Samstag, 27. April 2024

Archiv

Biologie
Der Kompass der Lachse

Neurowissenschaften. - Lachse orientieren sich bei den Wanderungen von ihren Brut- und Laichgebieten zu ihren Jagdrevieren und zurück am Magnetfeld der Erde. Neue Forschungen zeigen, dass sie das nicht erst lernen müssen. Sie kommen mit einer genetisch programmierten Magnetfeldkarte auf die Welt.

Von Lucian Haas | 07.02.2014
    Dass Pazifische Lachse ein Gespür für das Magnetfeld der Erde besitzen, ist schon länger bekannt – wenn auch noch lange nicht verstanden.
    "Die Magnetrezeptoren sitzen, so wird allgemein vermutet, vorne am Kopf. Aber bis heute wissen wir nicht genau, wie dieser Rezeptor bei den Lachsen aufgebaut ist."
    David Noakes ist Fischökologe an der Oregon State University. Gemeinsam mit Nathan Putman und weiteren Kollegen arbeitet er seit Jahren daran, den Magnetsinn der Pazifischen Lachse zu entschlüsseln. Und auch wenn der eigentliche Rezeptor noch immer nicht gefunden wurde, so zeichnen jüngste Versuche der Forscher ein immer feineres Bild, wie sich die Fische mit Hilfe des Erdmagnetfeldes im Ozean orientieren.
    "Die Lachse können sowohl die Stärke als auch die Neigung des Erdmagnetfeldes wahrnehmen. Die Fische nutzen das, um daraus ihre Position abzuleiten. Das ist vergleichbar mit unserer Vorstellung von Längengrad und Breitengrad."
    David Noakes machte Experimente mit jungen Zuchtlachsen, die nie zuvor im Meer gewesen waren. In einem speziellen Becken setzte er sie einem künstlichen Magnetfeld aus – mit genau jener Stärke und Neigung der Magnetfeldlinien, wie sie an verschiedenen Standorten im nördlichen Pazifik zu finden sind. Zum Teil lagen die simulierten Orte außerhalb der üblichen Fanggründe der Lachse.
    "Wenn man die Lachse in den Magnetfeldsimulator setzt und sie mit einem Magnetfeld umgibt, das zu einem Ort passt, der weiter nördlich ist als ihre normalen Habitate, dann versuchen sie nach Süden zu schwimmen. Und wenn man ihnen ein Magnetfeld liefert, das zu Standorten passt, die südlicher liegen, dann schwimmen sie nach Norden. Das zeigt, dass die Fische einen Sinn dafür haben, wo sie sind, wo sie sein sollten und wie sie dorthin gelangen können."
    Der Magnetsinn der Lachse ist schon in einem ganz jungen Stadium ihres Lebens aktiv und nachweisbar. David Noakes vermutet, dass die Lachse mit einer Art genetisch programmierter Magnetfeldkarte auf die Welt kommen. Anders als Zugvögel, die ihre Flugrouten in die Winterquartiere erst lernen müssen, indem sie ihren Eltern oder anderen erfahrenen Tieren nachfliegen, finden sich Lachse alleine zurecht. Sie sind nicht auf das Erfahrungswissen älterer Tiere angewiesen, wenn sie aus den Laichgebieten in den Flüssen zu ihren typischen Jagdrevieren auf hoher See wandern.
    "Diese Tiere haben offenbar eine angeborene Fähigkeit, das Erdmagnetfeld zu lesen und so den Weg zu den Orten zu finden, wo schon ihre Vorfahren lebten – und das, obwohl sie selbst noch gar nicht dort gewesen sind. Das scheint etwas Vorgegebenes zu sein und zeigt ein hoch entwickeltes Verhalten."
    Als nächstes wollen David Noakes und Kollegen testen, wie spezifisch für verschiedene Fischpopulationen das in den Genen festgeschriebene Orientierungsprogramm ist. Wie reagieren zum Beispiel Atlantische Lachse, wenn man sie Magnetfeldern aussetzt, wie sie im Pazifik herrschen? Versuche sollen zeigen, ob sie dann immer noch in die richtige Richtung schwimmen.