Das waren jedoch alles, und in der Zeitabfolge nicht zufällig, Vorläufer. Was jetzt, als Höhepunkt, gleichzeitig auf französisch und auf deutsch vorliegt, hat eine neue Dimension. Der Briefwechsel Celans mit seiner Frau, der aus einer katholischen, französischen Adelsfamilie stammenden Gisèle des Lestrange, enthüllt das Meiste von dem, worüber viele auch ernsthafte Exegeten bisher nur spekulierten, legt Fakten offen, die man bisher nur ahnen konnte, lässt die Persönlichkeit Paul Celans nicht mehr nur ausschnitthaft, sondern in all ihren Facetten erkennen und gibt unerwartet konkrete Aufschlüsse über Anlässe und Entstehungsbedingungen seines Werks. Gleichzeitig ist es eine bewegende Liebesgeschichte, die von der Möglichkeit und Unmöglichkeit einer Liebe unter unvergleichlichen äußeren Bedingungen erzählt. Celan, der Jude, begegnet einer Frau "de Lestrange", in deren Namen das Assoziationsfeld "Die Fremde", in der deutschen Übersetzung, mitschwingt:
"IN ÄGYPTEN Du sollst zum Aug der Fremden sagen: Sei das Wasser./ Du sollst, die du im Wasser weißt, im Aug der Fremden suchen./ Du sollst sie rufen aus dem Wasser: Ruth! Noemi! Mirjam!/ Du sollst sie schmücken, wenn du bei der Fremden liegst./ Du sollst sie schmücken mit dem Wolkenhaar der Fremden./ Du sollst zu Ruth und Mirjam und Noemi sagen:/ Seht, ich schlaf bei ihr!/ Du sollst die Fremde neben dir am schönsten schmücken./ Du sollst sie schmücken mit dem Schmerz um Ruth, um Mirjam und/ Noemi./ Du sollst zur Fremden sagen:/ Sieh, ich schlief bei diesen!"
Das Brisante an der Veröffentlichung dieses Briefwechsels liegt vor allem in den Anmerkungen versteckt. Bertrand Badiou, der französische Germanist und Vertraute Eric Celans, des Sohnes und Alleinerben, kommentiert die einzelnen Briefe äußerst detailliert und mit Bezug auf die Tage- und Notizbücher der beiden Protagonisten. Zum erstenmal erhält die Öffentlichkeit Einblick in intime Aufzeichnungen Celans. Sie werden ausführlich zur Erläuterung einzelner Ereignisse herangezogen, und zentral sind dabei oft Briefstellen, bei denen man Ab- und Hintergründe zwar spürt, aber nicht zu benennen weiß.
Der Briefwechsel mit seiner Frau ist auch ein Anlaß dafür, vieles von dem, was in Celans Nachlaß liegt und Aufschlüsse über sein Leben und Denken gibt, bewußt gerade in diesem Zusammenhang mitzuteilen. Offenkundig ist der Sensations-Effekt natürlich wegen der Dokumente zum Verhältnis zwischen Paul Celan und Ingeborg Bachmann. Dieses Verhältnis hat in der Germanistik der letzten Jahre immer engere Kreise gezogen, Symposien wurden darüber abgehalten und Sammelbände veröffentlicht, und man hat sich dabei vor allem auf das literarische Verweissystem zwischen Celan und Bachmann kapriziert, ein unterirdisches Geflecht von Zitaten und Anspielungen, das auf etwas geheimnisvoll Biographisches verwies. Die unterkühlt wirkenden Sätze, die Bertrand Badiou in seinem "editorischen Nachwort" dazu fallen lässt, werden jeden elektrisieren, der sich mit diesen beiden herausragenden Autoren der jüngeren deutschsprachigen Literatur beschäftigt: "Vor 1967 lassen sich die Zeiten, in denen die Celans sich wenig oder gar nicht schreiben, in aller Regel dadurch erklären, dass sie zusammen leben oder zusammen verreisen. Auszunehmen ist hier lediglich die Zeit zwischen Herbst 1957 und Juni 1958, in der nur sehr wenige Briefe gewechselt wurden, obwohl Paul und Gisèle Celan häufig getrennt sind. Celans parallele Liebesbeziehung zu Ingeborg Bachmann in eben diesem Zeitraum mag dabei eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben."
Bekannt war, vor allem durch Bachmanns Roman "Malina", dass sich Bachmann und Celan in einer frühen Phase abseits jeglichen Literaturbetriebs getroffen und geliebt haben: in Wien in der ersten Hälfte des Jahres 1948, als Celan sich zwischen seiner Zeit in Bukarest und seinem endgültigen Exil in Paris dort aufhielt. Verbürgt war auch die Reise Bachmanns nach Paris Ende 1950, die an diese Beziehung wieder anknüpfen wollte, und vor kurzem ist ein Brief Bachmanns aus dieser Zeit an Hans Weigel öffentlich gemacht worden, in dem sie vom Scheitern dieses Versuchs spricht: "weil wir aus unbekannten, dämonischen Gründen uns gegenseitig die Luft wegnehmen".
Celan heiratete Gisèle de Lestrange am 23. Dezember 1952, und Bachmanns Gedicht "Hotel de la Paix", das in dunkler und existenziell aussichtsloser Weise von einem Paris-Aufenthalt im Dezember 1956 spricht, ist vor diesem Hintergrund interpretiert worden. Die Wuppertaler Tagung "Literaturkritik - kritisch betrachtet" im Oktober 1957 galt dann als der letzte Zeitpunkt, an dem sich Bachmann und Celan persönlich begegnet sind. Dass sie aber im Gegenteil der Anlaß für eine Wiederaufnahme ihrer Liebesbeziehung gewesen ist, erfahren wir nun durch den Anmerkungsapparat des Briefwechsels zwischen Celan und seiner Frau.
Bis zu einem Aufenthalt Ingeborg Bachmanns in Paris vom 30. Juni bis 2. Juli 1958, der anscheinend einen Schlusspunkt markierte, trifft Celan sie in mehrwöchigen Abständen auf seinen Deutschlandreisen; sie hat zu dieser Zeit eine Stelle als Dramaturgin beim Bayerischen Rundfunk in München. In den Briefen Gisèles nach Deutschland wird Ingeborg Bachmanns Name nicht genannt. Nur in einem großen Bekenntnisbrief vom 23. Januar 1958, den die Ehepartner als "kleinen Jahrestag" feiern, weil sie an einem 23. geheiratet haben, und einem Folgebrief vom 24. weisen einige Formulierungen auf die große Ehekrise hin:
"Mache Dir keine Sorgen um mich, es geht mir sehr gut, ich bin sehr ruhig, diese Abwesenheit ist sehr erträglich, entschuldige bitte wegen all dieser Tränen, all dieser Kopflosigkeit, mit der ich Dich vor Deiner Abreise, wieder einmal, ständig genervt habe." Und zum Schluss: "Gestern abend habe ich wieder viele Dinge verstanden, die mich bis spät in die Nacht wachgehalten haben."
Im Anmerkungsapparat zitiert Badiou ausführlich aus Gisèles Tagebuch, zum Beispiel, was diese Nacht betrifft:
"Gestern habe ich bis spät in die Nacht Ingeborgs Gedichte gelesen. Sie haben mich erschüttert. Ich musste weinen. Welch schreckliches Schicksal. Sie hat Dich so geliebt, sie hat so sehr gelitten. Wie konntest Du so grausam zu ihr sein. Jetzt bin ich ihr näher, ich akzeptiere, dass Du sie wiedersiehst, ich bleibe ruhig, Du bist ihr das schuldig, armes Mädchen, würdig und mutig ist ihr sechsjähriges Schweigen."
Dass Gisèle Paul Celan liebt, dafür sind diese Briefe ein berührendes Zeugnis. Gegen den Widerstand ihrer Familie heiratet sie diesen mittellosen Juden, der noch dazu deutsch spricht. Doch wie schwierig diese Liebe ist, welche psychischen Komplikationen mit ihr verbunden sind, das lässt sich unter anderem an Gisèles Identifikation mit Ingeborg Bachmann erkennen. Am 11. Januar 1958, als Celan noch bei ihr in Paris ist, kommt in einem Tagebucheintrag Gisèles etwas davon zum Vorschein:
"Du warst schrecklich heute Nacht. Welcher Anteil hat der Wein, welcher Deine tatsächlichen Gedanken? Du warst kein 'Notbehelf' für mich. Das kann ich nicht akzeptieren. Muss ich nun neben all dem Düsteren um mich auch noch glauben, dass Du an meiner Liebe von Anfang an gezweifelt hast? Ich habe all die Tage so wenig klar gesehen. Heute Nacht hast Du mir allzu schreckliche und falsche Dinge gesagt - Glaubst Du mit der gleichen Überzeugung heute nach dem Aufwachen noch daran?"
Celan weiß über sich selbst sehr wohl Bescheid, und an manchen Stellen beschreibt er sich auch schonungslos genau. Am Beginn ihrer Liebe schreibt er an Gisèle, dass seine Welt durch sie größer geworden sei, und er schreibt, dass diese Welt
"durch Dich eine neue Dimension gefunden hat, eine neue Koordinate, die ihr zu gewähren ich mich nicht mehr durchringen konnte, dass sie nicht mehr diese unerbittliche Einsamkeit ist, die mich fortwährend dazu zwang, niederzureißen, was sich vor mir auftürmte, verbissen über mich selber herzufallen".
Celans zwischen Sensibilität und Empfindlichkeit changierende psychische Gespanntheit wird im Laufe dieser Jahre, bis zu seinem Freitod 1970, immer mehr zunehmen, und sein Gespür für antisemitische Haltungen wird ihn, aktualisiert durch die "Goll-Affäre", bis hin zu psychischen Zusammenbrüchen und Wahnzuständen führen, die lange stationäre Aufenthalte in der Psychiatrie nötig machen. Die Daten werden hier genau mitgeteilt: 31.12. 1962 - 17. 1. 1963 in Épinay-sur-Seine, 8.-21. 5. 1965 in Le Vésinet, 28.11. 1965 - 11. 6. 1966 in Garches, Suresnes und Sainte-Anne nach einer Zwangseinweisung, weil er in einem Wahnzustand Gisèle mit einem Messer töten wollte, 13.2.-17.10. 1967 in Sainte-Anne, nach einem fast tödlichen Selbstmordversuch am 30.1. (fünf Tage, nachdem er im Pariser Goethe-Institut zufällig Claire Goll begegnet war), 15. 11.1968-3.2.1969 in Épinay-sur-Orge. Dazwischen ständig die Einnahme von Antidepressiva und Neuroleptika.
Es gibt Momente in diesem Briefwechsel, die höchst beklemmend sind, Celans Krankheitsverläufe werden minuziös dargestellt - andererseits gibt es wunderbare Briefpassagen voller Zärtlichkeit und Einfühlung, und die lyrischen Texte, die durch die gemeinsamen Erfahrungen mit seiner Frau entstehen, verdichten dieselben zu einer kristallinen Bewußtheit. "DIE LIEBE, zwangsjackenschön" beginnt ein Gedicht vom März 1967. Und ein anderes, das auf vieles vorausweist, hat er selbst für den Rundfunk gesprochen:
"DIE SCHWERMUTSSCHNELLEN HINDURCH, am blanken/ Wundenspiegel vorbei:/ da werden die vierzig/ entrindeten Lebensbäume geflößt./ Einzige Gegen-/ schwimmerin, du/ zählst sie, berührst sie/ alle."
Schon in den jeweils ersten Briefen wird der Grundton deutlich, der beide Briefschreiber prägt. Gisèle schreibt am 11. Dezember 1951, kurz nach der ersten Begegnung aus einem Café am Trocadéro:
"Es muss sehr schwierig sein, einen Dichter zu lieben, einen schönen Dichter. Ich fühle mich Deines Lebens, Deiner Dichtung, Deiner Liebe so unwürdig - und schon scheint alles nicht mehr für mich zu existieren, wenn Du es nicht bist."
Und Celan antwortet:
"Ich schaue Dich an, ma chérie, ich schaue Dich an, bereits jenseits dieses Nebelschleiers, den die Hoffnung, nicht wahr, aufzulösen nicht müde wird."
Der Nebelschleier und die Hoffnung: beides wird lange zusammen gegenwärtig sein. Wir werden Zeugen davon, wie sich eine Privatmythologie, eine Liebessprache zwischen den beiden entwickelt, wie Glühwürmchen ("vers luisant" auf französisch) und Platanenrinden magische Glücksbringer für Celan werden, wie die Briefpartner sich durch den Wechsel zwischen "Sie" und "Du" manchmal mitten im Satz, durch das Französische animiert, ihrer Intimität versichern, und wie die verschiedenen Kosenamen ihre jeweils eigene Geschichte haben: "Maya", "Zweiglein", "Strähne", "kleine Pfirsichblüte" für sie, "Seidelbast" für ihn. Und man mag lange darüber nachsinnen, ob Gisèle die Gefährdungen Celans hätte aufheben können, wenn nicht durch die Plagiatsvorwürfe Claire Golls, durch die deutlichen Zeichen des Antisemitismus in Adenauer-Deutschland Celans Gefühl des Ausgesetztseins immer bedrängender geworden wäre. In einem Liebesbrief Celans, wohl vom 7.1. 1952, deutet sich diese Utopie an:
"Siehst Du, ich habe den Eindruck, wenn ich zu Dir komme, eine Welt zu verlassen, die Tür hinter mir zuschlagen zu hören, Türen und nochmals Türen, denn sie sind zahlreich, die Türen dieser Welt, die aus Missverständnissen, falschen Klarheiten, Höhnungen gemacht sind. Vielleicht bleiben mir noch andere Türen, vielleicht habe ich noch nicht den ganzen Raum durchschritten, über den sich dieses Netz von in die Irre führenden Zeichen erstreckt - doch ich komme, hörst Du, ich komme näher, der Rhythmus, - ich spüre es - wird schneller, die trügerischen Lichter erlöschen eins nach dem andern, die Lügenmäuler schließen sich über ihrem Geifer - keine Worte mehr, keine Geräusche mehr, nichts mehr, was meinen Schritt begleitet - Ich werde da sein, bei Dir, in einem Augenblick, in einer Sekunde, die die Zeit eröffnen wird Paul".
In seinem Gedicht "Grabschrift für Francois" greift Celan diesen Brief wieder auf:
"Die beiden Türen der Welt / stehen offen: / (...) / Wir hören sie schlagen und schlagen."
Und dies sind beileibe nicht die einzigen Zeilen, die vom Briefwechsel mit Gisèle in seine Lyrik hinüberschillern. Es gibt sogar ein ausgesprochenes Programmgedicht ihrer Liebe, das von den Deutschstunden herrührt, die Celan seiner Frau gibt, und wenn er ihr, seiner Geliebten, seine Muttersprache durch Gedichte vermittelt, ist dies ein Vorgang von größtmöglicher Intimität. Einmal besprechen sie ein Gedicht von Georg Heym, in dem die Zeilen vorkommen: "Deine Wimpern, die langen, / Deiner Augen dunkele Wasser, / Laß mich tauchen darein, / Laß mich zur Tiefe gehn." Celan widmet Gisèle im März 1959, zu ihrem Geburtstag, dann folgendes Gedicht, dessen Zeilen er in den folgenden Jahren in den Briefen an sie immer wieder beschwören wird:
"Das Wort vom Zur-Tiefe-Gehn,/ das wir gelesen haben./ Die Jahre, die Worte, seither./ Wir sind es noch immer./ Weißt du, der Raum ist unendlich,/ weißt du, du brauchst nicht zu fliegen,/ weißt du, was sich in dein Aug schrieb,/ vertieft uns die Tiefe."
Deutschstunden für Gisèle - das verweist auf eine Besonderheit dieses Briefwechsels, der die Sinne für Celans Lyrik auch in dieser Hinsicht schärft: er ist auf französisch geschrieben. Die intimen Zeugnisse, die Alltagswahrnehmungen dieses deutschsprachigen Schriftstellers mußten ins Deutsche erst übersetzt werden (Eugen Helmlé hat diese ungeheure Aufgabe übrigens hervorragend gelöst, man erkennt den Celan-Ton in dieser Prosa ganz deutlich). Dass das Deutsche für Celan die Sprache seiner Mutter ist, aber nichts mit der gesprochenen Sprache jener Tage vor allem in der Bundesrepublik zu tun hat, kehrt leitmotivisch wieder.
Am 28. September 1955 schreibt Celan aus Düsseldorf:
"Die Sprache, mit der ich meine Gedichte mache, hat in nichts etwas mit der zu tun, die hier oder anderswo gesprochen wird, meine Ängste in dieser Hinsicht, genährt durch meine Schwierigkeiten als Übersetzer, sind gegenstandslos. Wenn es noch Quellen gibt, aus denen neue Gedichte (oder Prosa) hervorsprudeln könnten, so werde ich sie nur in mir selberfinden und nicht etwa in den Gesprächen, die ich in Deutschland mit Deutschen auf Deutsch führen könnte. Dieses Land, ich mag es überhaupt nicht. Ich finde die Leute erbärmlich. Natürlich gibt es Ausnahmen, doch sie sind selten, und um sie zu treffen, brauche ich mich nicht in Deutschland aufzuhalten."
Und einige Monate vorher, am 31. Januar 1955 aus Stuttgart, hatte Celan bereits geschrieben:
"Die menschliche Landschaft in diesem unglücklichen Land (das sich seines Unglücks nicht bewusst ist) ist höchst beklagenswert. Die seltenen Freunde, die wahren, sind enttäuscht, resigniert, entmutigt."
Es ist sehr bezeichnend, dass Celan über die erste Fassung seines Gedichts "Ein Stern" 1967 einen Selbstkommentar auf französisch schreibt - übersetzt lautet er:
"Mein Judentum: das, was ich in den Trümmern meiner Existenz noch (an)erkenne."
Und von einer Irrfahrt durch Südfrankreich, im Herbst 1965, schreibt Celan an seine Frau:
"Ich habe Sie zutiefst verletzt, ich weiß es. Aber meine Rückkehr aus Frankfurt, das war gewissermaßen die Rückkehr des Kriegers - des jüdischen Kriegers."
Dieser Briefwechsel nimmt den Leser mit. Es ist die Geschichte eines großen Dichters und einer großen, verzweifelten Liebe, es ist die Geschichte eines Scheiterns. Und den bisher beispiellosen Interpretationen Peter Szondis zu Celans drei Berlin-Gedichten vom Dezember 1967, in denen Szondi, weil er dabei war, die Gedichte bis in ihre Anlässe und erste Inspirationen aufzeigte, können nun durch diesen Briefwechsel zahlreiche weitere hinzugefügt werden. Wie die Verleumdungen Claire Golls, wie der Antisemitismus in Deutschland nach 1945 auf Celan wirkten, wie ihm der Literaturbetrieb zusetzte, der mit all seinen Eitelkeiten und Intrigen für ihn nur als eine Ausweitung der Goll-Äffäre erkennbar war - das ist hier genauso nachzulesen wie die Entstehung einer Poesie, die unwiederholbar ist und keine "Schule" nach sich ziehen konnte. Celans Gedicht mußte im landläufigen Sinn immer "unverständlicher" werden, um sich möglich zu machen. Und dies ist immer noch ein Maßstab. Vielleicht liegt die einzige Chance, die Literatur heute hat, in genau dieser Sprachbewußtheit, dieser Unverständlichkeit.