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Brause mit Pepp

Chemie. - Bis Mittwoch treffen sich Fachleute im Bonner Wasserwerk zum 33. Deutschen Lebensmittelchemiker-Tag. Ein Thema sind dabei jene Zusatzmittelchen, von denen sich manche einen muskulöseren Körper erhoffen. Denn neben Q10 oder Carnitin stießen Chemiker auf einzelne Produkte, die handfeste Anabolika enthielten und dem Konsumenten schwer im Magen liegen könnten.

Von Volker Mrasek | 13.09.2004
    Die Deutsche Sporthochschule in Köln hat einen Namen nicht nur als Leistungszentrum für Spitzensportler. Dort gibt es auch ein renommiertes, vom Internationalen Olympischen Komitee anerkanntes Doping-Labor. Seine Spezialisten klopfen nicht nur Athleten auf die Finger und untersuchen Doping-Proben -

    Wir kaufen auch selbst Nahrungsergänzungsmittel, die es irgendwo in Geschäften gibt, zum Teil auch per Telefon oder eben auch übers Internet zu bestellen, und analysieren die dann auf mögliche Doping-Substanzen.

    Deshalb zieht es eine Dopingmittel-Analytikerin wie Maria Kristina Parr jetzt auf den Lebensmittelchemikertag. Die Kölner Forscherin berichtet von alarmierenden Befunden in Produkten, die die Muskelbildung fördern sollen. In sechs freiverkäuflichen Präparaten fand das Labor verschiedene hoch dosierte und nicht deklarierte Anabolika. Von "gefährlichen Lifestyle-Drogen" spricht Parrs Kollegin Ute Mareck - auch sie Lebensmittelchemikerin am Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule:

    Und zwar sind da so große Mengen an Anabolika drin, dass die letztendlich gesundheitsschädlich sind. Also, das sind ganz gezielt gefälschte Produkte, die, wenn man sie in der entsprechend vorgeschlagenen Dosierung nimmt, für Frauen und Jugendliche und Kinder sicherlich auch gesundheitsschädlich sein können.

    Die Firma, die die Muskelbildner vertreibt, sitzt nach den Recherchen der Kölnerinnen in Großbritannien. Beziehen könne man die Produkte per Telefon, über eine 0190er-Nummer, oder im Internet. Die Ware komme dann per Post aus dem hessischen Ort Niederaula. So stehe es jedenfalls im Absender-Vermerk, sagt Maria Kristina Parr:

    Bei diesen gefälschten Präparaten - Brausetabletten, Kapseln, größere Mengen Pulver - war eigentlich alles dabei, was man sich so als Nahrungsergänzungsmittel vorstellen kann. Bei solchen Produkten würde man sicherlich annehmen, dass es ambitionierte Freizeitsportler, aber natürlich auch Leute aus ästhetischen Gründen, das heißt also: erhöhtes Muskelwachstum, man sieht vermeintlich toller aus - solche Leute würden das wahrscheinlich nehmen.

    Natürlich müsse man in erster Linie an die Bodybuilder-Szene denken. Aber:

    Es gibt schon auch Studien, dass in Fitness-Studios solche Präparate unter der Hand weitergegeben werden.

    Wie skrupellos der Anbieter der beanstandeten Produkte vorgeht, zeigt zum Beispiel der Fund von Metandienon darin. Große Mengen dieser Substanz fanden die Kölner Analytikerinnen in allen sechs geprüften Muskelbildnern der Firma. Metandienon ist aber ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Normalerweise, betont Ute Mareck, bekommen es nur Patienten von ihrem Arzt:

    Zum Beispiel Aids-Kranke, krebskranke Personen, die Muskelschwund oder Probleme haben, Körpermasse aufzubauen.

    In den dubiosen Nahrungsergänzungsmitteln liegt die Konzentration von Metandienon nach den Analysen im - Zitat - "supratherapeutischen Bereich". Es ist also mehr drin als in den Medikamenten. Gerade darin sieht Ute Mareck das große Risiko für Verbraucher:

    Anabolika wirken sowohl anabol, aufbauend, als auch androgen, das heißt also sie bilden geschlechtsspezifische Merkmale aus. Und bei Jugendlichen zum Beispiel führt das zum Wachstumsstopp. Bei Frauen führt das zu einer starken Virilisierung.

    ... also zu einer Vermännlichung:

    Wie das mit der Zeugungsfähigkeit ist, weiß man bis heute noch nicht. Da gibt’s also nur Spekulationen. Bei den Dopingfällen aus der ehemaligen DDR, da sind ja auch solche Dinge vorgekommen. Sind auch Kinder aus der zweiten Generation dann zum Teil behindert gewesen. Aber das ist jetzt reine Spekulation . Aber die Nebenwirkungen können sehr stark sein.

    Dennoch, und obwohl die Sporthochschule schon vor Monaten Bundesbehörden und Länderministerien über ihre Befunde informierte - dennoch vertreibt der Anbieter seine Muskelbildner noch immer unbehelligt.

    Sie haben uns am Freitag auf telefonische Anfrage versprochen, bis Mittwoch ein Produkt liefern zu können. Da hatten wir also bisher keine Probleme, solche Produkte zu beziehen.