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Britische Gemeinden in der Müllkrise

Müll wird auch in Großbritannien inzwischen fleißig getrennt, sortiert und recycelt. Das war sogar ein lohnendes Geschäft, denn die recycelten Rohstoffe ließen sich mit Gewinn vor allem nach China und Indien verkaufen. Doch mit der weltweiten Rezession ist die Nachfrage plötzlich eingebrochen, und die Briten wissen nun nicht mehr wohin mit ihrem Recycling-Müll. Deutschlandfunk-Korrespondent Martin Zagatta berichtet.

    Schon der dreijährigen Tochter wird erklärt, wie der Müll zu trennen ist. Recycling, bisher kein großes Thema im Königreich, wird ernst genommen in East Lindsey. Der Bezirk in der Grafschaft Lincolnshire an der englischen Ostküste gilt als Vorzeigemodell. 58 Prozent des Hausmülls werden hier inzwischen wiederverwertet, seit die Einwohner vor zwei Jahren für die Mülltrennung drei verschiedene Behälter erhalten haben.

    Abfalltonnen statt der Säcke, in die früher alles gesteckt wurde, das funktioniere gut. An die verschiedenen Behälter habe man sich inzwischen gewöhnt.

    In East Lindsey ist man stolz darauf, dass jetzt nur noch gut 20 000 Tonnen in der regionalen Mülldeponie landen zur Verbrennung, ein Drittel weniger als noch vor zwei Jahren. Eine landesweite Entwicklung. Seit die Regierung auf Druck der EU mit Geldstrafen droht, sind viele britische Gemeinden dazu übergegangen, ihren Abfall getrennt zu entsorgen. Immerhin fast 35 Prozent des Hausmülls werden so mittlerweile wiederverwertet.

    Berge von Altpapier in den Hallen eines Entsorgungsunternehmens in Ipswich. Die Müllverwertung, das neue Umweltbewusstsein auf der Insel hat von den deutlich gestiegen Rohstoff-Preisen profitiert. Für manche Gemeinden ist der Abfallhandel sogar zu einem lohnenden Geschäft geworden. Jetzt allerdings, wo als Folge der Finanzkrise auch die Preise für die Recycling-Produkte eingebrochen sind, quellen die Lager über.

    "So kann es nicht mehr weitergehen. Wir bekommen nur noch kleinere Lieferaufträge für Altpapier und Pappe und mit Plastik ist es noch schlimmer. Das werden wir im Moment überhaupt nicht los."

    Ruben Bolton, der mit seinem Bruder das Entsorgungsunternehmen in Ipswich betreibt, fürchtet sogar um seine Existenz. Für Altpapier, so klagt er, bekommt er statt 70 Pfund pro Tonne wie noch vor kurzem nun nur noch 15 Pfund, für Pappe statt 60 nur noch 20. Dosen und Metall wollten ihm die Zwischenhändler in diesen Tagen nur noch abnehmen, wenn sie dafür gar nichts zahlen müssten.

    Diese Müllkrise trifft Großbritannien besonders hart, weil der wiederverwertbare Abfall bisher zu großen Teilen exportiert wird. Fast drei Viertel des Altpapiers werden nach Asien verfrachtet, wo die Nachfrage nun besonders eingebrochen ist. Viele Gemeinden im Königreich, die gerade erst mit der Mülltrennung begonnen haben, wissen nun nicht mehr wohin mit Recycel-Abfall.

    "Die Gemeinden suchen Lagerflächen wie zum Beispiel frühere Militärstützpunkte oder stillgelegte Deponien für die Zwischenlagerung, bis die Preise wieder steigen. Darüber verhandeln wir mit der Umweltbehörde gerade - mit dem Ziel, es zu ermöglichen, wiederverwertbare Materialien in solchen Anlagen zu lagern."

    Und Edward Welsh von dem Verband der Kommunen fordert auch finanzielle Hilfen. Schließlich würden die Gemeinden von der Regierung ja zu dem jetzt kaum noch zu finanzierenden Recyceln gezwungen. Ironie des Schicksals: gerade die Kommunen, die besonders erfolgreich sind mit der Mülltrennung, haben jetzt oft die größten Probleme. Sie bleiben auf Bergen von Konservendosen und Altpapier sitzen und sehen wegen der Geschenkverpackungen dem Weihnachtsfest nun eher mit Schrecken entgegen.