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Brandenburg
Herzberg: Eine Stunde bis zur Autobahn

Im Landkreis Elbe-Elster fehlen Industrie und junge Leute. Die Kreisstadt Herzberg kämpft gegen den Bevölkerungsrückgang, doch auf Hilfe aus der Politik hofft Bürgermeister Michael Oecknigk dabei schon längst nicht mehr. Er ist überzeugt: Ohne Anbindung an das Verkehrsnetz bleibt Herzberg abgehängt.

Von Vanja Budde |
    Michael Oecknigk ist Bürgermeister der Kreisstadt Herzberg
    Michael Oecknigk ist Bürgermeister der Kreisstadt Herzberg (Deutschlandradio / Vanja Budde)
    Die historische Innenstadt von Herzberg ist saniert, an einer Ecke des Marktplatzes entsteht gerade ein neues Wohn- und Geschäftshaus. Der Bevölkerungsrückgang ist aktuell gestoppt. Es gibt ein bescheidenes Schwimmbad, einen kleinen Tierpark und ein Planetarium. Doch die Entwicklung der Kreisstadt ist ein harter Kampf, erzählt Bürgermeister Michael Oecknigk.
    "Die nächste Autobahn ist ja entweder in Taucha bei Leipzig oder in Brück hinter Treuenbrietzen. Also egal in welche Richtung, Sie fahren eine Stunde bis zur Autobahn. Wir sind also wirklich am Arm der Welt."
    Zwar liegt Herzberg an der Bundesstraße 87. Diese Straße verband bereits im Mittelalter Frankfurt an der Oder und Leipzig. Doch sie ist nicht zweispurig ausgebaut, klagt der ebenso langjährige wie temperamentvolle Bürgermeister von der CDU.
    "Wo man dann wirklich hinterm Lenkrad schon wütend werden kann, weil der x-te LKW aus Polen vor einem her fährt und man kommt nicht voran und die einheimische Wirtschaft darbt darunter. Und das ist der Nachteil der peripheren Räume und das sieht man in Potsdam nicht ein."
    In der fernen Landeshauptstadt sieht Infrastrukturministerin Kathrin Schneider das schon ein. Aber leider sei es nicht gelungen, den Bund von der dringlichen Notwendigkeit zu überzeugen, die B 87 auszubauen, sagt ihr Sprecher.
    Fehlende Anbindung als Standortnachteil
    Im kleinen Gewerbegebiet von Herzberg plagen sich die Firmen darum weiter mit weiten Wegen zum Kunden. Die Unternehmen können die 300 Jobs nur zum Teil ersetzen, die verloren gingen, als der Sanitärarmaturenhersteller Grohe 2005 dicht machte. Das letzte große Unternehmen von Herzberg und bis dato wichtigster Arbeitgeber.
    "Da kamen viele Handwerksbetriebe aus ganz Deutschland. Dann haben wir uns gemeinsam das Gewerbegebiet angeguckt: Voll erschlossen bieten wir den Quadratmeterpreis im Gewerbegebiet mit 15 Euro an. Und trotzdem haben sie gesagt: Bürgermeister, bist ein netter Kerl, Gewerbegebiet ist schön, grün, ist wunderbar gelegen, toll erschlossen, alle Medien sind da, aber ihr seid zu weit weg vom Schuss."
    Dem zum Trotz hat "Fensterbau Elbe Elster" hier seinen Sitz. Jede Liefertour sei für die Lkw-Flotte mit zwei, drei Stunden mehr Fahrzeit verbunden, erklärt Techniker Sandro Wuerth.

    "Weil, unsere Hauptkunden sitzen eigentlich nicht in dem dünn besiedelten Gebiet, die sind ja dann doch mehr in den Ballungszentren – Berlin, Leipzig, Dresden oder Richtung alte Bundesländer."
    Die schwierige Logistik schlägt auch ins Private durch, berichtet sein Kollege Axel Mutrack.
    "Meine Kinder sind alle beide weggegangen – vor 17 oder 15 Jahren schon. Die leben im Raum Stuttgart und haben da natürlich auch vernünftige Arbeit, vernünftiges Einkommen."
    Axel Mutrack ist in der hypermodernen Produktionshalle von "Fensterbau Elbe Elster" für die Maschinen zuständig. Er hofft, in dem computergesteuerten Zuschnittszentrum ohne Hilfe der Hersteller auszukommen. Die sitzen nämlich in Süddeutschland.
    "Bisher konnten wir uns immer selbst helfen bzw. online, sodass sich die jeweilige Firma in die Maschine reingewählt hat und uns sagen konnte: 'Macht mal das und macht mal jenes'. Aber wenn es dazu kommt, dass ein Monteur gebraucht wird, dann wird’s eng."
    Denn bis der dann aus Baden-Württemberg angereist ist, kann es dauern.
    Die Firma Fensterbau Elbe Elster ist eine der wenigen Unternehmen in Herzberg.
    Die Firma Fensterbau Elbe Elster ist eine der wenigen Unternehmen in Herzberg. (Deutschlandradio / Vanja Budde)
    Verbindung zur Welt durchs Internet
    Immerhin gibt es neuerdings nicht nur im Gewerbegebiet schnelles Internet: Seit einem halben Jahr wird überall in der Stadt und auch auf den umliegenden Dörfern Glasfaser verlegt. In der kleinen Stadtbibliothek gibt es jetzt sechs Computerarbeitsplätze, erzählt Leiterin Annette Arndt stolz.
    Bibliotheksleiterin Annette Arndt in Herzberg in Brandeburg steht stolz neben einer Tafel, die ein Bibnet (Netzwerk) für die örtliche Bücherei announciert.
    Bibliotheksleiterin Annette Arndt in Herzberg (Deutschlandradio / Vanja Budde)
    Dafür musste Herzberg allerdings die örtliche Sparkasse anbetteln: Die half mit einer Spende, nachdem der Bürgermeister in Potsdam erfolglos um Förderung nachgesucht hatte. Seitdem gibt es hier schicke Medien-Möbel, moderne Regale und eine Wohlfühlecke mit Mangas.
    Inka Schild von der Elsterland-Grundschule ist heute mit einer Gruppe Hortkindern in der Bibliothek, um Recherchieren zu üben. Flottes Internet sei für Schulkinder auch in diesem abgelegenen Landkreis unverzichtbar, sagt sie.
    "Miteinander zu kommunizieren, Hausaufgaben auszutauschen, selbst die Lehrer geben heutzutage am Gymnasium Hausaufgaben über E-Mail und WhatsApp auf."

    Es kämen aber auch Bürger, die zu Hause kein Internet haben, weil sie sich den Anschluss nicht leisten können, erzählt Bibliotheks-Leiterin Annette Arndt.

    "Dafür sind ja Bibliotheken da. Das ist ja immer noch Bildung für alle. Die nutzen das auch für Bewerbungen, um die Sachen hier auszudrucken, um im Internet was zu recherchieren oder was zu kaufen oder Sonstiges."
    Bürgermeister Michael Oecknigk zeigt Hortkindern aus Herzberg die Bibliothek
    Bürgermeister Michael Oecknigk zeigt Hortkindern aus Herzberg die Bibliothek (Deutschlandradio / Vanja Budde)
    Medizinische Versorgung für die umliegenden Dörfer
    Wieder draußen auf der Straße zeigt Bürgermeister Michael Oecknigk noch das neue Medizinische Zentrum mit mehreren Praxen. Damit die alten Leute in den Dörfern nicht für jeden einzelnen Arztbesuch mühsam mit dem Bus anreisen müssen. Oder gar nach Berlin fahren, mit einem Zug, der nur alle zwei Stunden in Herzberg hält.
    "Wenn die Bedingungen im Verkehr besser wären, ich glaube, dann würden wir Bevölkerungszuwachs haben, dann würden sich Kräfte im Land anders verteilen. Wir hätten klügere Köpfe auch vor Ort und die Unternehmen könnten auch davon partizipieren, es wäre also alles rund. Man kann nur alles richtig machen, indem man in den peripheren Räumen Brandenburgs endlich Hand anlegt und was Vernünftiges macht."