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Brexit-Sorgen
Briten bangen um Bleiberecht in Berlin

Viele Briten in Deutschland sind verunsichert: Sollte es zu einem harten Brexit kommen, wäre auch ihr Aufenthaltsstatus ungeklärt. Berlin bietet denjenigen, die in der Hauptstadt leben und arbeiten, nun eine Art Übergangslösung an. Dennoch bleiben Fragen offen.

Von Benjamin Dierks | 29.01.2019
    Touristen ziehen auf der Warschauer Straße in Berlin ihre Koffer hinter sich her. Auf einem Rollkoffer ist die britische Fahne zu sehen.
    Keiner der Briten vom Exilstammtisch in Berlin-Mitte will nach Großbritannien zurückkehren (picture alliance/dpa/Jens Kalaene)
    Eine schottische Bar in Berlin-Mitte. Schummriges Licht scheint aus alten Fabrikleuchten auf eine lange Tafel, um die an diesem Nachmittag rund 20 Männer und Frauen sitzen. Die meisten haben ein Bier vor sich, einige einen Kaffee. Junge sind dabei, ein paar Ältere. Was sie eint: Sie alle sind Briten, die in Berlin leben und sie alle sind fassungslos angesichts des politischen Chaos', das der Streit um den Brexit in ihrer zurückgelassenen Heimat angerichtet hat – und das auch ihr Leben in Deutschland durcheinandergebracht hat. Rachel Marriott, eine bilinguale Erzieherin, hat den britischen Exilstammtisch organisiert:
    "Es ist sehr merkwürdig, bringt viele Fragen und Unsicherheit. Wir haben schon gewusst seit Dezember, dass dieser Deal nie durch Parlament gelassen würde. Und jetzt ist es offiziell und wir haben immer noch keine Idee, was passieren wird. Wir müssen immer noch warten."
    Einige haben sich einbürgern lassen
    Neben der Situation in Großbritannien macht den Besuchern des Stammtischs Sorge, wie es mit ihnen in Deutschland weitergehen wird. Als EU-Bürger konnten sie hier ohne Probleme leben und arbeiten. Auch eine Übergangslösung nach dem Ausstiegstermin Ende März hätte ihnen wohl erst einmal ermöglicht, weiter wie bisher in Deutschland zu bleiben. Sollte es aber zu einem harten Brexit kommen, wäre auch der Aufenthaltsstatus vieler Briten ungeklärt. Einige am Tisch haben deutsche oder europäische Ehepartner oder haben sich bereits einbürgern lassen, so auch Rachel Marriott. Aber andere müssen um ihren weiteren Aufenthalt bangen:
    "So nah am Brexit-Termin ist es immer noch sehr unsicher und es bringt viel Angst, viel Unsicherheit, viele Sorgen für die, die halt noch nicht wissen, die es noch nicht schaffen, eingebürgert zu sein, die einfach warten müssen."
    Übergangslösung der Berliner Ausländerbehörde
    Berlins Innensenator Andreas Geisel hatte die in der Hauptstadt lebenden Briten kürzlich aufgefordert, sich um ihren Aufenthaltstitel zu kümmern. Berlin will ihnen den Weg dahin erleichtern: Briten können sich bei der Berliner Ausländerbehörde online registrieren und einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Nachweises über das Aufenthaltsrecht stellen. Die Bestätigung darüber, dass der Antrag gestellt wurde, reicht dann vorerst als Nachweis aus, dass sie in Berlin leben und arbeiten dürfen. Jack Brooks, ein junger Rezeptionist bei einem internationalen Unternehmen, hat die Möglichkeit bereits genutzt:
    "Also, ich habe diese Anmeldung bei der Ausländerbehörde in der letzten Woche gemacht. Es war ein bisschen komisch, weil sie nicht viele Informationen verlangt haben. Sie haben meine E-Mail-Adresse genommen und unsere Adresse und meinen Namen. Aber ich hätte gedacht, dass ein bisschen offizieller wäre."
    Rund 18.000 Briten in Berlin betroffen
    Die registrierten Personen würden dann "zu gegebener Zeit zur Prüfung eines Aufenthaltstitels eingeladen", heißt es bei der Senatsinnenverwaltung. Der Service richtet sich nur an britische Staatsangehörige, die in Berlin wohnen. Rund 18.000 Britinnen und Briten könnten davon betroffen sein. Die britische Botschaft in Berlin hatte vor Kurzem zu einer Informationsveranstaltung über den künftigen Status in Deutschland geladen. Deutsche Beamte versprachen, dass sie die Situation der Briten schnell und großzügig klären wollen. Aber einige sind trotz dieser Versicherungen vorsichtig:
    "Ich begrüße es, dass sie uns in Berlin dieses Angebot machen, aber ich habe schon ein paar offizielle Prozesse durchlaufen und weiß, dass es hilft sich, sich beraten zu lassen. Ich bin Ingenieur, ich will erst das Problem kennen, bevor ich anfange, Fragen zu beantworten."
    Joe Ruffles, ein in Berlin lebender IT-Experte, will sich für seinen Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung rechtliche Hilfe holen:
    "Ich habe den Rat erhalten, mit einem Anwalt für Einwanderungsrecht zu sprechen, bevor ich mit der Antragsprozedur beginne. Dann weiß ich, wie ich die Fragen beantworten muss und mich am besten verkaufen kann. Erst einmal geht es nur um die Aufenthaltsgenehmigung. Es hat etwas Ironisches, dass ich das überhaupt tun muss. Ich habe mich immer als europäischer Bürger in Europa gefühlt. Ich wünschte, es würde so bleiben."
    Bleiberecht nur für Gutverdiener?
    Niemand hier will nach Großbritannien zurückkehren. Hanna Balas berichtet, dass ihre Familie über ganz Europa verstreut lebt. Sie habe große Angst vor einem ungeordneten Brexit, weil sie um ihr Aufenthaltsrecht bangt. Sie sei trotz eines Hochschulabschlusses keine von den hochbezahlten Expats, die hier lebten:
    "Ich habe einen normalen Job. Als EU-Bürger ist das kein Problem, aber für Drittland-Aufenthaltstitel weiß ich nicht, ob das geht."
    Sie befürchtet, dass von ihr nach dem Brexit ein höherer Gehaltsnachweis verlangt werden könnte, um bleiben zu dürfen. Die Übergangslösung der Berliner Ausländerbehörde hilft ihr bei dieser Sorge kaum.