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Bissfest und blutig

Besser wär es ja schon, wenn sich Menschen und Vampire aus dem Weg gingen. Immerhin wollen die einen von den anderen immer nur das eine: Blut. Wie viel Spaß es jedoch macht, die überlieferten, ziemlich starren Verhaltensmuster der diabolischen Geschöpfe auf den Kopf zu stellen, um doch immer wieder dieselbe Geschichte, allerdings auch immer wieder anders zu erzählen, das wissen Franziska Gehm, das Autorinnenduo Cast, Catherine Jinks, Angie Sage und Lynn Raven.

Von Karin Hahn |
    In ihren Romanen beißen sich die Hauptfiguren mal mit Humor und Ironie, aber auch mit heiligem Ernst durchs ewige Leben. Je nach Zielgruppe steigert sich der Horror und die Liebeslust. Mal knarren nur die Dielen geheimnisvoll, Eckzähne blinken nadelspitz oder Blutkonserven verschwinden. Dann wieder häufen sich grausame Szenen, der Tod kommt von einer Sekunde zur nächsten und im Blutrausch bleibt kein Auge trocken.

    Vor mehr als 100 Jahren kreierte Bram Stoker als einer der Stammväter des Genres das heutige Erscheinungsbild des aristokratischen Protovampirs. Die moderne Vampirgeneration in der Kinder- und Jugendliteratur hingegen pflegt einen geradezu menschlichen Lebenswandel und kümmert sich wenig um die tradierten Mythen. Knoblauch, Weihwasser und Kruzifix lassen den Vampir von heute kalt und kein Blutsauger kehrt zurück, um die Lebenden zu quälen. Von gruseligem Schauer keine Spur, denn die Untoten in den aktuellen Romanen leiden unter Beißhemmungen, sie müssen anpassungsfähig sein, einen Wandlungsprozess durchstehen und einen Beruf wählen, den sie nachts ausüben können.
    Nachdem "Der kleine Vampir" von Angela Sommer-Bodenburg seit 30 Jahren erfolgreich immer wieder in neuen Auflagen durch die Kinderzimmer fliegt, tummeln sich auch im Kinderbuch zunehmend die Blutsauger, so auch in "Auf Vampirjagd!" in der "Araminta Spuk"- Reihe von Angie Sage.

    Araminta lebt mit Tante Tabby, Onkel Drac und Cousine Wanda in einem riesigen Haus voller Geheimnisse. Als ständig ihre Käse-Zwiebel-Chips verschwinden, beschließt das Mädchen eine Werwolf-Falle zu bauen. Doch als Onkel Dracs bucklige Verwandtschaft den kleinen, schmierigen Max mit Sarg abliefert, ist klar, sie kann auch gleich eine für Vampire konstruieren. Aber auch in Spukgeschichten sind die unheimlichen Nachtwesen nicht mehr das, was sie mal waren. Und bei all dem wissenschaftlichen Eifer, den Araminta an den Tag legt, hat sie übersehen, wie leidenschaftlich gern Max Kirschbonbons in sich hineinschiebt. Angie Sage spielt in einer bereits von Geistern bevölkerten Welt mit harmlosen Gruselelementen, bereichert diese aber mit trockenem englischem Humor.

    Buchausschnitt – Araminta Spuk
    Wenn man Vampire oder Werwölfe fangen will, braucht man eine Person zum Aufstellen der Falle und eine zweite als Köder. Und da es meine Falle war, musste ich sie aufstellen. Damit blieb, soweit ich die Sache überblickte, nur eine Person übrig, die als Köder dienen könnte. Aber das sagte ich Wanda nicht, weil sie sonst wahrscheinlich nichts gegessen hätte. Egal, was Tante Tabby immer behauptet, ich finde mich manchmal sehr rücksichtsvoll.
    Doch was ist so faszinierend an Geschichten über Vampire? Wie erklärt sich dieser Hype? Fliehen die Leser vor der realen Wirklichkeit oder suchen sie nach den klaren Fronten zwischen Gut und Böse? Kinder und Jugendliche freuen sich, keine Frage, wenn sie die Literatur, die ursprünglich für Erwachsene bestimmt ist, für ihre eigene Vorstellungswelt erobern können und ahnen wohl die verbotene Nähe zu Blut, Tod und Sexualität.

    Franziska Gehm begann an ihren Kinderbüchern über die Vampirschwestern zu schreiben, da waren Stephenie Meyers "Bis(s)-"Bücher noch nicht so populär.

    "Ich meine, Vampirliteratur und auch Filme gibt es ja schon seit längerer Zeit und ich habe so das Gefühl, dass das so wellenartig immer wieder mal hochschwappt. Ganz einfach, weil es ein spannendes Thema ist. Bei mir war damals so die erste Welle, die ich so mitbekommen hab, 1994 kam dieser Film "Interview mit einem Vampir". Da fand ich, hat sich das Bild vom Vampir auch schon etwas geändert gehabt, da war der Vampir nicht nur der Böse, Häßliche, ja dieses Ungeheuer, das blutsaugend durch die Nacht wandelt, sondern ja das waren damals ja Brad Pitt und Tom Cruise und die waren ja nicht nur unheimlich, sondern auch anziehend, fand ich die. Ja, und jetzt ist halt wieder so eine Welle da, wo ich jetzt so feststelle, dass sich das Bild von dem ursprünglich blutsaugenden Ungeheuer sich jetzt doch mehr ja fast verweichlicht hat und die, die jetzt auftreten dem Menschenblut abgeschworen haben, fast sozusagen Vegetarier geworden sind."
    Franziska Gehm erzählt in ihrer Mädchenreihe "Die Vampirschwestern" mit viel Humor von der Familie Tepes. Ab und zu hat Mihai Tepes schon mal Heißhunger auf seine Kollegen, aber er kann sich beherrschen. Sehr gern schnappt sich Tochter Daka Insekten als Zwischenmahlzeit. Vor Kurzem ist die Familie von Rumänien nach Deutschland gezogen. Sie wohnen in einem Reihenhaus in der Stadt Bindburg. Familie Tepes scheint auf den ersten Blick ganz normal, wäre der Vater nicht bereits 2676 Jahre alt und ein waschechter Vampir aus Transsilvanien. Er verliebte sich auf den ersten Biss in Elvira, die dank Halskrause ein Mensch geblieben ist. Ihre 12-jährigen Zwillinge Silvania und Dakaria hängen gern an einer Metalleine in ihrem Zimmer ab und vermeiden es am Tag zu fliegen. Die Integration der Halbvampire gelingt und die Mädchen finden Freunde, die allerdings auch etwas absonderlich sind.

    "Die Figuren Daka und Silvania habe ich bewusst sehr verschieden angelegt, zum einen macht das so ein Buch spannender und zum anderen spiegeln die Figuren so diesen Konflikt wieder, den man als Kind im Übergang zum Teenager und ja als Teenager hat. Und zwar Daka ist die Wilde, die gerne mal aus der Reihe tanzt und sehr eigenwillig ist. Die Silvania dagegen, ist ja diejenige, die der verträumte romantische Typ ist und sich lieber anpasst und Freunde finden möchte schnell in Deutschland. Ja, und das ist auch das, was ich aus meiner Kindheit und Teenagerzeit kenne, der Konflikt einerseits schön verrückt sein, aus der Reihe tanzen und auf der anderen Seite lieber nicht auffallen, auf jeden Fall nicht alleine sein und Freunde haben."

    "Bissige Gäste im Anflug" heißt der Titel des neuen 6. Bandes, in dem sich alles um die erste, schwärmerische Liebe dreht. Helene, die Freundin der Vampirschwestern, hat sich im Urlaub in Transsilvanien in Murdo verknallt. Aber der Junge ist ein Transgigant, das heißt ein Vampir der besonders bissigen Art. Silvania und Daka sind besorgt.

    Buchausschnitt – Bissige Gäste im Anflug

    Helene kannte sich aus. Immerhin hatte sie sich vor ein paar Tagen selbst verliebt. Halsschlagader über Kopf. Die Liebe an sich konnte eine sehr gefährliche Sache sein. Das wusste Silvania aus 564 Liebesromanen, die sie gelesen hatte. Helenes Liebe aber war besonders gefährlich. Wäre sie ein Gefahrguttransport gewesen, hätte sie die Warnschilder explosiv, ätzend, erstickend, giftig, brandfördernd, radioaktiv und leicht entzündlich tragen müssen.

    Als dann ein mürrischer Transgigant und seine Riesenfledermäuse nach Helene in Deutschland suchen, wird es besonders aufregend, denn sie schnappen sich das falsche Kind. Und dann verschwinden auch noch die Blutkonserven aus der Rechtsmedizin. Dort arbeitet Mihai Tepes nachts als Präparator. Er ahnt, dass gefährliche Bekannte über Bindburg kreisen.

    Gehm: "Ja, das macht für mich auch den besonderen Reiz der Vampirschwestern aus, dass es nicht diese klassische Fantasyliteratur ist, wo man jetzt so eine fiktive Welt hat, sondern man hat diese völlig normale Welt, die die Kinder auch kennen und darein setzt man diese Figuren wie Mihai Tepes auch. Allein von der Konstellation her hat man viele Szenen, da kommt es einfach zu Situationskomik und der Mihai Tepes ist, sage ich mal, eine sehr dankbare Figur, weil er ein sehr aufbrausendes Temperament hat und ein sehr stolzer Vampir ist."

    Buchausschnitt – Bissige Gäste im Anflug
    Natürlich war auch Mihai Tepes ein gut gefülltes, lauwarmes Glas Frischblut lieber als eine kalte, abgestandene Blutkonserve. Aber im Prinzip war es wie beim Menschen: Gab es kein frisches Brot, tat es zur Not auch Knäckebrot.
    Franziska Gehm beschreibt die alltäglichen Vor- und Nachteile des Vampirdaseins mit Augenzwinkern. Die Mädchen müssen wöchentlich ihre Eckzähne kürzer feilen, sich ständig mit Sonnencreme einschmieren und ein Vampirjäger mit Spezialwaffen lauert bereits hinter der Gardine im benachbarten Reihenhaus. Das liest sich gut und tut keinem weh. Originell ist auch die erfundene Sprache der Vampire, Vampwanisch genannt.

    Gehm: "So diese ersten Wörter, die mir eingefallen sind, das war eher spontan, das war dieses Schlotz zoppo! für Ach, du Schreck! und Fumpfs für Mist und auch onu, zoi, trosch eins, zwei, drei hatte ich ziemlich schnell. Ja, und dann kam immer mehr dazu und sodass wir jetzt ein Wörterbuch hinten in die Vampirschwester-Bücher getan haben. Es ist immer eine ziemliche Mischung aus verschiedenen Sprachen. Manchmal sind es reine Fantasiewörter, die mir so einfallen, weil sie gut klingen und manchmal ist es auch so eine Mischung aus Italienisch, Polnisch, Russisch, Kroatisch und dann mische ich die, bis ich denke, ja das hört sich nach Vampir an."
    In Franziska Gehms Büchern wird die banale Diesseits-Welt durch Fantasie transformiert und kann sich so dem Geisterhaften öffnen. Das geschieht auch mitten in Sidney, in dem Moment wo ein abstinenter Vampir sich nicht im Griff hat und zubeißt. Das Opfer muss dann gezwungenermaßen die Spezies wechseln und das kann wirklich anstrengend und demütigend sein.

    Mit ironischer Distanz erzählt die Australierin Catherine Jinks in "Blutsbande – Bekenntnisse einer Vampirin" vom tragikomischen Schicksal der armen Geschöpfe, die zu Blutsaugern werden. Nina Harrison, die 51-jährige Vampirin, hat es am eigenen Leib erfahren. Als sie 15 Jahre alt war, wurde sie vom diabolischen Casimir gebissen. Jetzt lebt sie als Autorin bei ihrer Mutter, ernährt sich von Meerschweinchenblut und schreibt wüste Vampirschmöker - keine Romanzen, sondern harte Actionstorys, in denen ihre übersinnliche Heldin Zadia, die mutige Frau mit der traumhaften Figur alles kann: fliegen und sich sogar in eine Fledermaus verwandeln. Mit Ninas realem Leben hat das nichts zu tun.

    Buchausschnitt – Blutsbande
    Die ungeschminkte Wahrheit ist, dass ich überhaupt nicht viel kann. Das ist Teil des Problems. Vampire sind angeblich so bildschön und kraftvoll, aber ich sage euch hier und jetzt, dass ein Vampir nichts dergleichen ist. Kein bisschen. Vielmehr ist Vampir sein so ähnlich, als müsse man wegen Grippe zu Hause bleiben und schlechte Vorabendserien im Fernsehen anschauen, für immer und ewig. Wenn es einfach wäre, ein Vampir zu sein, bräuchte es die Selbsthilfegruppe für abstinente Vampire gar nicht zu geben.
    Klein ist die harmlose Zwangsgemeinschaft der neurotischen Vampire, die sich um den katholischen Priester Ramón jeden Dienstag versammelt und rumjammert. Egal, was die Vampire essen, ihnen ist ständig übel. Das Internet erleichtert das Leben zwar, aber die Nachtwesen müssen ihre wahre Identität verheimlichen und leben in ständiger Angst vor der Polizei, da sie auf falsche Papiere angewiesen sind.

    Buchausschnitt-Blutsbande
    Als Vampir ist das Schlimmste – schlimmer als die Isolation und die Entwürdigung und die Gesundheitsprobleme-, dass ein großer Teil der Menschheit einen umbringen will. Ohne einen guten Grund.
    Casimir, der die Vampir-Infektion nach Australien einschleppte, liegt eines Tages mausetot in seiner Wohnung – gepfählt von einem Vampirjäger. Die große Panik bricht aus. Alle Vampire quartieren sich bei Nina's Mutter ein und überlegen, wie sie den Mörder stoppen. Nicht so einfach für Untote, die vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung klinisch tot sind. Durch die Silberkugel, die der Priester bei Casimir gefunden hat, wird die verunsicherte Vampiregemeinschaft, die immer alles ausdiskutieren muss, auf die falsche Fährte ins Landesinnere zu Barry und Dermid McKinnon gelockt. Problematisch für die schwachen Vampire ist die Frage: Wie redet man mit einem Vampirhasser?

    Buchausschnitt – Blutsbande
    Als ich darüber nachdachte, erkannte ich, dass jemand, der mit Bram Stoker groß geworden war, möglicherweise Mühe hatte, die traurige Wahrheit unserer Verfassung zu akzeptieren. Selbst wenn der Betreffende an Vampire glaubte.
    "Und was ist mit denen?", sagte ich und tippte an einen meiner Reißzähne. Aber Dave schüttelte den Kopf. "Sie sind nicht besonders groß. Nicht wie die in den Filmen." Er schniefte. "Mit den Reißzähnen in Underworld könnte man eine Dose Tomaten aufmachen."

    Immer verwickelter wird der konfuse Krimi, denn die Vampire finden nicht ihren Mörder, aber dafür im Keller der McKinnons den misshandelten Werwolf Reuben, den die Untoten mit nach Sidney nehmen. Nun haben sie nicht nur einen Vampirjäger am Hals, sondern auch noch die skrupellosen McKinnons.

    Catherine Jinks spielt gekonnt mit den Schwächen ihrer Vampire, die genauso wie Menschen betrügen, intolerant und geltungssüchtig sind. Und sie gibt ihrer Ich-Erzählerin und Anti-Heldin eine eigene, lakonische Stimme. Auch wenn Nina ab und zu in der Geschichte vorgreifen muss, denn sie kann das, was am Tage geschieht, nur vom Hören Sagen nacherzählen, fehlt dem Ganzen dann aber doch der fesselnde Spannungsbogen. Der Vampirjäger wird bekehrt und die McKinnons mutieren zu bemitleidenswerten Vampiren. Trotz all der Seitenhiebe auf berühmte, blutleere Leidensgenossen, wirklich gelungen ist nur die Ausgangsidee dieser Persiflage auf das Vampirgenre.
    Buchausschnitt - Gezeichnet – House of Night / CD
    Da sah ich ihn. Den toten Typen. Okay, im Grunde genommen war er nicht wirklich tot, so viel wusste ich. Er war untot. Oder un-menschlich, oder was auch immer. Die Wissenschaftler sagen so, die Leute so. Im Endergebnis ist es jedenfalls dasselbe. Es gab keinen Zweifel daran, was er war. Selbst wenn ich nicht gespürt hätte, welche Macht und Dunkelheit von ihm ausging, hätte ich sein Mal nicht übersehen können: die saphirblaue Mondsichel auf seiner Stirn und dazu die verschlungenen Tätowierungen rund um seine ebenso blauen Augen. Er war ein Vampyr – und nicht nur das. Er war ein Späher. Und, Shit! Er stand neben meinem Schließfach.
    Zoey wird vom Späher mit einem Mal, einem Halbmond -Tatoo, auf der Stirn gezeichnet. Ihr bleibt nun die Wahl zwischen dem Tod oder vier Jahren Internatsleben mit Jungvampyren im House of Night. Bereits als Bestseller gekrönt ist "Gezeichnet – House of Night" vom amerikanischen Autorinnenduo Phyllis C. Cast und Kristin Cast auf Erfolgskurs. Die Vampirserie, in der Zoey zur Tochter der Nacht gewandelt wird, ist auf 12 Bände angelegt. Zoey ist natürlich nicht nur irgendein Nachwuchs-Vampyr unter vielen, sie genießt das Vertrauen der Göttin Nyx. In einer Erscheinung weist sie dem Mädchen huldvoll den Weg:

    Buchausschnitt – Gezeichnet – House of Night / CD
    Ich habe dich als die Meine gezeichnet. In diesem Zeitalter wirst du meine erste wahre U-we-tsi a-ge-hu-tsa v-hna – Sv-noyi sein ... meine Tochter der Nacht. Du bist etwas Besonderes. Nimm diese Tatsache an, und du wirst erkennen, dass in deiner Einzigartigkeit die wahre Macht liegt.
    Leicht überfordert von den mystisch verklärten Sprüchen taumelt Zoey durch die neue Schule. Das Erste, was sie in einem stillen Gang beobachten darf, ist eine äußerst intime Liebesszene zwischen der blonden Aphrodite und dem musisch so begabten Erik. Es geht von Jungvampyr zu Jungvampyr sehr eindeutig zur Sache. Ohne Mühe gewinnt Zoey im Internat eine vertraute Freundin und eine Clique, in der sie sich gleich wohl fühlt. Die Sechzehnjährige will unbedingt dazugehören, die angesagten Klamotten tragen und ihrer Mentorin, der Hohepriesterin Neferet, gefallen. Aber schnell entbrennt ein Zickenkrieg zwischen der harmlosen Zoey und der machtgierigen Aphrodite.

    Das Aufgreifen bekannter Ideen ist typisch für die Fantasy-Literatur. Enttäuschend nur, wenn diese ohne dramaturgisches Konzept aneinandergereiht werden. Das Autorinnenduo bedient sich bei der "Gossip Girl"-Serie, gemixt mit etwas "Harry Potter" und dem Pathos aus "Die Nebel von Avalon". Hinzu kommt ein bisschen Effekthascherei, denn Jungvampyre sterben plötzlich, wenn sie den Wandlungsprozess körperlich nicht durchstehen. Zoey und der wahnsinnig gut aussehende Erik fühlen sich zueinander hingezogen, aber das ist wirklich keine Überraschung. Alle Charaktere sind eindimensional angelegt, denn es geht ja auch nur darum, dass Gut und Böse um das Gleichgewicht in der Welt kämpfen und da ist offensichtlich nicht allzu viel Ideenreichtum erforderlich. Mutter Phyllis schreibt die erste Fassung. Tochter Kristins Aufgabe besteht darin, den jugendlichen Sound beizusteuern. Und so schnattert Zoey als Ich – Erzählerin in einer nervigen wie oberflächlichen Umgangssprache. Die stilistische Einfallslosigkeit setzt sich in den immer gleichen sprachlichen Bildern fort. Wenn Ärger ansteht, dann verengen sich die Augen zu Schlitzen, ist Zoey erstaunt, dann klappt ihr Mund auf. Ob die angekündigten Fortsetzungen, Band 2 bis 4 erscheinen noch in diesem Jahr, mit originellen Wendungen aufwarten – eher nicht.
    So reißerische Titel wie "Der Kuss des Dämons" und "Das Herz des Dämons" sind bereits untrügliche Hinweise auf Herz-Schmerz-Romane. Und der Blick aufs Cover bestätigt diesen Eindruck. Neu ist nun der dritte Band "Das Blut des Dämons". Die Amerikanerin Lynn Raven folgt in ihrer Trilogie einem allzu bekannten Handlungsmuster: Eine unerfahrene, etwas naive Ich-Erzählerin trifft einen stillen, aber äußerst attraktiven Jungen. Obwohl das Mädchen erzählt, steht die männliche Figur im schillernden Rampenlicht. Er hat als Untoter gelernt, wie man mit innerer Stärke und Lebenserfahrung Blutgier und sexuelle Impulse bremst.
    Bei Lynn Raven sind die Helden zum einen die junge Dawn, die halb Mensch, halb Lamia ist und Julien, der intelligente Jüngling mit überirdischen Fähigkeiten. Aus den Perspektiven der beiden Protagonisten konstruiert die Autorin eine verworrene Handlung und verwebt diese mit der Lamia-Legende, über eine Spezies, die ebenfalls von Blut lebt. Durch den verfrüht eingesetzten Wandlungsprozess zur Lamia scheint Dawn, die auch noch Prinzessin im nächsten Leben sein soll, sterben zu müssen. Julien will sie retten, indem er unter Gefahren das Blut der Allerersten, ein Erbe seines Vaters, aus einem Versteck holt. Dieses Blut kann jede Krankheit heilen, aber auch tödlich wirken.

    Buchausschnitt – Blut des Dämons
    "Julien, das darfst du nicht tun." Diesmal ließ er mich gewähren, als ich die Hand nach ihm ausstreckte. Behutsam legte ich sie an seine Wange. "Du kannst nicht alles aufgeben, was dir bisher etwas bedeutet hat. Nicht nur meinetwegen."
    "Nur deinetwegen, Dawn!" Sein Mund verzog sich zu einem kurzen Moment in einem Anflug von trauriger Amüsiertheit. " Die Fürsten, unsere Gesetze, das Blut .... das alles bedeutet mir nichts. Du aber schon." Er wandte den Kopf ein klein wenig und küsste meine Handfläche. .... Wenn unsere Liebe ein Traum ist, weck mich niemals auf. Das hatte er im Bohemien zu mir gesagt, als er dort kurz vor Halloween auf der Geige für mich gespielt hatte. Er war sogar noch weiter gegangen: Er hatte gesagt, ich sei dieser Traum.

    Doch das Blut der Vorfahren schlägt bei Dawn nicht an. Die Zeit wird knapp. Julien und Dawn beschließen, trotz der Gefahr, miteinander zu schlafen.

    Buchausschnitt -Blut des Dämons
    Seine Stimme kippt. "Es ist nun mal so. Wir beißen, wenn wir mit jemandem schlafen. Ich kann es nicht kontrollieren. Ich kann einfach nicht."
    Julien flieht vor Scham und Dawn verwandelt sich in einem qualvollen Prozess zur Vampirin. Ihr erstes Opfer ist Julien. In einer regelrechten Blutorgie holt sie ihren Freund aber zurück ins Leben. Nun sind die Karten neu gemischt. Julien und Dawn sind für immer symbiotisch vereint, sie können per Telepathie in Verbindung treten und einer lebt vom Blut des anderen – bis dass der Tod sie scheidet, wenn er es denn könnte.

    Lynn Raven erzählt ein triviales, einfallsloses Schauermärchen, in dem die wahre Liebe die oberste Priorität hat. Sie überwindet alles, auch die dunklen Mächte, die, wie kann es anders sein, das Glück der beiden Liebenden bedrohen. Auch hier greift das einfältige Schwarz-Weiß-Schema zwischen Gut und Böse. Zum einen fehlt die innere Glaubwürdigkeit der erdachten Fantasiewelt, zum anderen bleibt kein Raum für eigene Assoziationen, geschweige denn eine Auseinandersetzung mit wahren Konflikten, die Jugendliche in guter Fantasyliteratur durchaus finden können.
    In der Verlagswelt hat sich herumgesprochen, ob für junge oder ältere Leser, das Vampirgenre ist nicht totzukriegen. Momentan wird ein bisschen zu viel gebissen, preisen die Verlage doch die Vampirliteratur als "Boom-Genre mit unabsehbarem Wachtumsende" an, was eher als Drohung zu verstehen ist. Man kann nur hoffen, dass die Welle bald wieder abebbt und einer neuen mit etwas mehr Tiefgang Platz macht.

    Bücherliste:

    Franziska Gehm: Die Vampirschwestern, Bissige Gäste im Anflug, Bd.6, Loewe Verlag, 2010, 185 Seiten, Euro9,90

    Angie Sage: Araminta Spuk - Auf Vampirjagd!, Aus dem Englischen von Herbert und Ulli Günther, dtv, Reihe Hanser, 2010, 192 Seiten, Euro5,95

    P.C. Cast und Kristin Cast: Gezeichnet – House of Night, Aus dem Amerikanischen von Christine Blum, Fischer Jugendbuch, 2010, 464 Seiten, Euro16,95

    Catherine Jinks: Blutsbande - Bekenntnisse einer Vampirin, Aus dem Englischen von Christa Broerman, dtv premium, 2009, 400 Seiten, Euro12,90

    Lynn Raven: Das Blut des Dämons, Ueberreuter Verlag, 2010, 352 Seiten, Euro14,95