Menschen im Hotel. Eine Halle, Plüschsessel im Stil der 50iger-Jahre, beige-braune Töne, Wartesaalbeleuchtung. Dahinter der Ausblick auf die Alpen. Am Klavier spielt einer in Endlosschleife das immer gleiche Motiv, das erst aufwallt, dann verebbt. Und Stiller wiederholt, mit dem Rücken zu Publikum, wie eine Repetieruhr den Satz: "Ich bin nicht Stiller." Er sagt ihn zu sich, in den Raum hinein. Keiner hört zu, keiner will das wissen. Keiner wird das akzeptieren. Kurz darauf brüllt er.
Stillers Fluchtversuch, die geschwungene Treppe nach oben, auf die Galerie, endet ebenso komisch wie endgültig. Vor ihm tut sich ein gewaltiger Gullideckel auf und er stürzt ab, in die Zelle, die verborgen ist in der Rückwand, mitten in der Halle. Ein Entkommen aus diesem Raum-System ist unmöglich.
Dieses System - das verkörpern die anderen. Und der Ansatz der jungen Regisseurin Heike M. Goetze erweist sich als sehr tragfähig. Wie viel ist gesagt und geschrieben worden über Stillers Verweigerung, seine Identität anzunehmen. In Zürich wird bis an die Grenze des Grotesk-Komischen gezeigt, wie festgelegt alle anderen zentralen Figuren aus Frischs Roman sind. Der Klavier spielende Wärter: Ein Schweizer Bub mit gradem Sinn, der gar nicht genug kriegen, kann von Stillers frei erfundenen Mord-Geschichten. Der Verteidiger: eine ehrgeizige Bürokratin mit fixen Vorstellungen von Recht, Gesetz und dem Leben, wie es zu sein hat. Identitätszweifel, gar - Verleugnungen haben da keinen Platz. Eine, die immer schon alles weiß, nur leider aus formalen Gründen auf die Bestätigung ihres Klienten angewiesen ist.
So piepst und lächelt und argumentiert sie über alle Einwände Stillers hinweg. Unberührbar in ihrer automatisierten, angsterregenden Heiterkeit. Der Staatsanwalt und seine Frau Sibylle sind ein Musterbeispiel dafür, wie man Lebenskrisen übersteht und salonfähig bleibt. Er ist eine eher emotionslos-blässliche Figur und jetzt mäßig neugierig auf den einstigen Geliebten seiner Frau. Sie, ein Naturtalent in Sachen Selbstbehauptung, nimmt sich die Freiheit, die sie braucht, ist sicher ein gern gesehener Partygast mit ihren, oft ans Publikum adressierten, achselzuckend-saloppen Einwürfen über - die Männer, die große Liebe und diese alte ménage à trois. Und am Ende vernimmt man, nur leicht erstaunt, dass dieses angepasste Paar, derart fit gemacht für die Zukunft, sich jetzt ein Kind zulegt. Auf der Strecke bleiben Julika - und ihr Stiller. Julika schwebt. Julika haucht, verstummt, stirbt. Die Kälte kommt, wie sollte es anders sein, von ihm. Er lässt Schneeflocken über sie rieseln. Er hat sie aus dem Tritt gebracht. Aber ihr Tritt - das ist ein einziges Schreiten, Posieren - von einer Ballettfigur zur nächsten, die Maske des Schmachtens in sehnsüchtiger Selbstverliebtheit. Sie inszeniert sich - wo er leben will. Wo er sie wollte, wieder will, aber nicht glücklich machen kann.
Goetze zeigt das traurige Missverstehen dieses Paares in einer grandiosen Tanzszene: Er will aus ihrem automatenhaften Solo einen Paartanz machen, greift nach ihr, wild, ungebärdig, formlos. Doch da verlieren ihre Füße den Rhythmus, den Tanzschritt, die Bodenhaftung, bis sie, schlapp wie eine abgeschnittene Marionette, in seinen Armen liegt. Nur die Affektposen des Tanzes hatten Lebendigkeit suggeriert. Und er, der auf der Suche nach Leben, Lebendigkeit war und ist, nimmt sie ebenso wenig wahr wie sie ihn.
Gewiss hat der zweistündige Abend ein paar Längen. Und nicht alle Figuren, die ja alle ständig präsent sind in diesem Raum, sind gleich stark. Aber das ist fast schon Beckmesserei angesichts einer nuancierten, klugen, mit starken Höhepunkten entfalteten, sehr schwierigen szenischen Roman-Adaption. Goetze bebildert nicht. Sie zeigt in sich eingesperrte, beziehungsgeschädigte Figuren, denen, allen außer Stiller, der endlich auch darauf festgelegt werden soll, das Sein in den Augen anderer das Wichtigste im Leben ist. Und sie hält die Balance zwischen Karikatur und an sich leidenden Menschen. Gerade die ambivalenten Gefühle, die sie sich gegenseitig absprechen, lässt sie ihnen. Und sie hat in Frank Seppeler einen fantastischen, noch im Zustand körperlicher Erstarrung in jedem Moment überzeugenden Menschendarsteller. Sein Stiller ist voller Widersprüche. Er sprüht vor Erfindungslust und hemmt sich durch Selbstzweifel. Er ist ironisch, wütet, giert nach Leben und scheitert selbst an seinem Ausbruch. Und er bleibt uneindeutig. Was immer die anderen über ihn sagen, Richtiges und Falsches.
Stillers Fluchtversuch, die geschwungene Treppe nach oben, auf die Galerie, endet ebenso komisch wie endgültig. Vor ihm tut sich ein gewaltiger Gullideckel auf und er stürzt ab, in die Zelle, die verborgen ist in der Rückwand, mitten in der Halle. Ein Entkommen aus diesem Raum-System ist unmöglich.
Dieses System - das verkörpern die anderen. Und der Ansatz der jungen Regisseurin Heike M. Goetze erweist sich als sehr tragfähig. Wie viel ist gesagt und geschrieben worden über Stillers Verweigerung, seine Identität anzunehmen. In Zürich wird bis an die Grenze des Grotesk-Komischen gezeigt, wie festgelegt alle anderen zentralen Figuren aus Frischs Roman sind. Der Klavier spielende Wärter: Ein Schweizer Bub mit gradem Sinn, der gar nicht genug kriegen, kann von Stillers frei erfundenen Mord-Geschichten. Der Verteidiger: eine ehrgeizige Bürokratin mit fixen Vorstellungen von Recht, Gesetz und dem Leben, wie es zu sein hat. Identitätszweifel, gar - Verleugnungen haben da keinen Platz. Eine, die immer schon alles weiß, nur leider aus formalen Gründen auf die Bestätigung ihres Klienten angewiesen ist.
So piepst und lächelt und argumentiert sie über alle Einwände Stillers hinweg. Unberührbar in ihrer automatisierten, angsterregenden Heiterkeit. Der Staatsanwalt und seine Frau Sibylle sind ein Musterbeispiel dafür, wie man Lebenskrisen übersteht und salonfähig bleibt. Er ist eine eher emotionslos-blässliche Figur und jetzt mäßig neugierig auf den einstigen Geliebten seiner Frau. Sie, ein Naturtalent in Sachen Selbstbehauptung, nimmt sich die Freiheit, die sie braucht, ist sicher ein gern gesehener Partygast mit ihren, oft ans Publikum adressierten, achselzuckend-saloppen Einwürfen über - die Männer, die große Liebe und diese alte ménage à trois. Und am Ende vernimmt man, nur leicht erstaunt, dass dieses angepasste Paar, derart fit gemacht für die Zukunft, sich jetzt ein Kind zulegt. Auf der Strecke bleiben Julika - und ihr Stiller. Julika schwebt. Julika haucht, verstummt, stirbt. Die Kälte kommt, wie sollte es anders sein, von ihm. Er lässt Schneeflocken über sie rieseln. Er hat sie aus dem Tritt gebracht. Aber ihr Tritt - das ist ein einziges Schreiten, Posieren - von einer Ballettfigur zur nächsten, die Maske des Schmachtens in sehnsüchtiger Selbstverliebtheit. Sie inszeniert sich - wo er leben will. Wo er sie wollte, wieder will, aber nicht glücklich machen kann.
Goetze zeigt das traurige Missverstehen dieses Paares in einer grandiosen Tanzszene: Er will aus ihrem automatenhaften Solo einen Paartanz machen, greift nach ihr, wild, ungebärdig, formlos. Doch da verlieren ihre Füße den Rhythmus, den Tanzschritt, die Bodenhaftung, bis sie, schlapp wie eine abgeschnittene Marionette, in seinen Armen liegt. Nur die Affektposen des Tanzes hatten Lebendigkeit suggeriert. Und er, der auf der Suche nach Leben, Lebendigkeit war und ist, nimmt sie ebenso wenig wahr wie sie ihn.
Gewiss hat der zweistündige Abend ein paar Längen. Und nicht alle Figuren, die ja alle ständig präsent sind in diesem Raum, sind gleich stark. Aber das ist fast schon Beckmesserei angesichts einer nuancierten, klugen, mit starken Höhepunkten entfalteten, sehr schwierigen szenischen Roman-Adaption. Goetze bebildert nicht. Sie zeigt in sich eingesperrte, beziehungsgeschädigte Figuren, denen, allen außer Stiller, der endlich auch darauf festgelegt werden soll, das Sein in den Augen anderer das Wichtigste im Leben ist. Und sie hält die Balance zwischen Karikatur und an sich leidenden Menschen. Gerade die ambivalenten Gefühle, die sie sich gegenseitig absprechen, lässt sie ihnen. Und sie hat in Frank Seppeler einen fantastischen, noch im Zustand körperlicher Erstarrung in jedem Moment überzeugenden Menschendarsteller. Sein Stiller ist voller Widersprüche. Er sprüht vor Erfindungslust und hemmt sich durch Selbstzweifel. Er ist ironisch, wütet, giert nach Leben und scheitert selbst an seinem Ausbruch. Und er bleibt uneindeutig. Was immer die anderen über ihn sagen, Richtiges und Falsches.