Archiv


Brandenburgische Kleinstadt legt Plan gegen Feinstaubbelastung vor

Zu den Städten, in denen die Grenzwerte für Feinstaub regelmäßig überschritten werden, gehört auch die Neuruppin in Brandenburg. Die Stadt zeichnet sich allerdings gegenüber anderen Orten auch dadurch aus, dass sie zusammen mit dem Brandenburger Umweltministerium einen Plan entwickelt hat, um Staub sowie gleichzeitig den Verkehrslärm in den Griff zu bekommen.

Von Maren Schibilsky |
    Beschaulich sitzt Theodor Fontane auf einer Bank. Mit Hut, Stock und Wanderbeutel. Als lebensgroße Skulptur. Doch um ihn herum ist Staub und Lärm. Der große märkische Dichter sitzt an einer der meist befahrenen Kreuzungen von Neuruppin. Zehntausende PKW und LKW kommen tagtäglich an ihm vorbei. Passanten, die neben der Skulptur auf Parkbänken Ruhe suchen, finden keine mehr, von Abgasen eingenebelt.

    "Es könnte vielleicht ein bisschen ruhiger sein. Die Straßen sind so belastet durch den Verkehr. Es wirbelt Staub auf. Durch den zunehmenden Verkehr ist es schlechter geworden. Man ist es gewohnt, man nimmt es nicht mehr genau wahr. "

    Neuruppin ist eine von 35 Städten in Brandenburg, die den von der Europäischen Union vorgegebenen Feinstaub-Grenzwert überschreitet. Zwar immer noch deutlich weniger als Großstädte wie Berlin oder München. Doch immerhin klettern die Messwerte 35 Mal im Jahr über 50 Mikrogramm Staub pro Kubikmeter Luft . Die Stadtväter haben das kommen sehen. Traugott Messow ist Stadtplaner in Neuruppin:

    "Es ist eine Bundesstraße, die bei uns hier von der Autobahn abgeht, wo wir einen verstärkten Lastwagenverkehr feststellen können. Dann haben wir eine andere Problematik, dass eine Landesstraße über einen Seedamm mündend in der Innenstadt landet und den Verkehr durch die Innenstadt verteilt und die Innenstadtbelastung dadurch unnütz erhöht. "

    Hinzu kommen neuerdings "Mautflüchter". LKW, die, um der Autobahnmaut zu entkommen, sich auf Schleichwegen durch die Stadt quälen.

    Trauriges Ergebnis: An einigen Straßenecken sind Häuser regelrecht leer gezogen: Neuruppiner auf der Flucht.

    "Man kann es als Stadtplaner sehr gut nachvollziehen, weil man weiß, es ist etwas laut. Wir haben gerade häufig auch bei Schallereignissen als Mensch gar nicht mehr das Gefühl dafür, wie stark wir heute belastet sind, das wir an einer ständigen Reizschwelle leben. "

    Bereits 2003 wachten die Stadtväter auf. Eher als anderswo. Zunächst begannen sie auf eigene Kosten einen Masterplan gegen Feinstaub und Lärm zu entwickeln. Später förderte das brandenburgische Umweltministerium die Maßnahmen und erhob Neuruppin zur Modellstadt. Das bundesweit neue daran: die kombinierte Kampfansage an Feinstaub und Lärm. Hartmut Jonas vom Landesumwelt Brandenburg:

    "Die bisherige Betrachtungsweise war also völlig separat. Der Luftbereich hat sich nur mit der Luft beschäftigt und hat sich Maßnahmen ausgedacht, vergleichsweise war es auch im Lärmbereich. Was hier erstmalig in aller Breite gemacht wurde, ist , das Maßnahmen parallel in ihrer Wirkung betrachtet werden und richtig berechnet wurden. "

    Die kombinierte Kampfansage macht Sinn. Sie spart in der Verwaltung nicht nur Personal und Geld. Die Erfahrung zeige, dass Einzelmaßnahmen zur Lärmminderung der Luftreinhaltung entgegen stehen können – meint Hartmut Jonas.

    "Beispielhaft gegenläufig im Rahmen der Luftreinhaltung- und Lärmminderungsplanung wäre die Betrachtung der Verkehrsströme. Wir orientieren uns im Lärmbereich auf die Bündelung von Verkehren auf Hauptstraßen, die möglichst wenig Anwohner haben oder große Abstände haben, um Nebenstraßen möglichst zu entlasten. Dieses Zusammenführen der Verkehrsströme könnte im Luftbereich zu Überschreitungen führen, die nicht mehr hinnehmbar sind. "

    Nun hat Neuruppin einen 160 Seiten starken Katalog vorgelegt. Kombiniertes Know-how gegen Feinstaub und Lärm. Kompatibel für andere Kommunen. Die wirksamsten Maßnahmen, einzeln betrachtet, sind nicht neu: Verkehrsverlagerung aus den Innenstädten heraus, Verkehrsvermeidung durch Alternativangebote wie Radwegenetz und ÖPNV oder die Sanierung von Straßenbelag. Denn Risse im Asphalt oder zu breite Fugen im Straßenpflaster erzeugen nicht nur viel Lärm , sondern auch viel Feinstaub. Doch bis man am Denkmal von Theodor Fontane wieder beruhigt durchatmen kann, muss so mancher PKW andere Wege nehmen.