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Brasilien will mehr Macht

Brasilien verzeichnete im Gegensatz zu vielen anderen Staaten im letzten Jahr ein klares Wirtschaftswachstum. Die neue Präsidentin Dilma Rouseff will ihr Land als Weltmacht etablieren und gibt sich entsprechend selbstbewusst.

Von Julio Segador | 04.02.2012
    Im eigenen Land hat sich die brasilianische Staatspräsidentin Dilma Rousseff binnen weniger Monate vom Schatten ihres vermeintlich übermächtigen Vorgängers im Amt Lula da Silva gelöst. Rekord-Sympathiewerte bei der Bevölkerung und der große Respekt, der ihr entgegengebracht wird, sind ein deutlicher Beleg dafür. Und auch außerhalb der eigenen Grenzen nimmt die 61-Jährige Regentin des größten südamerikanischen Landes eine immer wichtigere Position ein. Dass sie bei ihrem Staatsbesuch auf Kuba zur Menschenrechtslage in dem Land nichts sagen wollte, zeigt den selbstbewussten, emanzipierten Kurs, den Rousseff eingeschlagen hat.

    "Da müssten wir auch zu den Menschenrechten in den USA was sagen. Schließlich gibt es da eine Militärbasis namens Guantanamo. Darüber müssten wir dann also auch sprechen. Deshalb spreche ich lieber über andere Dinge, die viel wichtiger sind."

    Für Felipe Ramos, der an der Universität in Salvador da Bahía das Institut für lateinamerikanische Integration leitet, ist diese Haltung klar durchdacht und taktisch begründet.

    "Was die Aussagen zu den Menschenrechten angeht, wollte die Präsidentin eine unabhängige Position gegenüber der US-Regierung zeigen. Ein Hinweis, dass man auch Gewicht hat, um ein regionaler Führer zu sein. Es war eine strategische Entscheidung der Präsidentin, die ja eine große Wirtschaftsdelegation mit nach Kuba genommen hat, also eine Reise mit ökonomischen Interessen."
    Eine florierende Wirtschaft mit kräftigem Wachstum war in den vergangenen Jahren die Basis auch für den politischen Aufschwung der Brasilianer. Das Land, das noch vor zwei Jahrzehnten Hyperinflation verzeichnete und mit den Folgen einer Diktatur zu kämpfen hatte, ist nun als Investor im krisengebeutelten Europa gefragt. Eine wirtschaftliche Stärke, mit der die Staatspräsidentin selbstbewusst umgeht.

    "In dem Jahr, in dem praktisch alle anderen Länder der Welt Arbeitsplätze verloren haben, haben wir mehr als zwei Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen. In einem Jahr, in dem die großen Weltmächte Null-Wachstum haben oder sogar Negativwachstum, werden wir ein gutes Wachstum hinlegen."

    Die wirtschaftliche Stärke hat Brasilien unangefochten zur Führungsnation in Lateinamerika aufsteigen lassen. Frühere Konkurrenten wie etwa Argentinien oder Mexiko versuchen politische Positionen mit Brasilien abzustimmen, um so die Durchschlagskraft zu erhöhen. Im Gegenzug ist das Land aber auch bereit mehr Verantwortung zu übernehmen. Rousseffs Vorgänger Lula etwa sagte zu, die Blauhelmmission in Haiti zu leiten.
    Das Ziel der Regierung in Brasilia ist nun, das größere Gewicht Brasiliens innerhalb der Weltgemeinschaft auch institutionell zu verankern, etwa im künftigen UN-Sicherheitsrat. Beim Staatsbesuch von Barack Obama im vergangenen Jahr verzichtete Dilma Rousseff auf jegliche diplomatische Zurückhaltung und präsentierte dem US-Präsidenten offen ihre Forderung.

    "Es kann keinen reformierten UN-Sicherheitsrat geben, ohne dass einige wichtige Länder mit dabei sind. Etwa Indien und Brasilien. Länder mit einer großen Bevölkerungszahl, mit kontinentalen Ausmaßen, und die heute als große aufstrebende Mächte der Welt angesehen werden. Es ist nicht hinzunehmen, dass nach einer Reform der Vereinten Nationen, Brasilien nicht dabei wäre."