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Britischer Dachs im Visier der Jäger

Der britische Dachs ist zum Abschuss freigegeben, zumindest in einer Region und zu Testzwecken. Ob sich damit allerdings die Verbreitung der Rindertuberkulose stoppen lässt, ist hoch umstritten. Tierschützer sind entsetzt.

Von Jochen Spengler | 04.10.2012
    Vor zwei Wochen wurde Bauern in der englischen Grafschaft Gloucestershire die Lizenz zum Töten erteilt. Extra ausgebildete Scharfschützen dürfen in wenigen Tagen damit beginnen, Tausende Dachse abzuschießen. Sie gelten als Überträger der Rindertuberkulose.

    "Zunächst einmal kommt die Krankheit von Kühen und nicht von Dachsen. Es ist total unfair, dass Dachse seit Jahren der Sündenbock sind",

    ärgert sich Brian May, Gitarrist der Rockgruppe Queen und einer jener Tierschützer, die sich gegen den Abschuss starkmachen:

    "Bauern töten Dachse schon seit vielen Jahren und zwar völlig ohne Effekt. Die Rindertuberkulose grassiert dennoch."

    Letztes Jahr sind in England 5,4 Millionen Rinder an der Seuche erkrankt, was Kosten von über 125 Millionen Euro verursacht hat. Regierungsstellen glauben, dass sich viele Kühe bei infizierten Dachsen anstecken. In einer Neun-Jahres-Studie wurde nachgewiesen, dass sich die Infektionskrankheit leicht eindämmen lässt, wenn man in einem betroffenen Gebiet 70 Prozent der Dachse keult. Erwischt man weniger, breitet sich die Rindertuberkulose weiter aus.

    Diese Studie ist Basis der Regierungsentscheidung, der Forderung des Bauernverbandes nachzugeben und als Pilotversuch den Dachsabschuss in Südwestengland zu starten. Ist er erfolgreich, soll überall Jagd auf den Dachs gemacht werden. Tierschützer wie Brian May sind indes überzeugt:

    "Das Töten der Dachse wird das Problem nicht lösen, das wurde immer wieder klar. Die Studie hat doch gezeigt, dass es nicht wirksam zur Kontrolle der Rindertuberkulose beiträgt. Das ist völlig zweifelsfrei."

    Und dann wendet sich die Rocklegende in einer Fernsehdiskussion an Adam Quinney, den Vizechef des Bauernverbandes, und fragt ihn:

    "Ich weiß nicht, wie sie nachts schlafen und ihren Kindern ins Gesicht sagen können: Ja, wir töten Tausende von Dachsen und vielleicht verringern wir dadurch die Krankheit ein wenig."

    "Die Beweise sind doch unwiderlegbar. Es gibt die Verbindung, dass Dachse die Krankheit verbreiten",

    antwortet der Bauernfunktionär:

    "Und ich schaue meinen Kindern in die Augen, die mich fragen: Papa, warum sterben die Kühe, warum tut ihr nichts dagegen?"

    Doch der Wissenschaftler, der die Studie verfasst hat, distanziert sich von dem Pilotversuch. Der sei sinnlos und verrückt, da niemand wisse, wie viele Dachse in einer Region leben und wann demzufolge 70 Prozent von ihnen getötet worden seien. Auch der Regierungsberater Professor Robert Watson gibt zu, dass man die Tuberkulose damit um höchstens ein Fünftel verringern könne.

    "Die Frage ist, ob der Abschuss kosteneffizient und sozial und ethisch angemessen ist. Das Keulen allein ist nicht die Lösung."

    Tierschützer, die zivilen Ungehorsam angekündigt haben, fordern stattdessen Impfungen. Für Dachse gibt es bereits einen teuren Impfstoff. Es sei aber aufwändig, die Tiere zu fangen und viel einfacher, sagt Professor Watson, die Kühe gegen Rindertuberkulose zu impfen.

    "Technisch gesehen ist der Rinderimpfstoff weitgehend entwickelt. Die Herausforderung besteht darin, die Politiker in der EU zu überzeugen, dass wir den Impfstoff auch benutzen dürfen."

    Denn noch sind Impfungen gegen Rindertuberkulose in der Europäischen Union verboten.