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Born to be wild in Luxemburg

Wer revoltiert, braucht naturgemäß ein Anderes, ein Gegenüber. Wenn aber alle die Zunge rausstrecken - wie es mal ein Logo der Rolling Stones auf Jeansjacken war - wer ist dann noch anders? Das Historische Museum der Stadt Luxemburg zeigt und fragt deswegen "Born to be wild?"

Von Tonia Koch |
    Ein schwingender Petticoat und eine sorgfältig gebundene Krawatte. Zwei brav wirkende Zeitgenossen aus den 1950er-Jahren, in Lebensgröße und aufgezogen auf Pappmaschee begrüßen die Besucher. Größer könnte der Kontrast zum Titel der Ausstellung "Born to be wild?" kaum sein. Überdies ist der Titel mit einem Fragezeichen versehen und das bewusst, sagt einer der beiden Kuratoren, Guy Thewes.
    "Weil, es wird auch viel Kommerz mit der Jugend gemacht. Deshalb zwischen Rebellion und Anpassung, weil der Jugendliche passt sich auch an die Gesellschaft an."

    Und so weist denn nicht Dennis Hopper und auch nicht Peter Fonda, sondern Winnetou, alias Pierre Brice den Weg in den ersten Themenkomplex der Ausstellung: Die Jugend unter dem Blick der anderen. Welche Musik haben Teenager in welcher Epoche gehört? Wo haben sich die 15- bis 25-Jährigen getroffen? Und, ganz wichtig aus der Sicht der anderen: Welche modischen Akzente haben sie gesetzt? Das zu dokumentieren, greifen die beiden Kuratoren auf einschlägige Hitlisten und auf Bilder und Poster aus der Bravo zurück. Die deutsche Jugendzeitschrift sei über Jahrzehnte für die Luxemburger Jugend prägend gewesen, sagt Thewes.

    "Bravo war eine Zeitung, die nicht avantgardistisch war, sondern immer sehr nah am Trend dran."

    Zum Beispiel in der Mode. Aufgereiht auf einem etwas überdimensionierten Kleiderständer hängen 60 Jahre Modeempfehlung des Magazins. 1968 wirbt Twiggy, die britische Modeikone ihrer Zeit, für federleichte und pflegeleichte Minikleider. Wer im Trend sein wollte, musste bereits damals mindestens 59 Mark dafür ausgeben. Ein Hinweis darauf, welch ökonomisches Potenzial zu jeder Zeit hinter den Teenagern steckt, die für äußere Zeichen der Zugehörigkeit bereit sind, viel zu investieren. Vorbei an Plakatwänden mit längst vergessener Jugendsprache, gelangt der Besucher in den Bereich, der mit dem Begriff "Selbstfindung" überschrieben ist. Es geht um das Erwachsenwerden, um Sexualität. Fabrizio Ceccarelli.

    "Den zweiten Bereich von der Entdeckung der Sexualität haben wir in rosa gehalten ... "

    Dr. Sommer, dem Aufklärer aus der Bravo, widmen die Kuratoren einen eigenen, in rosa getauchten Raum, weil er für ganze Generationen deutschsprachiger Jugendlicher in Sachen Sexualität die wichtigste Informationsquelle gewesen sei. Ganz und gar nicht rosa schließt sich daran eine kleine Sammlung von Fotografien an. Sie zeigen aufgeritzte blutende Arme, übermäßigen Alkoholgenuss, dicke Kinder, verwahrloste Wohnungen. Krisen, die junge Menschen auf dem Weg zum Erwachsen werden mitunter durchleben. Guy Thewes.

    "Es ist eine Labyrinth, eine Ausstellung in der Ausstellung ... ."

    Der Dritte Teil von "Born to be wild" ist jugendlichem Protest gewidmet. Fabrizio Ceccarelli.

    "Hier sind wir im Protestraum, hier zeigen wir Filme ... "

    An den Filmsequenzen lässt sich eine Besonderheit der Luxemburger Jugendszene ablesen. Proteste werden überwiegend von Schülern getragen, da das Land lange über keine universitären Strukturen verfügte. Und Protest, sofern er auf breiter Basis organisiert wird, ist vielfach grün. Gerichtet gegen atomare Pläne der eigenen Regierung und der französischen Nachbarn, die Ende der 70er-Jahre direkt an die Grenze mit dem Bau von Cattenom, dem größten französischen Kernkraftwerk begonnen hatten.

    "Die auf ein regional interessiertes Publikum zugeschnittene Ausstellung über 60 Jahre Jugendkultur setzt ihren Schlusspunkt in einer Disco. In der in den 70er-Jahren die luxemburgische Rock-Gruppe "We feel" für Stimmung sorgte."