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Böses Omen aus dem hohen Norden

Forschungspolitik. - Innovationen müssen her, will Deutschland nicht den internationalen Anschluss verpassen. Deshalb erklärte Bundeskanzler Schröder Bildung und Forschung für das Wahlkampfjahr 2004 kurzerhand zur Chefsache. Auf der Suche nach neuen Ideen könnte dabei der Blick in den hohen Norden lohnen, denn in Finnland entwickelten Experten ein "Technologiebarometer", das die wissenschaftliche und technologische Leistungsfähigkeit einer Nation bewertet. Demnach aber stehen für Deutschland die Karten ziemlich schlecht.

Von Sönke Gäthke |
    Viele Faktoren müssen zusammenspielen, damit ein Land innovationsfreudig sein kann. Angefangen bei einer guten Schulbildung über gute Universitäten, Forschungsförderung, soziale Sicherheit bis hin zur Risikofreude von Geldgebern. Diese Faktoren in Werte zu fassen, so dass sie einen Rahmen bilden, der eine Geschichte erzählt, das war das Ziel von Mika Naumanen vom Technischen Forschungszentrum Finnlands, kurz VTT. Eine Geschichte, aus der sich ablesen lässt, wie stark die Forschung und die Umsetzung der Forschung in einem Land im Vergleich zu anderen sind. Die Werte hierfür hat Mika Naumanen nicht völlig neu erhoben, sondern aus bereits veröffentlichten Statistiken wie Eurostat zusammengetragen. Doch bevor die finnischen Ingenieure sich auf die Suche nach aussagekräftigen Werten machen konnten über den Stand der Technischen Entwicklung eines Landes, mussten sie erste einmal ergründen, welche das sind. Weil der Stand der Technik sich an der Wirtschaft eines Landes am besten ablesen lässt, zogen die Techniker mehrere Wirtschafts-Theorien heran. Sie kamen zu dem Schluss, dass ein solches Zahlenwerk Daten beinhalten müsste, die sich aus drei aufeinander aufbauenden Wirtschaftsmodellen ergeben:

    Unter dem Titel Informations-Gesellschaft haben wir untersucht, wie eine Gesellschaft ihr Human-Kapital verbessert.
    Drei Indikatoren geben darüber Aufschluss: Der Erfolg bei der Schulbildung, gemessen an der Pisa-Studie; der Wissenstand der Erwachsenen und ihre Bereitschaft, lebenslang zu lernen und schließlich die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, sowohl vom Staat als auch von Firmen. Die drei nächsten Indikatoren tragen dem Konzept der Wissens-Gesellschaft Rechnung.

    Das ist ein Konzept, bei dem wir untersuchen, was diese Investitionen einbringen.

    Universitätsabschlüsse und die Qualität von Forschung, gemessen an der Häufigkeit zitierter wissenschaftlicher Veröffentlichungen spielen hierbei die Hauptrolle. Andere Indikatoren sind zum Beispiel die Anwendung von Informationstechnik.

    Als drittes kam die "Wissen-schafft-Werte Gesellschaft". Da wollten wir wissen, wie die Technik Kreativität freisetzt und zu Innovationen beflügelt oder inwieweit eine Gesellschaft bereit ist, sich zu ändern.

    Das maßen die Ingenieure an den Unternehmern, die sich mit neuen Techniken auf den Markt wagten, ebenso an der Bereitschaft kleinerer Firmen, neue Techniken und Produktionsweisen zu übernehmen. Der vierte Bereich zur Beurteilung der technischen Entwicklung eines Landes stammt weniger aus der Wirtschaft: Die finnischen Techniker zogen ebenfalls in Betracht, wie es um die Umwelt in den Ländern bestellt sei. Insgesamt 89 Statistiken aus acht Ländern - Holland, Dänemark, Schweden, Finnland, Groß-Britannien, den USA, Japan und Deutschland - werteten die Ingenieure aus und erstellten daraus das Technik-Barometer.

    Das Barometer erzählte uns tatsächlich eine Geschichte, eine überraschende für uns. Während Finnland und Japan bei dem Vergleich der Indikatoren für die Informationsgesellschaft am besten abschnitten, änderte sich das Bild bei der "Wissen-schafft-Werte Gesellschaft". Dort waren es Dänemark, Holland und die USA - genau die drei Nationen, die das höchste Bruttosozialprodukt pro Kopf haben.

    Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende: Denn um wirklich bewerten zu können, wohin ein Land geht, reichen Statistiken nicht aus, glaubt Mika Naumanen. Er will daher auch noch Umfragen heranziehen, aus denen die Meinung bestimmter Bevölkerungsgruppen über die Entwicklung des eigenen Landes hervorgeht. Dieser Teil liegt erst für Finnland vor. Allerdings geht eines aus diesem Technik-Barometer schon jetzt hervor: von den acht untersuchten Ländern ist Deutschland in jeder Hinsicht unterdurchschnittlich. Es gibt kaum ein untersuchtes Gebiet, auf dem nicht deutliche Verbesserungen möglich wären. Besonders schlecht schnitt Deutschland auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikations-Techniken ab sowie - gemeinsam mit Japan - bei der Zahl der Neugründungen von Unternehmen.
    Um einen Überblick über die Entwicklung und die erreichten Verbesserungen zu gewinnen, plant der finnische Ingenieur, die Untersuchung gegen Ende jeden Jahres zu wiederholen.