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Bizzarer Bachelor

Auch wenn es schwierig ist, Auslandssemester muss sein, sagt Dorothea Rüland, Generalsekretärin des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes. Nun hat der DAAD einen Preis verliehen für die vorbildliche Anerkennung von Studienleistungen im Ausland.

Dorothea Rüland im Gespräch mit Manfred Götzke | 10.12.2010
    Erinnern wir uns noch mal kurz: Wozu wurde noch mal die Bologna-Reform gemacht? Ach ja, genau, um einen einheitlichen europäischen Hochschulraum zu schaffen, um problemlos von einer Uni in Deutschland an eine in Italien zu wechseln – für ein Semester oder für einen ganzen Master-Studiengang. Aber genau das hat sich durch Bologna ja bekanntlich erschwert, und Studienleistungen aus dem Auslandssemester, die werden auch nicht problemlos an der Heimatuni anerkannt, trotz der tollen Credit Points. Weil das alles so ist, hat der DAAD, der Deutsche Akademische Austausch Dienst heute einen Preis verliehen für die vorbildliche Anerkennung von Studienleistungen.

    Manfred Götzke: Darüber möchte ich jetzt mit Dorothea Rüland sprechen, sie ist Generalsekretärin des DAAD. Frau Rüland, dass Studienleistungen aus dem Auslandssemester anerkannt werden, das sollte ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Man könnte den Preis auch als Affront gegen die Bologna-Reformer verstehen.

    Dorothea Rüland: Na, ich würde das mal umgekehrt interpretieren, also sozusagen noch eine zusätzliche Motivation in einen Bereich, wo deutsche Hochschulen noch nicht so gut aufgestellt sind. Wir wissen das aus verschiedenen Studien, dass da noch ein gewisser Handlungsbedarf ist, Hochschulen stärker zu motivieren, die Anerkennung leichter zu machen im Kontext von Auslandsmobilität, und deswegen haben wir uns eben zu diesem Preis entschlossen, aus Mitteln des BMBF.

    Götzke: Sie haben das jetzt sehr diplomatisch ausgedrückt, aber eigentlich ist es doch ein Witz, dass nach Bologna es schwieriger ist, ins Ausland zu gehen und sich Studienleistungen anerkennen zu lassen, oder wie sehen Sie das?

    Rüland: Na, schwieriger würde ich jetzt vielleicht nicht unbedingt sagen, aber Sie müssen ja sehen, der Bologna-Prozess ist, wie der Name sagt, auch tatsächlich ein Prozess. Es sind jetzt inzwischen praktisch flächendeckend die Studiengänge umgestellt worden. Wir sehen auch als Konsequenz, dass die individuelle Mobilität, dass jemand mal sagt, ich möchte jetzt einfach mal für ein Jahr ins Ausland gehen, sich da nicht mehr wirklich gut einbauen lässt. Während der Umstellung mussten ganz klar Mobilitätsfenster identifiziert werden, also Zeiträume, in denen Mobilität möglich ist. Und da das Ganze Studium sehr viel stärker durchstrukturiert ist, ändert sich auch die Mobilität. Auch die Mobilität muss mehr strukturiert werden, als das vorher der Fall war. Und das dauert natürlich auch eine gewisse Zeit, bis sich das an allen Hochschulen eingespielt hat.

    Götzke: Grundsätzlich hat sich die Mobilität ja verschlechtert, das kann man ja wirklich so sagen, das war ja auch ein großes Thema bei den Studienprotesten. Müssen die Bachelor-/Master-Studiengänge jetzt noch mal umgebaut werden?

    Rüland: Also viele Hochschulen machen das, ich selber bin ja auch bis vor Kurzem an einer großen Universität gewesen. Die Bachelor-Studiengänge werden zum Teil noch mal durchgeschaut, man schaut, sind die Module eventuell zu starr, sind die Studiengänge überfrachtet, und man stellt auch – auch weil das von den Studierenden sehr stark gefordert wird – die Frage, in welchen Zeitabschnitten ist es möglich, ins Ausland zu gehen. Aber der entscheidende Punkt ist, weil eben der Bachelor eine relativ kurze Zeit umfasst, müssen die Hochschulen zu ganz anderen Formen der Mobilität kommen.

    Götzke: Welche wären das?

    Rüland: Nicht mehr individuell, der Einzelne sagt von sich aus, ich geh da hin, und ob das jetzt ein Jahr mehr oder weniger ist, spielt jetzt gar keine so furchtbar große Rolle, sondern da sind die Hochschulen heute ganz massiv gefordert – das haben die Preisträger auch sehr schön deutlich gemacht –, man muss strukturierte Mobilität einführen, zum Beispiel durch Partnerschaftsprogramme bis hin zu ganz komplexen Programmen. Wir haben eins mit Double Degrees – Doppel-Bachelor, Doppel-Master –, was natürlich schwierig ist. Da müssen immer Systeme zur Deckung gebracht werden, damit dann auch garantiert ist, dass die Studierenden im Ausland auch tatsächlich das studieren, was sie sozusagen für die Anerkennung in ihrer deutschen Hochschule oder Universität brauchen.

    Götzke: Kommen wir mal auf die Preisträger zu sprechen, das sind drei: einmal der Bachelor-Studiengang "Environmental and Resource Management" der TU Cottbus, die gesamte Hochschule Bremen und der Master "Affaires Européennes" an der FU Berlin. Lassen Sie uns mal über die Hochschule Bremen sprechen, was machen die besonders gut?

    Rüland: Also die haben heute praktisch jeden ihrer Studiengänge ganz stark internationalisiert und haben dazu ein Netz von 300 Kooperationen weltweit, bis hin in ganz exotische Regionen, und schicken jedes Jahr 600 ihrer Studierenden ins Ausland, und zwar hand-picked, also wirklich, der Einzelne wird genau platziert in einem Studiengang in Malaysia oder in Indien oder wo auch immer, deswegen gibt es diese vielen Partnerschaften. Und nach Bremen selber kommen aus den Kooperationen noch nicht ganz so viele, aber immerhin auch 300 Ausländer. Also da gibt es ein ganz gut strukturiertes Verfahren, das wird den Studierenden sehr geholfen, und das macht auch einen Punkt deutlich, der sehr zur Sprache kam, das fordert auch personelle Ressourcen.

    Götzke: Aber wenn wir das noch mal zusammenfassen, wenn Auslandssemester noch funktionieren kann im Bachelor-/Master-System, dann durch ein vorgesehenes Auslandssemester, das schon im Studienplan drinsteckt.

    Rüland: Das muss nicht unbedingt sein, das kann der Einzelne auch über sein akademisches Auslandsamt und die Partnerschaften, die er hat, versuchen selbst einzubauen, es muss nicht integriert sein. Aber es macht es natürlich sehr viel leichter für die Studierenden, wenn es integriert ist.

    Götzke: Würden Sie einem Bachelor-Studenten, der mit Ach und Krach alle Credit Points an der Heim-Uni zusammenbekommt, heute noch empfehlen, ins Ausland zu gehen?

    Rüland: Unbedingt! Also ich denke, Auslandserfahrung ist ein so ungeheurer Mehrwert, aus vielen Gründen. Also erstens macht es mal Spaß, zweitens lernen sie oder verbessern sie noch mal eine Sprache, sie lernen ein anderes Land, ein anderes System kennen, und was ich fast noch am wichtigsten finde – ich selber habe auch zwölf Jahre im Ausland gelebt, in den unterschiedlichsten Regionen: Man lernt wahnsinnig viel über sich selber, weil man natürlich auch ganz anders infrage gestellt wird, als das zu Hause normalerweise der Fall ist. Und unsere Wirtschaft ist nun sehr stark international vernetzt, ich denke, da lohnt sich das auf jeden Fall.

    Götzke: Auch wenn es schwierig ist, Auslandssemester muss sein, sagt Dorothea Rüland, Generalsekretärin des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes.