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Bio unter Beschuss

Laut einer Untersuchung, die im Auftrag der britischen Agentur für Nahrungsmittelstandards durchgeführt wurde, haben Bioprodukte nicht mehr Nährstoffe als herkömmlich produzierte Lebensmittel. Großartige Nachrichten für die Verbraucher, freute sich gleich der Verband der europäischen Pflanzenschutzmittelhersteller. Die Biobauern überrascht das nicht.

Von Dieter Nürnberger | 05.08.2009
    Viel Aufmerksamkeit wurde der britischen Studie über die Nährstoffgehalte bei Lebensmitteln bislang nicht zuteil - das gilt zumindest für Deutschland. Es ist eine Langzeitstudie im Auftrag der britischen Agentur für Nahrungsmittelstandards, eine Regierungskommission, die nun zu dem Ergebnis kommt, dass die Erzeugungsformen eines Lebensmittels, keine signifikanten Auswirkungen auf den Nährstoffgehalt und somit auch die Gesundheit des Konsumenten haben. Konkret heißt dies: Bioprodukte sind nicht besser als konventionell hergestellte Lebensmittel, sie besitzen mehrheitlich nicht unbedingt mehr Nährstoffe als traditionell erzeugte Produkte. Diese Hauptaussage der Studie überrasche nicht, sagt Helmut Born, der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes:

    "Das Ergebnis überrascht selbst die Biobauern nicht. Die Engländer haben über viele Jahrzehnte den Nährstoffgehalt von Produkten untersucht. Und für uns nicht überraschend kommt dabei heraus, dass sowohl konventionelle wie auch Bioprodukte die Verbraucheranforderungen erfüllen. Es gibt da keinen Unterschied."

    Der Deutsche Bauernverband ist ein Dachverband - hier sind konventionelle Landwirte ebenso organisiert wie Ökobauern. Helmut Born kann der Hauptaussage der Studie deshalb viel abgewinnen, denn letztendlich heiße dies, dass die Kunden beiden Erzeugungsformen, der konventionellen wie den biologischen, vertrauen könnten. Zumindest in Bezug auf die Nährstoffe.

    Ebenfalls unbeeindruckt zeigt sich Thomas Dosch, der Präsident des Anbauverbandes Bioland. Hier arbeiten rund 5000 Biobauern und über 800 Lebensmittelhersteller zusammen, er ist einer der führenden ökologischen Anbauverbände in Deutschland.

    "Niemand hat behauptet, dass bei Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten generell Unterschiede bestünden. Fakt ist allerdings, dass es sehr unterschiedliche Studien gibt. 2003 wurde beispielsweise eine in Österreich vorgelegt, die meinte belegen zu können, dass Bio gesünder sei. 2007 gab es eine große Studie von rund 20 Instituten in Europa, finanziert von der EU-Kommission, die zu dem Schluss kommt, Bio sei viel gesünder. Nun also wieder ein neues Ergebnis. Persönlich bin ich solchen Studien gegenüber immer skeptisch eingestellt, egal, welche Aussage sie insgesamt treffen."

    Born wie Dosch heben hervor, dass die britische Langzeitstudie Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und die Folgen für die Umwelt bei der jeweiligen Anbauart nicht berücksichtigt habe. Es sei allein um die Nährstoffgehalte gegangen. Somit sei die Aussagekraft der Studie auch begrenzt. Thomas Dosch sagt, dass gerade aber der Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel ein Wesensmerkmal der Bioprodukte sei und letztendlich ein Hauptgrund für die Kaufentscheidung.

    "Gesundheit ist ein sehr komplexes Thema. Wer sich nur mit Bio ernährt, hat damit nicht die Garantie, 100 Jahre alt zu werden. Das weiß auch jeder. Es hat ebenso mit dem normalen Alltag zu tun, mit Stress, mit der Familiensituation, mit dem Beruf etc. Es kommt auf eine Ausgewogenheit an - in allen Bereichen. Wenn allerdings Biolebensmittel Vorteile versprechen, dann sicher im Bereich Schadstoffe, weniger Schadstoffe also. Es geht um eine umweltgerechte Landwirtschaft, es geht um artgerechte Tierhaltung - all das sind Faktoren, die die Menschen bei ihrer Kaufentscheidung sicher mit berücksichtigen."

    Diese neue Diskussion über die Qualität von Biolebensmitteln und konventionellen Produkten trifft die Biobranche allerdings in einer ungünstigen Zeit. Jahrelang konnte sie in Deutschland zweistellige Zuwachsraten verbuchen. Dieser Trend scheint nun gestoppt, der Marktanteil in Deutschland gehe von 3,2 auf 3,0 Prozent zurück. So das Ergebnis einer Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung GfK. Helmut Born, der Generalsekretär des Bauernverbandes, sieht hierin allerdings kein Problem der Biobranche, sondern eher von hochwertigen Lebensmitteln allgemein. Bislang sei man vergleichsweise gut durch die Wirtschaftskrise gekommen.

    "Wir stellen mit Beginn dieses Jahres fest, dass wir doch erhebliche Einbrüche, vor allem im höherpreisigen Segment, haben. Die Gefahr für unsere Ökobetriebe ist, dass sie ja im höherpreisigen Segment anbieten müssen. Hier müssen wir, genauso wie konventionellen Bereich, wo wir auch Schwierigkeiten haben, sehen, wie wir die Verbraucher wieder zurückgewinnen können."