von Pioniergeist und Unternehmergeist sich jenseits von europäischen Grenzen zu bewegen, das machen die wenigsten."
    Mit zahlreichen Delegationsreisen hat "Imove" deshalb in den vergangenen Jahren versucht, die deutschen Bildungsanbieter in Bewegung zu bringen und auf ausländische Märkte aufmerksam zu machen.

    "Deutschland steht da noch in den Kinderschuhen, weil im Vergleich zu den immer wieder zitierten Angelsachsen hat Internationalisierung im Bildungsbereich, gerade was die unternehmerische Tätigkeit angeht, in Deutschland überhaupt keine Tradition. Das meine ich auch ohne Vorwurf - das ist einfach so. Das ist auch kulturell bedingt, das gab es bei uns früher nicht. Bildung war immer etwas Öffentliches, viele sagen eine Art hehres Gut und wurde aber nicht als Geschäft, als Business betrachtet."
    Mit dem Export von Gütern wie Autos und Industrieanlagen hat Deutschland lange Erfahrung, mit dem Export von Dienstleistungen weniger - dabei ist das Potential weltweit enorm, besonders für Bildungsangebote meint Frank Petrikowski vom Bundesministerium für Bildung und Forschung:

    "Es gibt sozusagen keinen begrenzten Markt, sondern es sind Wachstumsmärkte und der derzeitige Markt wird von der Weltbank auf zwei Billionen US-Dollar pro Jahr geschätzt. Das heißt, das sind extreme Zahlen und die Deutschen bedienen nur ein Mini-Segment aus diesen zwei Billionen - und der Markt wird sozusagen unter anderen Spielern, wie Australien und dergleichen aufgeteilt."
    Das deutsche Schulsystem hat international nach den PISA-Studien an Ansehen verloren. Die berufliche Aus- und Weiterbildung in Deutschland sei dagegen weltweit anerkannt - so Petrikowski. Und mit diesem Pfund wolle die Bundesregierung nun auch international noch stärker wuchern.

    "Die Welt weiß, dass es in Deutschland eine lange Geschichte gibt, eine lange Tradition der beruflichen Ausbildung, die bereits 1182 angefangen hat, und die tief in der deutschen Kultur begründet liegt und eine hohe Qualität hat. Und products "Made in Germany" ist in der Welt bekannt - und "Vocational Education" in Germany ist ebenso bekannt."

    Ankunft in Riad. Nach fünfeinhalb Stunden Flug ist die deutsche Bildungsdelegation in der saudiarabischen Hauptstadt gelandet. Im Umkreis von 400 Kilometern gibt es hier nichts als Sand und Wüste. Mitten im Herz der arabischen Halbinsel ist Riad das kulturelle und administrative Zentrum des Königreichs. Fast 5 Millionen Menschen leben hier.
    Mit dem Bus geht es ins Hotel. Vorbei an flimmernden Werbetafeln, Mac-Donalds-Filialen und kitschig illuminierten Großbauten. Ein Hauch von Las Vegas weht nachts durch Riad - heiße Wüstenluft und schrille Neonleuchten überall - und doch hat diese Stadt überhaupt nichts mit dem amerikanischen Sündenpfuhl in der Wüste Nevadas zu tun: Alkohol ist strikt verboten, öffentliche Theater und Kinos gibt es nicht. Und natürlich auch keine Spielcasinos. Das gebietet die strenge Auslegung des Koran.
    Kurz vor Sonnenaufgang rufen die Muezzin zum ersten Gebet. Fünf Mal täglich unterbricht die Gebetsruhe das wirtschaftliche Leben des Landes. In jeder Fabrik, jedem Geschäft und jeder Behörde wird dann das Arbeiten eingestellt. Beten ist Pflicht für jeden Moslem im strenggläubigen und islamisch-konservativen Saudi-Arabien.
    Der Islam prägt das gesamte Leben - auch das Fernsehprogramm. Koranlesungen werden zu fast jeder Tageszeit zu übertragen. Der Islam ist Staatsreligion, auf der grünen Nationalflagge steht in weißer Schrift das Glaubensbekenntnis.
    Das Königreich Saudi-Arabien wahrt nicht nur seine Religion, sondern auch seine Traditionen - und doch hat es im vergangenen Jahrhundert einen rasanten Wandel erlebt - und es erlebt ihn noch. Erst 1938 - also vor knapp 70 Jahren - wurde das erste Öl zu kommerziellen Zwecken gefördert. Das ehemals arme Land wurde aufgrund seiner Ölvorkommen quasi über Nacht zu einem der reichsten Länder der Welt. Zurzeit sichert der hohe Ölpreis dem Staat volle Kassen - Geld fließt schneller ins Land, als es wieder ausgegeben werden kann. Aber trotz dieses Wohlstands sei Saudi-Arabien in vieler Hinsicht noch ein Entwicklungsland, meint der deutsche Botschafter im Königreich, Jürgen Krieghoff:

    "Wir sind hier in einer Gesellschaft, die vor 60 Jahren noch so gelebt hat, wie die selbe Gesellschaft vor 600 Jahren und vor 1500 Jahren gelebt hat. Das ist überwiegend ein Beduinenland gewesen und die Kamelkarawanen sind vor 1500 Jahren hier durchgezogen. Als der Prophet lebte sind sie hier durchgezogen und zu Zeiten Aladins oder wem auch immer, war das immer noch ein Beduinenland, wo drum herum auf hunderttausende von Quadratkilometern nur Sand und Wüste war. Und es waren eben nur Leute hier, die angepasst waren - sie können das im Grunde genommen von der Schwierigkeit des Lebens her vielleicht mit Grönland vergleichen.
    "
    Anpassen an die schwierigen Lebensbedingungen - Wasser suchen und finden, zum Beispiel um Datteln zu produzieren - oder Kamele zu züchten. Das war vor 100 Jahren noch eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein gutes Leben im Wüstenstaat - heute heißt diese Voraussetzung Bildung!

    Das saudische Bildungssystem steht vor großen Herausforderungen: aufgrund des großen Bevölkerungswachstums muss sich das Königreich auf enorme demografische Veränderungen einstellen: Bis 2020 wird sich die Bevölkerung fast verdoppeln - so die Prognose. Es ist ein junges Land: Die Hälfte aller Saudis ist derzeit jünger als 16 Jahre.

    Bis zu einer Viertelmillion Schulabgänger strömen jährlich auf den Arbeitsmarkt. Doch es fehlt an qualifizierten Ausbildungsangeboten und Jobperspektiven. Diese massiven Probleme hat König Abdullah erkannt und versucht nun gegenzusteuern - so Botschafter Krieghoff:

    "Die saudische Regierung hat sich große Dinge vorgenommen. Es gibt enorme Entwicklungspläne für das Land und es gibt Geld im Land. Das heißt, das Land kann diese schönen Pläne, die sich angesammelt haben, auch finanzieren. Wer weiß wie lange das hält. Aber im Moment ist das eben eine ideale Situation, die jeder Bildungspolitiker sich nur wünschen könnte - bei uns in Deutschland erst recht."
    Rund 66 Milliarden Euro will das Königreich bis 2009 in das Bildungswesen investieren. Allein in diesem Jahr ist das Budget mit knapp 20 Milliarden Euro veranschlagt und macht damit ein Viertel des Gesamthaushaltes aus. Der Zeitpunkt für eine deutsche Bildungsdelegation könnte also nicht besser gewählt sein - meint auch Gerd Doepner von der deutschen Auslandshandelskammer in Riad:

    "Das sind eigentlich Situationen, die wir in Deutschland mal bei der Babyboomerwelle in den 60er Jahren gehabt haben, wo sehr schnell sehr viele Ausbildungsplätze geschaffen werden mussten. Nur dass es hier über die nächsten 20 Jahre mindestens so weitergehen wird und dass enorme Gelder zur Verfügung stehen, um hier etwas auf den Markt zu bringen, das es bisher nicht gegeben hat, und das ist die Ausbildung in technischen und kaufmännischen Berufen unterhalb der universitären Ebene."
    Und die Ausbildungsmöglichkeiten, die es schon gibt, die müssen verbessert werden. Technische Berufe wie Elektriker oder KFZ-Mechaniker lernen junge Saudis derzeit an verschiedenen staatlichen Schulen, zum Beispiel an so genannten Colleges of Technology. Doch auch mit einem Abschluss-Diplom finden sie danach oft keine Arbeitsstelle. Ein Grund dafür seien schlechte Lehrer und zu wenig Praxis, sagt Klaus Sodemann von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit:

    "Ein großes Manko liegt in der Regel daran, dass die Lehrer nur theoretisch ausgebildet sind und die allermeisten der Lehrer noch keinen arbeitenden Betrieb von innen gesehen haben. Das heißt, wir haben hier eine Situation, dass die Unwissenden, die noch Unwissenderen belehren - und das kann nicht sehr erfolgreich sein."
    Während 90 Prozent der Auszubildenden in Deutschland nach der Abschlussprüfung in ihren Ausbildungsbetrieben unterkommen, landen viele junge Saudis auf der Straße. Grund dafür ist auch, dass die Ausbildungen oftmals am Bedarf der Wirtschaft vorbeigehen.

    "Was in der Ausbildung allgemein fehlt und was auch die deutsche Stärke ist, das ist die Kooperation mit Ausbildungsinstitutionen und Wirtschaft - und die große Verantwortung der Wirtschaft für die Inhalte der Ausbildung. Es ist ein großer Erfolg des deutschen Berufsbildungssystems, dass vom ersten Tag an junge Azubis in ihren Köpfen nicht Schüler einer Berufsschule sind, sondern Mitarbeiter eines Betriebes, die ausgebildet werden. Sie lernen diesen Betrieb kennen, sie lernen sich dort einzuordnen, sie lernen Dinge wie Arbeitsmoral, Pünktlichkeit - die Sekundärtugenden."
    Doch nicht nur mit Sekundärtugenden können die Deutschen punkten. Das deutsche Ausbildungssystem hat offenbar insgesamt einen guten Ruf in Saudi-Arabien. Die Bildungsdelegation wird jedenfalls auf all ihren Terminen mit offenen Armen empfangen.
    Deutsche Geschäftspartner werden gesucht und respektiert, ihr Know-how ist gefragt - das hören die deutschen Delegierten immer wieder, von der staatlichen Berufsbildungsorganisation genauso wie von privaten Bildungseinrichtungen in Saudi-Arabien. Doch was lässt sich konkret aus dieser positiven Ausgangslage machen?
    Bei der Kooperationsbörse in der Industrie- und Handelskammer gibt es erste Möglichkeiten für intensive Einzelgespräche mit saudischen Geschäftspartnern. Für die Frauen in der Delegation war natürlich die spannende Frage: Würden die Männer überhaupt mit ihnen verhandeln?

    "Es ist super gelaufen, keine Ahnung, was am Schluss dabei rauskommt, aber ich bin sehr erstaunt, dass sich Saudis in voller Montur sich hier zu mir gesetzt haben - mit mir als Western Woman sprechen, über Möglichkeiten sprechen."

    Wie Doris Rost haben auch andere Delegationsmitglieder erste Kontakte geknüpft - konkrete Verträge wurden nach dem ersten Business-Matching aber nicht geschlossen. Doch das ist keineswegs unüblich, wie Gerd Doepner von der Auslandshandelskammer in Riad weiß:

    "Das schnelle Geschäft - das findet hier nicht statt. Sie müssen ihren Partner - wer immer das ist - auf Regierungsebene oder auf privatwirtschaftlicher Ebene, da müssen sie Zeit investieren, den zwei oder drei Mal im Jahr besuchen, einen Tee mit denen trinken, persönlich eine Beziehung herstellen. Das gilt übrigens für alle arabischen Länder und sicher auch für Saudi-Arabien."
    Taxifahrer aus Indien, Hotelpersonal aus dem Libanon, Ärzte aus Ägypten, Verkäufer aus Palästina und Ingenieure aus Deutschland. Wer nach Saudi-Arabien kommt, hat erst einmal Mühe, die einheimische arbeitende Bevölkerung überhaupt wahrzunehmen. 80 Prozent der arbeitenden Saudis verdienen ihr Gehalt im öffentlichen Dienst oder Staatsbetrieben. Die Privatwirtschaft wird dagegen zu fast zwei Dritteln von Ausländern beherrscht. Die Expats - so heißen hier die Gastarbeiter - sorgen dafür, dass das Land reibungslos funktioniert. Auch deutsche Unternehmer in Saudi-Arabien stellen oft keine Einheimischen ein. Robert Gülting ist seit 18 Jahren in Riad und leitet eine Firma zur Schädlingsbekämpfung:

    "German Cockroaches nennt man die deutschen Kakerlaken, Fliegen, Mäuse - alles was dazugehört."
    Kann er sich vorstellen, in diesem Bereich auch saudische Arbeitskräfte einzustellen?

    "Absolut nicht - im Management-Bereich ja, ist es vorstellbar, im kaufmännischen Bereich, eventuell auch auf Verkaufsebene noch - auf der operativen Ebene sicherlich nicht."
    Robert Gülting beschäftigt in seiner Firma hauptsächlich ausländische Arbeitnehmer, zum einen weil sie weniger kosten. Zum anderen, weil viele Saudis einfache und schmutzige Jobs auch gar nicht machen - auch handwerkliche, und serviceorientierte Berufe seien immer noch unbeliebt.

    "Das ist ein Mentalitätsproblem. Sehr viele ausgebildete und gebildete Saudis wollen natürlich Managementpositionen einnehmen und nicht nur im mittleren Management, sondern ganz oben, wenn es aber an einfache Dienstleistungen geht - da sind Saudis nicht bereit, solche Arbeiten durchzuführen."
    Das soll sich ändern. Nach inoffiziellen Schätzungen ist fast jeder dritte erwerbsfähige Saudi ohne Job. Die Regierung versucht das Image handwerklicher Berufe aufzuwerten und hat außerdem so genannte Saudisierungsquoten auf dem Arbeitsmarkt eingeführt: mindestens 30 Prozent der Arbeitsstellen sollen in den Betrieben von Einheimischen besetzt werden. Viele Unternehmen bringt das in die Zwickmühle, Saudis einstellen zu müssen, obwohl sie nicht ausreichend qualifiziert sind. Volker Twisselmann leitet ein Tochterunternehmen der Telekom in Riad:

    "Da kommen Leute an und behaupten, sie sind Techniker oder Ingenieure und wenn man dann mal eine fachliche Frage stellt, dann wissen die von nichts, das heißt wir haben die Konsequenzen gezogen, indem wir Leute selber ausbilden. Die müssen einen Eingangstest machen und dann geben wir denen ein qualifiziertes technisches Training - so gut wir das hier machen können - das ist in keiner Weise vergleichbar mit einer Lehre in Deutschland."
    Die Privatwirtschaft versucht mit Kompakt-Lehrgängen dem Qualifizierungsproblem Herr zu werden. Aber auch der Staat hat reagiert: mit einer nationalen Initiative für berufliche Qualifizierung. Durch massive Subventionen wird den Firmen die Ausbildung und Anstellung von Saudis schmackhaft gemacht: 75 Prozent der Ausbildungskosten und der Ausbildungsvergütung werden aus dem Staatssäckel gezahlt, bei späterer Anstellung sogar die Hälfte des Gehalts.

    Für viele private Weiterbildungsfirmen ist die Nachqualifizierung von Saudis ein gutes Geschäft. Mit maßgeschneiderten Programmen bilden sie die künftigen Arbeitnehmer nach den Bedürfnissen der Privatwirtschaft aus. In manchen Gebieten sind sie auf Know How aus dem Ausland angewiesen. Hier gibt es Chancen für deutsche Anbieter, mit ihrem Spezialwissen in den Markt einzusteigen, zum Beispiel für Christian Ahrens von der Gesellschaft für Schweißtechnik:

    "Wir würden uns nicht nur darauf spezialisieren Saudis auszubilden, sondern wir würden versuchen auch die Expatriats auszubilden. Schweißer werden gebraucht. Im Moment brummt die Wirtschaft hier, die Ölindustrie, die Petrochemie - da werden Milliardeninvestitionen getätigt, da wird auch unheimlich viel geschweißt. Da braucht man Schweißer, Schweißausbilder, da braucht man Schweißingenieure und da braucht man auch Beratung in Schadensfällen."
    Ausgebildete Schweißer, Bauingenieure und jede Menge anderer hoch qualifizierter Saudis werden auch bei den großen Zukunftsprojekten in Saudi-Arabien benötigt. Sechs neue Städte sollen in den nächsten Jahren aus dem Wüstenboden gestampft werden. Die "King Abdullah Economic City" nördlich von Jeddah soll ein Kapital- und Wirtschaftszentrum in gigantischer Größenordnung werden.

    "Wir erwarten insgesamt etwa zwei Millionen Einwohner - rund eine Million Jobs sollen entstehen. Es wird einen internationalen Seehafen sowie einen internationalen Flughafen geben. Eine Bildungszone, möglicherweise auch ein Life Science Zentrum mit Forschung und Entwicklung, medizinische Einrichtungen, Urlaubsorte und ein Finanzzentrum. Das wird die größte und hoffentlich erfolgreichste von allen Economic Cities, "

    referiert Kim Pringle von der saudischen Investitionsbehörde vor der Bildungsdelegation aus Deutschland. Sinn und Zweck der Megaprojekte seien klar definiert.

    "Grundsätzlich ist die Idee, das Wirtschaftswachstum zu fördern. Und wir wollen mehr Jobs für Saudis schaffen. Das ist wirklich das wichtigste Ziel: Mehr Jobs für Saudis. Und wir wollen ihr Ausbildungsniveau heben. Ich bin sicher, dass Sie alle das selbe Ziel haben. Da ist eine Menge an Zusammenarbeit möglich, wie Sie uns helfen können, das Ausbildungsniveau von Saudis zu verbessern, so dass sie die Jobs ausfüllen können, die in den neuen Economic Cities entstehen werden."
    Es gibt also viel zu tun. Die Deutschen müssen es - so scheint es jedenfalls - nur anpacken!
    Ortswechsel: von der Mitte der arabischen Halbinsel - also mitten aus der Wüste - geht es an die Küste: nach Riad ist die zweite und letzte Station der deutschen Bildungsdelegation die Hafenstadt Jeddah am Roten Meer.

    Jeddah sei eine der wichtigsten Städte des Königreichs, erklärt Rasha - unsere Stadtführerin. Zwar sei Riad die Hauptstadt, aber Jeddah mit seinem Seehafen dafür das wirtschaftliche Zentrum des Königreichs. Und auch die Stimmung ist dort irgendwie entspannter.

    Unser Tourguide in der Altstadt hat Humor. "Ich möchte mich für den vielen Schnee in Jeddah entschuldigen. Ja - es sei sehr kalt in seiner Stadt" sagt er hämisch grinsend, als er die westliche Reisegruppe bei 40 Grad im Schatten durch die Gassen des alten Stadtzentrums dirigiert.
    Die Hauptstraße führt nach Mekka. Jeddah ist das Tor zum islamischen Heiligtum und Durchlaufstation für Millionen Pilger aus aller Welt. Das erklärt die relativ weltoffene Atmosphäre - erstmals trauen sich die Frauen in der Delegation, aufgrund der Hitze das Kopftuch in der Öffentlichkeit abzunehmen. Das sei völlig in Ordnung, sagen die einheimischen Begleiter. Die Abaya - der schwarze Umhang - bleibt allerdings weiterhin Pflichtgarderobe - auch drinnen. Sehr zum Erstaunen von Doris Rost:

    "Ich bin trotzdem eher erstaunt, dass wir diese Abaya jetzt immer anziehen müssen. Ich habe eher gedacht, wir kommen irgendwo rein und ziehen sie dann aus - ich habe total die falschen Klamotten dabei - ich habe mich immer so auf Hosenanzüge konzentriert - und die hängen jetzt im Schrank und werden da wahrscheinlich auch hängen bleiben."
    Die meisten Frauen in der Delegation fügen sich dennoch ohne Murren den Kleidervorschriften. Die Abaya habe auch etwas Würdevolles, sagen sie - und praktisch sei sie auch. So bräuchten sie nicht jeden Morgen zu überlegen, was sie anziehen sollen. Auch in Jeddah gilt - abgesehen von kleinen Lockerungen für die europäischen Besucherinnen - grundsätzlich Schleierpflicht für alle Frauen. Der ganze Körper muss bedeckt - Gesicht und Hände dürfen frei sein. Doch auch hier sieht man immer wieder Frauen komplett in schwarz gehüllt, selbst Augen und Mund hinter einem Schleier versteckt. Auch für die männlichen Reiseteilnehmer ist diese Kultur befremdend.

    "Man wird versteckt, man ist ein schwarzes unpersönliches Wesen, den Frauen wird hier wirklich die Seele genommen, in ihren schwarzen Umhängen werden sie wirklich zu Objekten. "
    Für Franz Gerstheimer haben die vermummten Gestalten fast etwas Verstörendes. Noch ungewohnter erscheint ihm die strikte Geschlechtertrennung in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens: an Schulen, Universitäten, Arbeitsplätzen und sogar in Restaurants.

    "Es gibt im Hotel, in den Hotels in denen ich bin, für mich praktisch kaum die Möglichkeit in den Platz zu gehen, wo Frauen sind. Ich habe keinen Zutritt dazu oder die Frauen sind von mir getrennt. Es gibt Family-Sections, die sind Frauen mit Familien vorbehalten und es gibt Männersektionen, die sind für Leute wie mich. Man wird wirklich getrennt. Es ist wirklich Apartheid im wahrsten Sinne des Wortes."
    Doch die Geschlechtertrennung in öffentlichen Leben wird nicht immer und überall gleich streng überwacht. Bei der Stadtführung werden wir von Studenten begleitet, jungen Männern und Frauen, die nicht miteinander verwandt sind. Eigentlich ein Unding in Saudi-Arabien - und doch gibt es auch dieses Bild mittlerweile. Es sei einiges im Umbruch - so eine 22-jährige Studentin:

    "Es verändert sich viel gerade. Sie öffnen zum Beispiel gerade viele Universitäten. Und sie fangen an, eine Menge Dinge zu erlauben, zum Beispiel, dass Frauen in mehr Bereichen arbeiten dürfen als früher. Wenn wir mit dem Arbeiten anfangen, dann arbeiten wir auch manchmal mit Männern zusammen. Vor zwei, drei Jahren war das noch getrennt. Die Jobs waren komplett getrennt für Frauen und Männer."

    Und das ist in den meisten Betrieben auch immer noch so - die Jobperspektiven für Frauen in Saudi-Arabien sind deshalb immer noch schlecht. Es gibt einfach nicht genug Angebote für Frauen, auch weil die Geschlechtertrennung am Arbeitsplatz organisatorische Schwierigkeiten birgt. Nach Schätzungen sind unter den knapp 4 Millionen saudischen Arbeitnehmern nur 5 Prozent Frauen. Für viele Töchter des Königreichs ist die Familie der Hauptarbeitgeber.

    Doch je besser sie ausgebildet sind - desto mehr steigen auch die Chancen der Frauen auf dem Arbeitsmarkt.
    Am Effat-College in Jeddah gehen jede Woche mindestens 9 Jobangebote ein. Die erste private Frauen-Uni Saudi-Arabiens wurde vor 8 Jahren gegründet. Zu Beginn schrieben sich Studentinnen nur zögerlich ein: denn während sie an staatlichen Hochschulen mit einem Stipendium von 300 Euro pro Monat unterstützt wurden, sollten sie an der neuen Privatuni bis zu 7.000 Euro Semestergebühren zahlen. In einem Land, wo Bildung für Bürger immer kostenfrei war, wirkte das zuerst abschreckend, erklärt Asma Siddiki - stellvertretende Direktorin im Effat College.

    "Als eines der ersten Institute, das Gebühren erhob - das war schon eine Art sozialer Schock kann man sagen. So haben viele Leute, die sich so eine Ausbildung vielleicht hätten leisten können, gezögert. Weil sie nichts wussten über den Ruf der Schule, sie wussten nicht in welche Richtung, das alles gehen würde und so weiter."
    Mittlerweile hat sich bei den Arbeitgebern die gute Qualität der Ausbildung an dem Privat-College herumgesprochen. Die Absolventinnen verfügen über exzellente Englischkenntnisse und Bachelor-Abschlüsse in geisteswissenschaftlichen und technischen Fächern. Die Crux sei jedoch, dass die Verdienstmöglichkeiten für Frauen, insbesondere im Lehrberuf, oft miserabel seien.

    "Unsere Studentinnen könnten alle Lehrerinnen werden. Sie gehen hinaus in die Welt und wollen arbeiten. Aber die Angebote, die sie bekommen erfüllen nicht ihre Erwartungen und so entscheiden sie sich dafür nicht zu arbeiten. Aber es gibt einen hohen Bedarf an Lehrern. Es ist leider nur so unglücklich, was angeboten wird."
    Das College hat sich deshalb noch höhere Ziele gesetzt: Frauen sollen etwas zu sagen haben: in der Wirtschaft und in der Gesellschaft. Direktorin Haifa Jamalallail.

    "Unsere Mission hier im College ist es weibliche Führungskräfte auszubilden. Und damit ist nicht nur gemeint, dass weibliche Führungskräfte an der Spitze einer Institution stehen. Es geht um die ganze Bedeutung von Führerschaft: Frauen sollen Pioniere sein, Initiieren, andere inspirieren, Mentorinnen und kreative Denkerinnen sein."
    Und überhaupt - so die selbstbewusste Professorin - schon jetzt seien Frauen im Vergleich doch schon viel besser als die Männer. Ob wir daran irgendeinen Zweifel hätten?

    Bei solchen Powerfrauen sind Zweifel wohl nicht angebracht. Trotz Autofahrverbot und Schleierpflicht - die Frauen in Saudi-Arabien sind auf dem Vormarsch. Langsam aber stetig.
    "Training made in Germany" - mit diesem viel versprechenden Slogan präsentieren sich die deutschen Weiterbildungsanbieter bei ihrer Reise durch Saudi-Arabien. An einer Station rannten sie damit im wahrsten Sinne des Wortes offene Türen ein. Im privaten Ausbildungszentrum der Firma Juffali and Brothers in Jeddah wird Aus- und Weiterbildung "made in Germany" schon längst praktiziert. Dort werden junge Saudis ausgebildet, die später in den Fabriken und Werkstätten von Juffali arbeiten sollen, einem der größten Konzerne Saudi-Arabiens, der unter anderem die Marken Mercedes-Benz und Siemens im Königreich vertreibt.

    "Wir bilden diese jungen Leute aus nach dem berühmten "dualen System", was Sie ja bestimmt sehr gut kennen. Und das System, das wir hier haben, beruht auf der Tatsache, dass wir in den zuständigen Fabriken sitzen und mit denen diskutieren, was sie brauchen und darauf hin bilden wir die Leute aus."
    Der Libanese Abdul Rahman Ajjane, Leiter des Ausbildungszentrums, hat in Deutschland Ingenieurwesen studiert. Auch der Jordanier Dirar Tafakji, ebenfalls Ausbilder bei Juffali, schwärmt heute noch von seiner Zeit in Deutschland.

    "Prima. Toll. Ich habe mein Stipendiat 1974 beendet, aber bis jetzt rede ich davon. Bis jetzt habe ich die gute Erlebung und die gute Erfahrung davon und deshalb versuche ich meine Erfahrung auch weiterzugeben an unsere Azubi auch hier."
    In einer großen Halle wird geschweißt, gedreht, gefeilt - viele Maschinen hier sind zwar nicht mehr auf dem auf dem allerneusten Stand, aber fast alle sind deutsche Markenprodukte. "Wenn Sie sich hier umgucken, dann finden Sie überall deutsche und europäische Standards", erzählt der Ausbilder. Auch eine Stechuhr gibt es hier, denn Zuverlässigkeit und Disziplin stehen hier ebenfalls auf dem Ausbildungsprogramm.
    "Wenn Sie eine andere Ausbildungszentrum besuchen, sie finden diese Pünktlichkeit und Korrekturen nicht so klar und ganz genau wie bei uns und wir haben unwahrscheinliche Geduld hier. Mit jungen Leute muss man Geduld haben und deshalb haben wir unwahrscheinliche Geduld."
    Geduld mit jungen Saudis, die oftmals zu wenig naturwissenschaftliches und technisches Vorwissen aus der Schule mitbringen und die manchmal ihre Vorurteile vor handwerklicher Arbeit noch abbauen müssen. So genannte "Blue-Collar-Jobs" stehen bei vielen Saudis nicht besonders hoch im Kurs. Doch Schreibtischjobs werden rar, Zukunftsperspektiven bietet vor allem der handwerklich-technische Bereich.

    "Also die meisten von den Jungs, die müssen. Sie müssen - gehen in Fabrik arbeiten und fachlich Arbeit zu machen."
    Das sagt ein junger Saudi, der selber kein Problem damit hatte, einen so genannten "Blue-Collar-Job" zu erlernen. Ein Bürojob - für ihn wäre das nichts gewesen.

    "Das ist nichts für mich. Als ich war ganz jung, ich möchte ein Automechaniker werden oder in einer Fabrik arbeiten. In einem Büro, das ist langweilig! "
    Und mittlerweile hat er als Handwerker eine kleine Karriere gemacht: vom Automechaniker zum Ausbilder:

    "Und jetzt ich bin ein Instructor. Und das ist sehr gut für mich. Ich weiß nicht, was kommt in Zukunft, aber ich hoffe ich habe keine Limit, ich möchte lernen."
    Weiter lernen, sich mehr Spezialwissen aneignen, qualitativ hochwertige Fortbildungen machen - das wünscht sich der junge Mann. Wieder einmal eine indirekte Einladung an deutsche Firmen, so etwas in Saudi-Arabien anzubieten. Bedarf scheint jedenfalls vorhanden.
    Deutschland - so scheint es - wird förmlich auf Knien gebeten, auf dem Bildungsmarkt in Saudi-Arabien aktiv zu werden. Doch bislang lassen sich deutsche Akteure dort fast an einer Hand abzählen. Warum sind die Germans so zögerlich? Gerd Doepner von der deutschen Auslandshandelskammer sucht nach Gründen.

    "Wahrscheinlich, weil Saudi-Arabien ein weithin unbekannter Markt ist - es ist vielleicht zu sehr mit vordergründigen Ideen über gelegentliche Verbindungen zu Terrorismus - und schwieriges arabisches Land. Abgeschirmt, weil man als Tourist zum Beispiel gar nicht hier rein reisen kann. Es ist etwas belastet sagen wir mal. "
    Und natürlich gebe es psychologische Hemmschwellen: dass Frauen nicht Auto fahren dürften, zum Beispiel, und dass das Land von einer Königsfamilie geleitet werde. Wem diese Hürden zu hoch wären, der solle lieber woanders sein Glück versuchen - so Doepner. Aber - so versucht er die Bedenken wieder zu zerstreuen - Saudi-Arabien sei bei weitem die größte arabische Volkswirtschaft - ein El Dorado für mutige Geschäftsleute.

    "Der Markt ist riesig, das Geld ist da, Infrastruktur- und Bildungsprojekte zu finanzieren - es hapert am Angebot! Wer bietet in diesem Land an, sicherlich bisher nicht genügend Leute, wenn überhaupt. Die GTZ macht da allerhand, aber auch das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Unsere Konkurrenten sind die Länder, die wesentlich flexibler im Export von Dienstleistungen in diesem Bereich gewesen sind und weiterhin sind: vor allem die USA, Großbritannien, Kanada ist sehr stark. Dann andere angelsächsische Länder bis hin nach Neuseeland und Australien, aber auch Japan, Korea, Malaysia sind in diesem Land als Anbieter."
    Die üblichen Spieler - sie waren auch auf einer internationalen Bildungsmesse in der Stadt Jeddah vertreten, nur eine Flagge fehlte an den Messeständen: die deutsche!

    "Da haben wir eine Menge aufzuholen. Aber das ist relativ leicht, weil der Markt ständig noch größer wird. Wir müssen also nicht Marktanteile erkämpfen, sondern vom wachsenden Kuchen uns ein Stück abschneiden."

    Dass Kuchen essen in Saudi-Arabien nicht so einfach ist, wie es klingt - das zeigen Erfahrungen ausländischer Messebesucher. Die kanadische Botschaft musste ihren Stand schließen, weil er von Frauen betrieben wurde. Auch ein Vertreter einer britischen Universität, der lieber nicht mit Namen genannt werden will, klagt über Behinderungen bei der Arbeit.

    "Wir sind auf eine Reihe von Schwierigkeiten gestoßen. Ein Problem ist, dass alle unsere Printmaterialien von den Offiziellen Zensoren bei der Einreise am Zoll zensiert wurden. Und wenn dort Fotos als unpassend erachtet wurden, zum Beispiel von Frauen in irgendeinem unserer Prospekte, dann ist die Möglichkeit, dass diese Materialien nicht freigegeben werden. Das ist ein oder zwei meiner Kollegen passiert."
    Der Kollege am Nachbarstand musste alle Fotos, auf denen Frauen abgelichtet waren, mit Pappe überkleben. Westliche Unternehmen sind gut beraten, sich im Vorfeld mit den kulturellen und religiösen Unterschieden vertraut machen.

    "Das sind nur einige von den Problemen. Außerdem kam hier während der Messe die Religionspolizei vorbei. Und die sagte uns, dass wir während der Gebetszeiten Studenten nicht beraten dürfen."
    Mehrfach sei deshalb das Licht in der Messehalle abgedimmt worden - auch das eine Maßnahme, um ausländische Messegäste an die geltenden Regeln im Königreich zu erinnern.

    "Aber ich denke, allmählich, mit der Zeit, werden sich die Dinge in Saudi-Arabien ändern. Es wird noch eine lange Zeit dauern, aber jeder der hier Geschäfte machen will muss über diese Schwierigkeiten Bescheid wissen, bevor er ins Geschäft einsteigt."
    Gute Aussichten für ausländische Weiterbildungsanbieter gibt es Marktstudien zufolge im medizinischen Sektor in Saudi-Arabien. Zwar ist eine kostenlose Gesundheitsversorgung für die saudische Bevölkerung vorhanden - doch die personelle Ausstattung an Krankenhäusern ist oftmals schlecht. Norbert Fritz, Teilhaber einer Beratungsfirma aus dem Bildungsbereich, sieht hier Möglichkeiten für den Markteintritt:

    "Die haben wirklich viel Bedarf. Jede Menge Lücken, gerade in der medizinischen Versorgung. Nicht nur auf der Ebene eines Doktors, sondern was da drunter kommt. eine Krankenschwester zum Beispiel, die ist hier nicht ausgebildet und das muss dringend nachgeliefert werden, damit eine vernünftige Behandlung in den Krankenhäusern stattfinden kann. Was auch noch fehlt: hier stehen sehr viele medizinische Geräte - und es ist kaum jemand da, der in der Lage ist, diese medizinischen Geräte zu warten, zu reparieren, auch da gibt es ein Riesen-Gap, weil keiner dafür ausgebildet wurde."
    Sein Plan: gemeinsam mit ausländischen Investoren ein Ausbildungszentrum für Gesundheitsberufe aufbauen. Auch Franz Gerstheimer von der Tübinger Softwarefirma Inmedea will bei der medizinischen Ausbildung ansetzen. Er hat im Vorfeld über den Stand der Ärzteausbildung herausgefunden:

    "Dass es hier völlig an Qualitätsmarkern fehlt und dass vor allem die praktische Ausbildung der Medizinstudenten unzureichend ist. Nach dem Motto: wir schicken die in irgendwelche Veranstaltungen und zeigen denen Dias und glauben dann, die haben was gelernt."
    Mit einem Simulationsprogramm, das seine Firma entwickelt hat, könnten sehr realitätsnah Krankheitsbilder diagnostiziert und so genannte klinische Entscheidungen geübt und trainiert werden. Im investitionsfreudigen Saudi-Arabien sieht er für das Produkt gute Chancen.

    "Es ist so, dass hier eine sehr moderne Fortbildung ein Imagefaktor ist, für den man dann auch mal bereit ist, Geld auf den Tisch zu legen, was bei einer Deutschen Universität so nicht ist - die sind sehr viel nüchterner und dort gibt es einfach limitierte Budgets mit denen man auskommen muss. Luxus ist in der deutschen Universität nicht drin."
    Franz Gerstheimer und Norbert Fritz - beide unterwegs in Sachen Medizinausbildung in Saudi-Arabien - haben die Delegationsreise gut genutzt. Fast jeden Abend empfingen die beiden in der Hotellobby potentielle Geschäftspartner und Interessenten. Norbert Fritz zieht insgesamt eine gute Bilanz seiner Saudi-Arabien Reise:

    "Die Idee ist auf sehr viel fruchtbaren Boden gefallen. Wir haben sehr viele Termine gehabt, wir haben uns viele Hospitals angeguckt, wir haben sehr viele Hände geschüttelt - und wir sind absolut der Überzeugung, dass wir hier einen Business generiert haben - das ist auch ein Ergebnis dieser Delegationsreise."

    Doch nicht jeder Kontakt war auch ein Volltreffer. Ein Gespräch mit dem Krankenhauschef der viel versprechend klingenden "Saudi-German-Hospital-Gruppe" war eine Pleite. Der Empfang unfreundlich, die Reaktionen auf die Präsentationen gelangweilt. Und auch das "German" im Namen der Krankenhausgruppe war nicht wirklich ein Türöffner für die beiden Geschäftsleute.

    "Zumindest haben mir die Gesprächspartner gesagt, dass das "German" im Namen sehr wichtig wäre und so eine Art Marke, das kann sein. Allerdings, wenn man genau hinguckt - die Worte hör ich wohl - allein mir fehlt der Glaube, weil es war nichts Konkretes vorhanden, dass das unterstützt. Man hat vielleicht Kontakt, vielleicht sehr lose Kontakte und vielleicht ist man auch interessiert, die Verbindung zu vertiefen, aber das spielt im Moment für die Praxis keine Rolle, das muss man ganz nüchtern sagen."
    Franz Gerstheimer zieht eine etwas nüchternere Bilanz als sein Kollege. Zwar habe er viele gute Gespräche geführt, aber auf die richtigen Leute, die so genannten Entscheider, sei er nicht gestoßen.

    "Ich glaube, dass man hier mehrere Schritte gehen muss, bevor man ans Ziel kommt. Es geht nicht ohne lokalen Partner, das habe ich ganz klar gesehen. Irgendwie muss man immer eine Firma, die in Saudi-Arabien verwurzelt ist, drin haben, sonst kriegt man die Türen nicht auf zu den Leuten. Das ist offenbar rein von der legalen Seite möglich, hier als ausländische Firma zu arbeiten, aber de facto brauche ich den Türöffner einer inländischen Firma."
    Franz Gerstheimer und Norbert Fritz fahren deshalb in Kürze noch mal nach Saudi-Arabien. Das Ziel: die ersten Kontakte vertiefen und einheimische Partner finden.
    Und welches Fazit ziehen die anderen Teilnehmer der Reise? Uwe Katzky von einer Bremer Softwarefirma ist skeptisch, ob die Saudis für so fortschrittliche Lehrmethoden wie E-Learning überhaupt schon reif sind.

    "Eben wurde ich gefragt: was ist denn E-Learning überhaupt in dem Gespräch mit den Leuten von der Privatschule. Ich habe denen zwei, drei Beispiele gezeigt, auf dem Laptop und dann haben sie erahnen können, worum es geht. Aber wie man so was einsetzt und dass das jetzt nicht da ist, um eine konventionelle Ausbildung zu ersetzen, sondern nur zu ergänzen - ob das schon in den Köpfen gelandet ist, weiß ich nicht."
    Trotzdem glaubt er an Chancen für sein Angebot auf dem saudiarabischen Markt.

    "Es hat mich sehr beeindruckt, dass die Saudis wirklich was auf die Beine stellen wollen. Dass die nicht nur einfach Geld in die Hand nehmen, um irgendwas damit zu machen, sondern dass sie in Teilen zielgerichtet damit umgehen können. Inwieweit dass für uns in Zukunft lukrativ wird - das kann ich vielleicht in drei Monaten beantworten."
    Zeit lassen mit der Auswertung der Reise will sich auch die gemeinnützige Firma Inwent. An etwa die Hälfte der Kontakte ließe sich vielleicht später anknüpfen - so Abteilungsleiter Reimut Düring.

    "Wir haben hier sehr viele Facetten kennen gelernt. Mein Eindruck von den Institutionen selber - auch von der Ausstattung her - ist gut, das heißt Ansätze sind vorhanden. Was erforderlich ist, ist sicherlich, dass man sich konzentriert auf die Vermittlung von Skills und dort eben auch gewisse Standards einführt, die man für die Zukunft weiter verbessern kann."
    Sein Gesamteindruck nach fünf Tagen Saudi-Arabien:

    "Der vorherrschende Eindruck ist, dass dieses Land sich in einem Umbruch befindet. Dass dieser Umbruch dazu führen wird, dass es einen sehr hohen Bedarf gibt an Aus- und Weiterbildung, gerade auch im beruflichen Sektor und dass wir sicherlich in den nächsten zehn Jahren hier alle Hände voll zu tun haben werden."
    Eine Einschätzung, die auch die Organisatoren der Reise teilen. Delegationsleiterin Sabine Gummersbach-Majoroh hat hier im Vergleich zu anderen Ländern ein deutlich stärkeres Interesse an deutschen Weiterbildungsangeboten gespürt.

    "Ich persönlich habe hier in Saudi-Arabien gespürt, dass der Druck und der Wille, in diesem Bereich Dinge voran zu bringen so groß ist. Das war schon anders als in anderen Ländern wo ich gewesen bin."
    Außerdem habe sie den Eindruck, dass in Sachen Aus- und Weiterbildung die Konkurrenz nicht so groß sei. Zwar seien die angelsächsischen Länder wie immer schon vor den Deutschen aktiv:

    "Trotzdem habe ich das Gefühl, dass dieses Feld der Aus- und Weiterbildung noch relativ unbestellt ist und dass man da wirklich gute Chancen hat, was zu machen!"