"Die Absterberate der Spinalganglien-Zellen, also der Zellkörper des Hörnerven, ist deutlich verlangsamt, wenn man diese Wachstumsfaktoren in die Schnecke des Innenohrs gibt. Die Hoffnung dabei ist, mit diesem Effekt die Effizienz von Cochlea Implantaten zu erhöhen", erklärt Stöver. Denn je mehr Spinalganglien-Zellen man erhalten könne, desto besser wirkten auch die Implantate bei schwerhörigen Patienten, die mittels elektrischer Impulse die Hörnerven direkt stimulieren. Diese Hilfen versagen jedoch, weil die Nerven langsam degenerieren, schildert Professor Thomas Lenarz, Leiter der HNO-Abteilung der Medizinischen Hochschule Hannover: "Die Vorstellung ist, über die in die Cochlea eingesetzte Elektrode gleichzeitig solche Wachstumsfaktoren – so genannte Neurotropine - nachzuliefern. Dazu wird in die Elektrode ein kleiner Kanal eingebaut, durch den dann die Medikamente gepumpt werden können."
Erste Ideen einer Medikamentenpumpe, die direkt in das Innenohr geschoben wird, gibt es heute schon und in etwa 18 Monaten könnten erste klinische Versuche am Menschen beginnen. Erste Ergebnisse stimmen die Forscher zuversichtlich, denn Neurotropine lassen bei einigen Versuchstieren nicht nur die Hörnervenzellen nachwachsen, die für die Fortleitung der Nervenimpulse verantwortlich sind, sondern sogar auch die so genannten Haarzellen. Sie nehmen den Schall im Innenohr auf und wandeln ihn in elektrische Signale. Sollte dies beim Menschen ebenfalls möglich sein, prognostiziert Professor Göran Bredberg vom Huddinge University Hospital aus Stockholm gar das Ende aller Hörgeräte: "Theoretisch könnten Neurotropine eine Degeneration der Nervenzellen verhindern. Damit hätten wir in der Tat mehr Möglichkeiten in der Zukunft." Doch am besten sei es immer noch, sich schädigendem Lärm gar nicht erst auszusetzen.
[Quelle: Michael Engel]