Vor einem kleinen Theater habe ich bei einem zufälligen Spaziergang eine Anzeige gelesen. Heute wird gespielt "Draußen vor der Tür" von dem deutschen Schriftsteller Wolfgang Borchert. Ich habe dann das ganze Stück erlebt. Das war herrlich. Das war für das ganze Publikum erregend.
So sagte es mir an den Wassern von Babylon der Germanistik Student XY, dessen Namen ich immer noch nicht preisgeben darf. Er sprach zu mir über die Wolfgang Borchert, über den er seine Magisterarbeit geschrieben und über den er seine Doktorarbeit schreiben möchte – wenn, ja wenn der Krieg zu Ende sein wird. Wir saßen da mit einem anderen Studenten, der wiederum Böll Kurzgeschichten übersetzt hatte, bei einem subversiven Treff beisammen. Subversiv – ja, denn ich musste als Journalist, als der ich in Bagdad war, immer meinen Minder abschütteln, also den Aufpasser, den ich für 50 US Dollar am Tag immer neben mir haben musste.
Emad, nennen wir ihn so, sagte mir über das, was ihm dieser junge, lungenkranke schon 1947 gestorbene Wolfgang Borchert bedeutete:
Borchert hat direkt beschrieben, was wir leiden. Was wir sagen wollen. Wie ist der Mensch im Krieg. Damals waren wir in der Nachkriegszeit." (Das bedeutet: damals war der furchtbare achtjährige Krieg, den Saddam Hussein gegen das Bruderland, den Iran vom Zaun gebrochen hatte, zu Ende. Man konnte gerade mal aufatmen. Die Jungen mussten nicht mehr als Kanonenfutter an die Front.) Er hat alles präzis beschrieben. Manchmal habe ich mir gesagt: Wolfgang Borchert ist ein Iraker. Als ob er mit uns wäre, als er das geschrieben hatte.
Die deutsche Literatur hat mal eine Rolle im Irak gespielt, und die Studenten und Dozenten der Deutsch-Abteilung im College of Languages in Waziriya sind voller Inbrunst, wenn sie von den Zeiten sprechen, in denen sie noch gute Kontakte nach Deutschland und zum DAAD, zum deutschen Akademischen Austauschdienst hatten. Lange Zeit gab es ein Goethe Institut, bis 1989 sogar deren zwei. Denn die DDR, im Irak auch vertreten, hatte auch eines im Irak. Als ich auch nur andeute, dass es doch jetzt noch wenigstens ein Institut Francais in Bagdad gäbe, da schütteln meine Deutsch-Studenten heftig den Kopf. Ein deutsches Institut hier zu haben, wäre viel wichtiger.
Ich habe den Weg zu einem der Professoren der Deutsch-Abteilung an der Uni, wieder ohne Minder, geschafft. Zunächst sprachen wir voller Sorge, Angst und Ernst; ob der Krieg noch zu vermeiden wäre. Dann zeigte er mir die mageren Bestände der Bibliothek. Die neuere deutsche Literatur ist gar nicht vertreten, man muss sie mitbringen. Ich versprach den beiden zweierlei. Ich werde Ihnen die "Briefe aus dem Krieg 1939 bis 1945" von Heinrich Böll mitbringen und auch die ersten Bände der Gesammelten Werke. Wie als Versprechen auf die Zukunft liegen die auch schon im Koffer, fast 50 Kilo das alles. Dann bat mich Emad, einen Brief an Günter Grass mitzunehmen. Er wollte "Im Krebsgang" von Günter Grass, die Wilhelm Gustloff Novelle, ins Arabische übersetzen. Ich habe den Brief an Grass weitergegeben.
Wie stark die deutsche Literatur in Bagdad wirkt und wie gut es gewesen wäre, der ein und andere Schriftsteller, die früher immer zu längeren Besuchen auf Einladungen der Staaten sich in vielen Ländern aufhielten, hätte den Weg nach Bagdad gefunden. Er hätte ein Literatur-süchtiges Publikum gefunden. Nur Konstantin Wecker hatte den Weg nach Bagdad gefunden und mit seinen Liedern und seinem Mut Eindruck gemacht.
Emad – der Abend ist schon angebrochen, statt der Raketen, die auch an diesem Abend und in der folgenden Nacht explodieren, hatten wir noch den Sternenhimmel. Nach Goethe, Erich Maria Remarque kamen wir auf Heinrich Heine, da fing Emad an innerlich zu jubilieren:
Ich habe Heinrich Heine wirklich kennen gelernt. Ich kann ihn sehen, ihn spüren, ihn hören. Die Jahre, Monate, die Zeit zwischen uns sind nichts im Vergleich zu der echten Freundschaft. Ich habe von ihm neulich zwölf Gedichte ins Arabische übersetzt und darunter war die Loreley und ich bin der erste Araber, der dieses Gedicht ins Arabische übersetzt hat.
Dann erzählt er stolz von einem Gedicht, das ihm, dem arabischen Iraker aus der Gegend von Basra, so besonders nahe ans Herz geht: der Asra. Und wie wir miteinander sprechen, habe ich das Gefühl, Emad berichtet über die Zukunft, auch des Krieges:
Der Asra ist ein arabischer Volksstamm. Die meisten sterben am Ende. Das Gedicht ist von einem Sklaven, der eine Prinzessin liebt. Er sieht sie täglich. Er wird blasser, und blasser. Wer bist Du? Wie heißt Du? Mohammed ist mein Name Ich bin aus Yemmen, Und mein Stamm sind jene Asra, welche sterben, wenn sie lieben.
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So sagte es mir an den Wassern von Babylon der Germanistik Student XY, dessen Namen ich immer noch nicht preisgeben darf. Er sprach zu mir über die Wolfgang Borchert, über den er seine Magisterarbeit geschrieben und über den er seine Doktorarbeit schreiben möchte – wenn, ja wenn der Krieg zu Ende sein wird. Wir saßen da mit einem anderen Studenten, der wiederum Böll Kurzgeschichten übersetzt hatte, bei einem subversiven Treff beisammen. Subversiv – ja, denn ich musste als Journalist, als der ich in Bagdad war, immer meinen Minder abschütteln, also den Aufpasser, den ich für 50 US Dollar am Tag immer neben mir haben musste.
Emad, nennen wir ihn so, sagte mir über das, was ihm dieser junge, lungenkranke schon 1947 gestorbene Wolfgang Borchert bedeutete:
Borchert hat direkt beschrieben, was wir leiden. Was wir sagen wollen. Wie ist der Mensch im Krieg. Damals waren wir in der Nachkriegszeit." (Das bedeutet: damals war der furchtbare achtjährige Krieg, den Saddam Hussein gegen das Bruderland, den Iran vom Zaun gebrochen hatte, zu Ende. Man konnte gerade mal aufatmen. Die Jungen mussten nicht mehr als Kanonenfutter an die Front.) Er hat alles präzis beschrieben. Manchmal habe ich mir gesagt: Wolfgang Borchert ist ein Iraker. Als ob er mit uns wäre, als er das geschrieben hatte.
Die deutsche Literatur hat mal eine Rolle im Irak gespielt, und die Studenten und Dozenten der Deutsch-Abteilung im College of Languages in Waziriya sind voller Inbrunst, wenn sie von den Zeiten sprechen, in denen sie noch gute Kontakte nach Deutschland und zum DAAD, zum deutschen Akademischen Austauschdienst hatten. Lange Zeit gab es ein Goethe Institut, bis 1989 sogar deren zwei. Denn die DDR, im Irak auch vertreten, hatte auch eines im Irak. Als ich auch nur andeute, dass es doch jetzt noch wenigstens ein Institut Francais in Bagdad gäbe, da schütteln meine Deutsch-Studenten heftig den Kopf. Ein deutsches Institut hier zu haben, wäre viel wichtiger.
Ich habe den Weg zu einem der Professoren der Deutsch-Abteilung an der Uni, wieder ohne Minder, geschafft. Zunächst sprachen wir voller Sorge, Angst und Ernst; ob der Krieg noch zu vermeiden wäre. Dann zeigte er mir die mageren Bestände der Bibliothek. Die neuere deutsche Literatur ist gar nicht vertreten, man muss sie mitbringen. Ich versprach den beiden zweierlei. Ich werde Ihnen die "Briefe aus dem Krieg 1939 bis 1945" von Heinrich Böll mitbringen und auch die ersten Bände der Gesammelten Werke. Wie als Versprechen auf die Zukunft liegen die auch schon im Koffer, fast 50 Kilo das alles. Dann bat mich Emad, einen Brief an Günter Grass mitzunehmen. Er wollte "Im Krebsgang" von Günter Grass, die Wilhelm Gustloff Novelle, ins Arabische übersetzen. Ich habe den Brief an Grass weitergegeben.
Wie stark die deutsche Literatur in Bagdad wirkt und wie gut es gewesen wäre, der ein und andere Schriftsteller, die früher immer zu längeren Besuchen auf Einladungen der Staaten sich in vielen Ländern aufhielten, hätte den Weg nach Bagdad gefunden. Er hätte ein Literatur-süchtiges Publikum gefunden. Nur Konstantin Wecker hatte den Weg nach Bagdad gefunden und mit seinen Liedern und seinem Mut Eindruck gemacht.
Emad – der Abend ist schon angebrochen, statt der Raketen, die auch an diesem Abend und in der folgenden Nacht explodieren, hatten wir noch den Sternenhimmel. Nach Goethe, Erich Maria Remarque kamen wir auf Heinrich Heine, da fing Emad an innerlich zu jubilieren:
Ich habe Heinrich Heine wirklich kennen gelernt. Ich kann ihn sehen, ihn spüren, ihn hören. Die Jahre, Monate, die Zeit zwischen uns sind nichts im Vergleich zu der echten Freundschaft. Ich habe von ihm neulich zwölf Gedichte ins Arabische übersetzt und darunter war die Loreley und ich bin der erste Araber, der dieses Gedicht ins Arabische übersetzt hat.
Dann erzählt er stolz von einem Gedicht, das ihm, dem arabischen Iraker aus der Gegend von Basra, so besonders nahe ans Herz geht: der Asra. Und wie wir miteinander sprechen, habe ich das Gefühl, Emad berichtet über die Zukunft, auch des Krieges:
Der Asra ist ein arabischer Volksstamm. Die meisten sterben am Ende. Das Gedicht ist von einem Sklaven, der eine Prinzessin liebt. Er sieht sie täglich. Er wird blasser, und blasser. Wer bist Du? Wie heißt Du? Mohammed ist mein Name Ich bin aus Yemmen, Und mein Stamm sind jene Asra, welche sterben, wenn sie lieben.
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