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Brexit-Abstimmung in London
Eine Meerjungfrau auf einem Einhorn bringt die Lösung

Die Briten warten gespannt auf die historische Abstimmung im Unterhaus über Theresa Mays Brexit-Vertrag mit der EU. Kaum einer zweifelt an einer Niederlage der Premierministerin. Was dann passiert, ist aber völlig offen. Ein Weg aus der verfahrenen Situation ist nicht in Sicht.

Von Friedbert Meurer | 15.01.2019
    Das Parlamentsgebäude in London
    Die historische Brexit-Abstimmung im Unterhaus kann Großbritannien ins Chaos stürzen. (dpa / Andy Rain )
    "Order! Order!" So wird sich das heute Abend anhören, etwa um 21 Uhr oder später. Der Speaker, John Bercow, der die Sitzungen des Unterhauses leitet, fordert die "Teller" auf, die Berichterstatter, zu sagen, wie das Ergebnis der Abstimmung lautet.
    Wenn nicht ein Wunder geschieht, werden die "Ayes", also die Ja-Stimmen für den Vertrag, klar in der Minderheit sein. Über 100 Abgeordnete der eigenen konservativen Fraktion haben angekündigt, gegen den Vertrag mit der EU stimmen zu wollen. Die zehn Abgeordneten der nordirischen DUP, die Theresa May normalerweise unterstützen, wollen auch mit Nein votieren.
    Premierministerin May stemmte sich gestern Abend noch einmal im Unterhaus gegen die fast sicher erscheinende Niederlage: "Ich wende mich an alle Mitglieder dieses Hauses. Wozu auch immer Sie bisher entschlossen sind: Schauen sie sich in den letzten 24 Stunden den Vertrag noch einmal an."
    Mays Ziel: Eine erträgliche Niederlage
    May weiß um die drohende Niederlage, aber sie will sie erträglich halten. Wenn sich doch noch etliche Mitglieder ihrer Fraktion auf ihre Seite schlagen, wäre das schon fast wieder ein Erfolg. Eine erträgliche Niederlage, die die Möglichkeit offenlässt, schon bald eine zweite Abstimmung anzusetzen - das ist vermutlich das Ziel der Premierministerin.
    Aber ihre Gegenspieler wollen nicht nachgeben, erst recht nicht ihr früherer Außenminister Boris Johnson. "Wir können jetzt nicht die Öffentlichkeit wie Idioten behandeln und intellektuelle Diskussionen hier halten, ob es noch hier oder da einen Änderungsantrag geben soll. Die Menschen kämen zu dem Ergebnis, es gibt eine Verschwörung eines Staates im Staat, um den Brexit sterben zu lassen."
    Was also geschieht heute Abend nach 21 Uhr? May könnte nach einem historisch desaströsen Ergebnis zurücktreten. Ihr Parteifreund Nadhim Zadawi warnt davor. "Sie hat die letzten zwei Jahre das Richtige getan. Jetzt die Pferde zu wechseln, würde zwingend zu Unsicherheit und Chaos führen."
    Labour will Misstrauensantrag stellen
    Labour, die größte Oppositionspartei, hat schon angekündigt, man werde ein Misstrauensvotum gegen May beantragen, vielleicht direkt heute Abend, so dass morgen darüber abgestimmt würde. Labours Brexit-Sprecher Keir Starmer: "Jeremy Corbyn hat klargemacht, dass wir den Misstrauensantrag stellen werden. Die Frage ist nur, wann - nicht ob. Das ist Jeremys Entscheidung."
    Corbyn könnte die Entscheidung auch noch ein paar Tage verzögern. Denn wenn der Antrag zum Sturz Mays scheitert - was viele annehmen, da selbst die Brexit-Hardliner unter den Tories keine Neuwahlen wollen -, dann gerät der Labour-Chef unter Druck. Wird er dann - gegen seinen eigentlichen Willen - ein zweites Referendum fordern?
    Auch dafür gibt es aber noch keine Mehrheit. Und dass Großbritannien ohne Vertrag aus der EU ausscheidet, wollen viele Abgeordneten mit Anträgen verhindern - wenn sie es können. Niemand weiß im Moment, wie es weitergeht. Nur Patricia Gibson von der Schottischen Nationalpartei hat da eine Idee. "Ich glaube, eine Meerjungfrau wird auf einem Einhorn daher geritten kommen. Sie wird uns sagen, was die Lösung ist."