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Bremen sucht Lehrer

Den bundesweiten Lehrermangel bekommt auch das Land Bremen zu spüren. An den Schulen konnten zwar 174 Lehrerstellen neu besetzt werden. Doch fehlen bei bestimmten Mangelfächern wie Spanisch und Naturwissenschaften noch immer Lehrkräfte.

Von Christina Selzer |
    In Bremen und Bremerhaven geht die Behörde bei der Suche nach Lehrern schon länger über Deutschlands Grenzen hinaus: Schon seit einigen Jahren werden zum Beispiel Englischlehrer von einer Londoner Vermittlungsagentur nach Bremen geschickt. Auch Magdalena Reisener aus Polen Lehrerin für Chemie, Physik und Biologie ist seit einem Jahr in Bremerhaven im Schuldienst.

    "Ja, zuerst habe ich das im Radio und von meinen Bekannten gehört, aber das war so ein kurzer Satz, dass in Bremerhaven, dass der Oberschulrat nach Lehrern in Polen sucht. Und da habe ich im Internet gesucht. Und ich hab wirklich diese Anzeige im - wie heißt das - im Schulamt in Stettin gefunden. Und ich hab eine Bewerbung geschrieben und per E-Mail geschickt."

    Michael Porwoll, Oberschulrat in Bremen, hat sie angeworben. Um ihre Qualifikation macht er sich überhaupt keine Sorgen.

    "Sie sind didaktisch hervorragend ausgebildet! Bei der Methodik müssen wir immer gucken, ob das kompatibel ist mit unserer liberalen Art und Weise, umzugehen in der Pädagogik, aber auch mit der größeren Disziplinlosigkeit von Schülerinnen und Schülern. Da bedarf es einer Eingewöhnung, einer Adaption, und auch einer Einweisung."

    Die Idee, Lehrer aus osteuropäischen Nachbarländern anzuwerben, um die Lücke in den naturwissenschaftlichen Fächern kurzfristig zu füllen, hatte kürzlich auch der Philologenverband erneut formuliert. Der Vorsitzende, Heinz-Peter Meidinger:

    "Dass es durchaus in den angrenzenden Staaten östlichen Staaten besonders in Tschechien Lehrer gibt, die gut ausgebildet sind, und die gut Deutsch sprechen, das ist die Voraussetzung, und bereit sind, ein paar Jahre nach Deutschland zu kommen, kann aber nur eine Notmaßnahme sein."

    Meidinger wirft der Kultusministerkonferenz KMK vor, die Zahlen zu beschönigen. Der Mangel an qualifizierten Lehrern sei wesentlich höher als von der KMK angegeben. Vor allem in den sogenannten MINT-Fächern, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, fehlen nach den Berechnungen des Philologenverbandes im anstehenden Schuljahr bis zu 40.000 Lehrer.
    Der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm hält diese Zahl dagegen für zu hoch gegriffen:

    "Meidinger hat ja nicht gesagt, wie viel Lehrer fehlen werden zu bestimmten Zeitpunkten, unter bestimmten Bedingungen, sondern eine Zahl genannt von zurzeit nicht besetzen Stellen. Für mich ist nicht nachvollziehbar, wie er zu der Zahl kommt. Man kann natürlich auf die Schule gucken und sagen, es fehlen Tausende Lehrer, ob das jetzt 30.000 oder 50.000 sind, ist meiner Ansicht nach Willkür. Recht hat er, dass e und die Lehrerverbände darauf hinweisen, denn es fehlen schon jetzt Lehrer."

    Klaus Klemm stellte heute in Bremen eine Studie vor, die die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft für die fünf norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig Holstein und Mecklenburg Vorpommern in Auftrag gegeben hatte. Auch er kommt zu dem Ergebnis, dass es in Bremen in den kommenden Jahren 370 Einstellungen pro Jahr geben müsste.

    "Lehrermangel oder die Prognose des Mangels bezieht sich auf die kommenden fünf bis zwölf Jahre, im Augenblick ist es noch nicht so scharf, aber es wird schärfer werden, weil die Pensionierungswelle rollt, gerade in Bremen. Und weil die Anfängerzahlen nicht in dem Maße gestiegen sind, um den Bedarf zu decken."

    Lehrermangel und Überschuss zugleich, sagt Bildungsforscher Klemm. Absolventen für die Fächer Deutsch und Geschichte am Gymnasium sind von Arbeitslosigkeit bedroht. Mathe- und Physiklehrer können sich dagegen die Stellen aussuchen.
    Die Bremer Bildungssenatorin will allerdings heute nicht von einem Mangel sprechen. Es gebe lediglich Mangelfächer, wie Spanisch, Mathe und Naturwissenschaften. Doch Bernd Winkelmann von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft warnt davor, sich allein auf die Attraktivität Bremens zu verlassen.

    "In Bremerhaven ist die Situation noch zugespitzter, weil Bremen als Landeshauptstadt ne Ecke attraktiver ist. Aber man muss das gesamte Bundesland sehen. Und zu sagen, Lehrermangel gibt es nicht, ist falsch."

    Arme Bundesländer werden künftig nach Ansicht von Klaus Klemm das Nachsehen haben, weil die finanzstarken Länder die Lehrer abwerben. Klemm appellierte an die Bremer Landesregierung, für eine bessere Lehrerausbildung an der Universität zu sorgen. Nur so könne der Nachwuchs gesichert werden.