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Bollywood statt Hollywood

In diesem Jahr entschied sich die "Academy" in Hollywood nicht einfach für das Hausgemachte. Gold gab es für das Authentische. Ungläubig schaut ganz Indien auf sein achtfaches Oscar-Glück für "Slumdog Millionär". Nur ein einziger deutscher Film wurde mit einem Oscar prämiert: Alexander Freydanks "Spielzeugland".

Von Josef Schnelle |
    Am Ende füllten alle Gewinner überglücklich die Bühne. Sämtliche an den Wettbörsen vorne liegenden Filme und Darsteller gewannen ihre Preise. Die anderen Nominierten wurden – eine Neuerung – vor der Verkündigung der Sieger ebenfalls ausführlich gelobt. Spektakuläre politische Auftritte bleiben aus und der Schauwert der gesamten Veranstaltung hielt sich in Grenzen. Einige der Superstars schritten nicht einmal über den roten Teppich ins Kodak-Center am Hollywood-Boulevard, sondern nahmen zum Ärger der Photografen lieber den Hintereingang.

    Streckenweise versprühte das größte Weltereignis der Kinocommunity den spröden Charme einer Verleihung des Münchener Filmpreises unter Anwesenheit der Bussi-Bussi-Gesellschaft. Historisch bedeutsam wird diese 81. Oscar-Verleihung wohl nicht genannt werden können, doch wer genau hinsah, konnte leise das Gras wachsen sehen, aus dem die Zukunft des Weltfilmmetropole heranwächst. Besonders gut war das an dem große Gewinner des Abends "Slumdog Millionär" zu sehen. Regisseur Danny Boyle nahm als Regisseur den siebten von acht Oscars für den Film mit einer Huldigung an die indische Millionenmetropole Mumbai an.

    "Unendlich, untrennbar, ungeboren" so zitierte er die Mumbai-Definition des Bollywood-Lyrikers Gulzar und bedankte sich neben den Unterstützern auch bei den indischen Gegnern seines Filmprojekts, die er jedoch als Kleingeister kleiner als die Oscar-Statuette befand. "Slumdog Millionär" war schon bei den Dreharbeiten in der indischen Filmmetropole von den politischen Institutionen erbittert bekämpft worden. Heute aber wird der Oscar für Danny Boyle als Sieg für Indien landauf landab gefeiert. Die Geschichte eines Jungen aus den Slums, der in der indischen Version der TV-Show "Wer wird Millionär" gewinnt, kreuzt die Erfolgsrezepte von Hollywood mit denen des indischen Bollywood und ist insofern wohl wegweisend.

    Die Hollywood-Filmindustrie ist ein Allesfresser. Vor ein paar Jahren hatte man die asiatischen Kampfkünste in den Mainstream integriert, davor die Talente aus Australien wie Nicole Kidman und Mel Gibson. Jetzt also Indien. In solchen Zeiten hatte das David Finchers krauses Gedankenexperiment "Der seltsame Fall des Benjamin Button" kaum eine Chance. Verglichen mit "Slumdog Millionär" war der Film auch eine normale hochpreisige Produktion, die man sich in Zukunft in Hollywood mangels Bankkrediten auch nicht mehr so einfach leisten kann.

    Umso vielversprechender also der Blick auf eine kleine Produktion, die schneller in die Gewinnzone kommt. Die neue Bescheidenheit der Filmmetropole äußerste sich auch in den überaus freundlichen Dankesreden. Das steckte sogar Sean Penn. Er begrüsste das Publikum noch mit: "Danke ihr kommunistischen Schwulenfreunde." Das hatte er auf Schildern von Demonstranten vor dem Kodak-Theatre lesen müssen, die gegen seinen Film "Milk" protestierten, dann entschuldigte er sich aber brav beim Publikum im Saal dafür, dass er es immer allen so schwer mache, die ihm Anerkennung und Respekt zollen wollen.

    Sean Penn war wirklich der verdiente Sieger in dieser Kategorie und setzte sich als schwuler Bürgerrechtler Harvey Milk in Gus van Sants Film gegen Mickey Rourke in seinem Wrestler-Melodrama durch. Penn rang sich sogar zu einer Liebeserklärung an sein Land durch, das einen Präsidenten wie Barak Obama gewählt habe. Auch der Rest der Preise stand nicht für Überraschungen. Kate Winslet ist beste Darstellerin und Heath Ledger wurde posthum geehrt für seine Rolel als Joker in dem Batman Film "Der dunkle Ritter".

    Uli Edels "Der Baader-Meinhof-Komplex" ging wie erwartet leer aus, aber auch der haushohe Favorit aus Israel "Walz with Bashir", eine deutsche Koproduktion wurde übergangen. Stattdessen gilt nun der japanische Film "Okuribito" bis auf weiteres als bester nicht-englischsprachiger. Wenigstens eine Überraschung, wenn auch eine geheimnisvolle, denn über den Film ist außer seinem Erfolg in Japan bislang nichts in Erfahrung zu bringen.