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Boy & Bear
Sonnige Melodien und keine Perfektion

Boy & Bear ist eine australische Folk-Rock-Band, die trotz 170 Auftritten im letzten Jahr nun ihr drittes Album "Limit Of Love" veröffentlicht. Aufgenommen haben sie die Lieder diesmal mit analoger Technik - live auf Band. Um Perfektion ging es dabei nicht.

Von Anke Behlert | 17.10.2015
    Ein Mikrofon für alle, eine Bandmaschine, fertig - so wurden einstmals tatsächlich Platten aufgenommen. Ganz so spartanisch waren die Bedingungen für Boy & Bear zwar nicht, aber sie mussten einige alte Gewohnheiten ablegen. Denn die Songs für ihr drittes Album "Limit of love" haben sie live auf Band aufgenommen, ohne danach noch viel daran herumzudoktern. Dabei passieren trotz aller Live-Erfahrung manchmal auch Fehler, aber der Band ging es nicht um Perfektion, erzählt Schlagzeuger Tim Hart.
    "Wir spielen als Band oft live und lassen auf der Bühne auch keine zusätzlichen Spuren vom Computer laufen. Das Streben nach Perfektion wäre also eher hinderlich. Für uns war es wichtig, diesen speziellen Live-Sound einzufangen und wie eine echte Band zu klingen. Wir wollten, dass die typischen Schwankungen im Tempo und in der Dynamik nicht verloren gehen, und wir sind mit dem Ergebnis mehr als zufrieden."
    Die Umstellung von digitaler zu analoger Aufnahmetechnik war aber nicht die einzige Veränderung. Da sie im vergangenen Jahr ununterbrochen auf Tour waren, hatte Sänger und Songschreiber Dave Hosking nicht genug Zeit, neues Material zu schreiben. Zusammen mit seinen Bandkollegen hat er sich also in ein Haus an der Südküste von New South Wales einquartiert, und alle haben erstmals gemeinsam die Songs entwickelt. Herausgekommen ist ein lässiger Westcoast-Sound, der auch schon auf ihrem letzten Album "Harlequin Dream" Lust auf Strand und Surfen gemacht hat.
    Nicht nur Melodien und Arrangements haben Boy & Bear zusammen erarbeitet. Auch für die Texte hat sich Sänger Hosking Unterstützung geholt, und zwar bei Drummer Tim Hart.
    "Das war das erste Mal, dass Tim und ich von Anfang an gemeinsam an Songs gearbeitet haben. Uns hat das viel Spaß gemacht. Tim hat mich zwar bereits in der Vergangenheit unterstützt, aber diesmal haben wir ganze Stücke zusammen geschrieben. Er arbeitet anders als ich, aber wir wissen mittlerweile, wie wir uns am besten gegenseitig ergänzen können. Das war eine tolle Erfahrung."
    Anders als in den Anfangstagen
    Verzerrte Gitarrenriffs, schimmernde Synthesizer, ein energisch pulsierender Bass - auf "Limit of love" ist vom fußstampfenden Folkrock ihrer Anfangstage nicht mehr viel übrig. Die sonnigen Melodien täuschen über die ernsten Themen der Songs wie Verlust und Zweifel hinweg. Zum Beispiel in dem Stück "Breakdown Slow", in dem Sänger Dave Hosking feststellen muss: "This is what you get for chasing dreams".
    "Musikmachen ist ein Job, bei dem man viele Risiken eingehen muss. Viele Menschen sagen dir, dass du lieber etwas anderes machen solltest. Es geht um diese Stimme in deinem Kopf, die dich daran zweifeln lässt, dass du es schaffen kannst. Der Song 'Where'd You Go' zum Beispiel handelt von der Phase, in der die Leidenschaft, der Spaß und die Spontaneität, sich kreativ auszudrücken und das Reisen zu genießen, von der Realität verdrängt werden. Man fragt sich dann, wohin das alles auf einmal verschwunden ist. 'Breakdown Slow' handelt davon, lange von zu Hause fort zu sein und seine Familie und Freunde nicht sehen zu können."
    Dutzende Aufnahmespuren und vollgepackte Arrangements haben Boy & Bear nicht nötig, um Songs mit Ohrwurmpotenzial zu schreiben. Die Energie der Live-Aufnahme ist bei jedem Stück auf "Limit Of Love" spürbar - das "Zurück zu den Wurzeln"-Experiment ist ihnen geglückt.