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"Bevor ich in diese Band kam, hatte ich weder Blues gehört noch gespielt"

Die Mitglieder der Formation kennen sich vom College in Nashville, wo sie begonnen haben gemeinsam Musik zu machen. Live sind die Delta Saints sehr aktiv und spielen mindestens 150 Auftritte im Jahr.

Von Tim Hannes Schauen | 16.02.2013
    Von Tim Hannes Schauen

    Death Letter Jubilee - das ist der Titelsong des neuen Albums der Delta Saints.

    Weiße Hemden, Hosenträger, auf der Bühne bewegt sich die Band meistens barfuß.

    Sänger Ben Ringel sitzt auf einer Kiste, spielt dabei eine Resonator-Gitarre mit Metallkorpus. Leadgitarrist Dylan Fitch hat einen Bottleneck auf dem kleinen Finger, spielt Slidegitarre. Dazu noch eine Bluesharp, Bass und Schlagzeug. Diese Optik, die Wahl der Instrumente - bei den Delta Saints scheint es sich um eine Bluesband zu handeln. Doch so klar sei das nicht mal bandintern, sagt Leadgitarrist Dylan Fitch.

    "Schwierige Frage! Wenn man jeden von uns einzeln fragen würde, würden wir das alle wahrscheinlich etwas unterschiedlich einordnen. Für mich jedenfalls ist da definitiv jede Menge Rock drin, aber natürlich auch Blues. Außerdem Elemente aus Funk und Soul und vielleicht habe ich sogar auch eine kleine Popsensibiltät. Alles in allem ist es ein großer Mischmasch, doch unsere Musik ist ohne Frage vom Dixie beeinflusst, von New Orleans und dem Mississippi-Delta. Das liegt dann den neueren Einflüssen zugrunde."

    David Supica, der Bassist, schaut etwas skeptisch. Die Bluesecke behagt ihm nicht.

    "Bevor ich in diese Band kam, hatte ich weder Blues gehört noch gespielt. Ich habe angefangen Bass zu spielen, weil ich in der Jazzband meiner Schule mitmachen wollte, damals haben mir vor allem James Jamerson und der Motown-Sound gefallen und Funk. Ich verstehe, dass die Medien uns nun labeln wollen, und gebe zu, dass wir einen starken Blueseinfluss in unserer Musik haben, aber darüber hinaus wollen wir uns eben weiter entwickeln, vielleicht sogar etwas Neues etablieren. Ich weiß nicht, ob für unsere Zukunft diese Blueszuschreibung so wichtig ist."

    Das scheint der Band-Konsens zu sein. Ben Ringel jedenfalls nickt.

    "Ich sehe keinen Grund, warum eine Blues-Platte nicht direkt neben Justin Bieber oder Madonna stehen sollte - Blues ist doch auch wieder populär. Jahrelang wurde die alte Bluesformel wieder und wieder gespielt, daher hatte der Blues zeitweise nicht so einen guten Ruf. Aber nun kommen immer mehr Musiker, die sich auf diese Wurzeln besinnen, junge Künstler wie die Black Keys, wie Jack White und all seine Projekte, sie verändern das alte Blues-Gesicht, indem sie die alte Formel nehmen, die die Leute nicht mehr hören möchten, sie verschieben die Grenzen, machen etwas anderes damit. Und vielleicht ist in ein paar Jahren der Bluesrock in Amerika besser angesehen und erfolgreicher. Der Blues jedenfalls ist gerade wieder weit oben, wir sehen das ja an den Black Keys."


    Die Mitglieder der Formation kennen sich vom College in Nashville, wo sie ab 2007 gemeinsam Musik machen, eigene Stücke schreiben. Live sind die Delta Saints sehr aktiv, spielen mindestens 150 Auftritte im Jahr. Im Südwesten der Vereinigten Staaten haben sie sich einen guten Ruf erspielt, zudem waren sie bereits zweimal in Europa unterwegs auch in Deutschland.

    2010 erschien mit Pray On das Erste von bislang zwei veröffentlichten Kurzalben, es folgte A Bird Called Angola, beide Produktionen haben die Delta Saints unabhängig, also ohne Hilfe einer Plattenfirma, organisiert. Und auch das Budget für ihr erstes "richtiges" Album "Death Letter Jubilee", was mit dreizehn Stücken sehr ausgewachsen erscheint, haben sie selbst aufgestellt, dabei auch auf moderne Fundraising-Methoden über das Internet zurückgegriffen.

    "Heutzutage können wir jederzeit ein Stück aufnehmen und es zehn Minuten später bei Facebook, Myspace oder Reverbnation einstellen. Es gibt so viele Musiker, die genau das machen. Durch das Internet ist die Welt etwas kleiner geworden, aber die Konkurrenz eben auch größer, härter. Man braucht auch etwas Glück, um erfolgreich zu sein, es geht vor allem darum, Dein "Produkt" live zu platzieren und an den wichtigen Stellen - da war der deutsche Rockpalast sicher schon mal ein guter Multiplikator. Diese geschäftliche Seite des Business ist immer wichtiger geworden, Du musst Dich um alles kümmern - die Zeiten, wo der Typ von irgendeiner Plattenfirma dich vom Fleck weg unter Vertrag nahm, sind seit 20 Jahren vorbei. Wir mussten uns überlegen, wie wir das Geld für das anstehende Album zusammenbringen, und haben durch Fundraising bei einer Internetcommunity 17.500$ von Fans und Freunden bekommen - das war cool."

    Auch abseits der Genregrenzen ist klar: Diese interessante Mischung aus Delta und Dixie, Rock, Swamp, Schweiß und Groove macht großen Spaß. Die fünf jungen Musiker aus Nashville schaffen es, gleichzeitig traditionsverbunden aber eben auch frisch zu klingen. Ab dem 21. März stehen sie auf einigen deutschen Bühnen:
    The Delta Saints.