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Breitband statt analoger Glotze

Wenn es schnell gehen soll, dann hat man auf dem Dorf schlechte Karten. Denn fernab der Städte ist die Breitbandversorgung in Deutschland ein unbeschriebenes Blatt. Im Rahmen der "Digitalen Dividende", also der Abschaltung des analogen Fernsehens und der so frei werdenden Frequenzen, werden jetzt erste Landstriche mit schnellem Internet per Mobilfunk versorgt.

Von Almuth Knigge |
    Praktisch ist Grabowhöfe bunt – gelb sozusagen - von blühenden Rapsfeldern umgeben – mitten zwischen dem Naturpark Nossentiner Heide und dem Nationalpark Müritz - Natur pur. Theoretisch - bzw. technisch - ist der Ort weiß – ein weißer Fleck sozusagen. White Space sagen die Experten zu Gebieten, die technisch quasi unterversorgt sind. Schnelles Internet war für die Bewohner von Grabowhöfe jahrelang eine Illusion

    "ISDN hatten wir schon, aber das ist ja, bis die Seiten sich aufgebaut haben, dann sind sie wieder zusammengefallen, dann musstest du wieder neu warten..."

    Elke Schult ist die ehrenamtliche Bürgermeisterin. Gut 1000 Menschen wohnen in Ihrer Gemeinde. Hauptberuflich ist die 53-jährige Mathe- und Physiklehrerin. Für einen zeitgemäßen Unterricht brauchte sie dringend Zugang zum Netz

    "Das gehört ja heute zum Leben dazu, machen wir uns nichts vor, ich hab vorher auch aufgrund der Zeit weniger am Internet zu tun gehabt als jetzt, jetzt spar ich Zeit, es geht schneller und ruckzuck guck ich mir mehr an und kann mitreden mit den jungen Leuten."

    Jetzt sitzt sie jeden Abend gemütlich in ihrem Wintergarten, schreibt E-Mails, bereitet ihren Unterricht vor und surft. E-Plus und Ericsson haben vor einiger Zeit zusammen mit der Landesmedienanstalt und dem Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern unweit des Dorfes einen 60 Meter hohen Sendemast aufgerüstet. Es soll getestet werden, ob über frei gewordene Rundfunkfrequenzen eine bessere und wirtschaftliche Internetversorgung in ländlichen Gebieten möglich wird. Neben dem technischen Versuch ist dieser Modellversuch aber in erster Linie ein Akzeptanztest für die neue Technik. Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg streiten sich um den letzten Platz im Breitbandatlas der Bundesregierung. Auf der anderen Seite hat das Wirtschaftsministerium in einer Studie einen riesigen Bedarf festgestellt. Jeder fünfte Befragte ist dabei ein Gewerbetreibender. Mangelnde Internetversorgung ist ein Ansiedlungskiller, die Erfahrung hat auch Elke Schult gemacht. Aber weil der Turm nun mal schon da ist, nehmen rund um das Dorf nun 50 Firmen und Familien an dem Test teil. Sie sollen bis Ende 2009 den Nutzen des schnellen Funk-Datennetzes testen und danach ihr Urteil abgeben. Sie sollen sagen, in welchem Umfang der Anschluss genutzt wurde und wie viel Geld sie für eine dauerhafte schnelle Datenverbindung zahlen würden. In Ihrer Gemeinde, sagt Elke Schult, seien das nicht mehr als 30 Euro pro Monat.

    "Die Technik möchte jeder haben, aber die Ausstattung ist dann immer etwas zu überlegen."

    Ein 60 Meter hoher Sendemast mitten im Raps, ein kleiner Stick mit integrierter SIM-Karte und ein Laptop natürlich, das ist die Ausstattung, die Elke Schult und ihrem Mitbürgern das Leben leichter macht. Der Stick kam mit der Post.

    "Ich hab mir das angeguckt, hab mir das durchgelesen, alleine installiert, kein Problem gehabt und dann auch gleich rein, dann gleich versucht, ganz einfach, Stick reinstecken, dann muss ich ne Geheimzahl eingeben, meinen Code, dann kann ich anklicken Internet und dann bin ich drin."

    Bisher mussten sich die Grabowhöfener mit 64 kbit/s begnügen. Jetzt können sie mit durchschnittlich zwei Mbit/s bis drei Mbit/s Downloadgeschwindigkeit surfen und mit bis zu 1,4 Mbit/s Fotos hochladen. Die Sticks sind Massenware. Ericsson setzt die Ausrüstung seit 2008 in Australien ein. Dort hat der schwedische Netzwerkausrüster ein Highspeed Packet Access–Netz aufgebaut. In Mecklenburg-Vorpommern kann es aber vorkommen, dass die vielen Wälder den Signalen in die Quere kommen. Auf einem Hof, 18 Kilometer von der Basisstation entfernt, mussten die Techniker das Signal schon suchen. Deshalb will die Landesrundfunkzentrale demnächst einen Test mit der leistungsstärkeren LTE-Technologie starten. Michael Krämer von eplus setzt noch auf die vorhandene Technik.

    "Es gibt schon vereinzelt ländliche Gebiete, wo auch heute schon HSPA funktioniert, weil der Netzbetreiber dort schon mal selektiv aufgebaut hat, das machen wir schon an einzelnen Standorten auch außerhalb der Städte, wenn dort ein spezieller Konzentrationspunkt ist für Tourismus, Verkehr oder sonst irgendwas. Aber in der großen ländlichen Fläche finden Sie die nicht, weil das auf diesen hohen Frequenzen so wäre, dass sie alle zwei Meter da einen Turm hinsetzen müssten, das rechnet sich wirtschaftlich für die wenigen Kunden dort nicht und es rechnet sich gesellschaftspolitisch nicht, weil die Diskussion, wenn wir hier überall Türme hinsetzen würden, die wäre im Nationalpark Müritz nicht so einfach zu führen."

    Deshalb ist die so genannte "Digitale Dividende", die freigewordenen Rundfunkfrequenzen, die Lösung bei der Breitbandversorgung für den ländlichen Raum.

    "Und wenn ich jetzt mit den niedrigen Frequenzen nur alle zehn Kilometer einen Turm aufstellen kann, um die gleiche Abdeckung zu erreichen, dann ist es plötzlich sinnvoll möglich, auch diese ländlichen Gebiete für HSPA zu erschließen."

    Auf dem Land, so Krämer, kann man wegen der geringen Einwohnerzahl die Funkabdeckung also die Reichweite größer machen und trotzdem jedem Nutzer noch eine sinnvolle Datenrate anbieten. Die Bundesnetzagentur hat die Frequenzen für ein Jahr zu Testzwecken freigegeben. Nächsten Freitag entscheidet der Bundesrat, was mit generell mit diesen freigewordenen Frequenzen passieren soll.

    "Wir hoffen, dass man sich bis dahin einigt, dass man das dann ganz schnell weiterführen kann."

    Sonst versinkt Grabowhöfe wieder für unbestimmte Zeit im "White Space".