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Brüderle hat sich "ganz klar zu Rösler bekannt"

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle werde in der aktuellen Personaldebatte falsch zitiert, kritisiert der Bundestagsabgeordnete Jürgen Koppelin (FDP). Brüderle habe Parteichef Rösler klar Unterstützung zugesichert. Den "Schreiberlingen" gehe es offenbar darum, der FDP vor der Niedersachsenwahl zu schaden.

Jürgen Koppelin im Gespräch mit Martin Zagatta | 19.01.2013
    Jürgen Koppelin, MdB und Ehrenvorsitzender der FDP in Schleswig-Holstein
    Jürgen Koppelin, MdB und Ehrenvorsitzender der FDP in Schleswig-Holstein (Deutscher Bundestag)
    Rainer Brüderle: "Wir müssen die ganze Führung neu wählen, das steht satzungsgemäß an. Es hat ja keinen Sinn, dass man das zu lange rausschiebt, es ist für Mai geplant, das ist eine lange Zeit. Deshalb spricht schon einiges dafür, die Wahlentscheidung vorzuziehen, etwa Anfang März, Ende Februar."

    Martin Zagatta: Mit diesem überraschenden Vorstoß, den eigenen Parteichef Philipp Rösler öffentlich infrage zu stellen, und das so kurz vor der wichtigen Wahl in Niedersachsen, hat Rainer Brüderle ein verheerendes Presseecho heraufbeschworen. Die "FAZ" nennt die Freien Demokraten jetzt fiese Demokraten, in anderen Blättern heißt es, Brüderle macht gegen Rösler mobil, Brüderle wetzt die Messer oder Brüderle zückt den Dolch. Ob man so mit einem Parteichef umgehen kann, das können wir jetzt den FDP-Bundestagsabgeordneten Jürgen Koppelin fragen. Guten Morgen, Herr Koppelin!

    Jürgen Koppelin: Ja, guten Morgen!

    Zagatta: Herr Koppelin, Sie sind ja auch Ehrenvorsitzender der FDP in Schleswig Holstein, ist das noch eine Ehre, einer solchen Partei vorzusitzen?

    Koppelin: Na selbstverständlich, denn es ist ja so, das, was Sie da eben eingespielt haben, das kenne ich ja. Wenn man das mal sachlich nimmt, ist das eine Diskussion, die seit Wochen besteht, einfach um zu überlegen, ob man eine bestimmte Diskussion beenden muss. Es geht ja nicht nur um den Parteivorsitzenden, sondern insgesamt um die Führung der FDP, ob man die etwas eher dann wählt. Aber schon bei Ihrer Anmoderation, schnelle Entscheidungen, und all diese Dinger, da waren schon Fehler drin. Denn sehen Sie, es gibt Satzungen und da müsste zum Beispiel in den Landesverbänden müssen Delegierte gewählt werden, mit Vierwochenfrist und all diese Dinge, also das geht alles gar nicht so schnell. Ich stelle etwas anderes fest, auch wenn ich diese Medienlage sehe, die Sie ja auch richtig zitiert haben, da frage ich mich, ob da nur noch Volontäre bei den Zeitungen arbeiten. Denn in dem gleichen Interview, das könnten Sie ja vielleicht auch einspielen, hat Rainer Brüderle sich ganz klar zu Rösler bekannt und hat im Unterstützung zugesichert. Nur, das nimmt man nicht, sondern ich habe hier den Eindruck, na ja, nach den letzten Umfragen sieht es sehr gut aus für die FDP in Niedersachsen, es sieht auch gut aus für die jetzige Koalition von CDU und FDP in Niedersachsen, und da kommen natürlich einige und meinen, na ja, vielleicht werfen wir denen noch mal ein paar Knüppel zwischen die Beine. Mal sehen, ob es funktioniert, das hat ja schon mal in Rheinland-Pfalz funktioniert, da war auch dann Herr Brüderle derjenige, der das Opfer spielen musste.

    Zagatta: Also Sie sagen, es geht gar nicht darum, jetzt Brüderle abzusägen, sondern ihm den Rücken zu stärken. Haben wir das alle falsch verstanden, was Brüderle da gestern gesagt hat?

    Koppelin: Das haben Sie nicht falsch verstanden, aber Sie müssen auch dann mal richtig hinhören, er hat gesagt, man sollte es nicht zu lange hinausschieben. Dieser Parteitag ist für Mai vorgesehen, und Sie müssen sich ja doch vorstellen, wenn man den dann vorzieht, dann ist vielleicht Ruhe um die Personalie, wobei ich der Auffassung bin, das sage ich Ihnen auch mal, am Montag wird diese Diskussion beendet sein. Die FDP wird in Niedersachsen, weil sie auch gute Arbeit gemacht hat, auch ein gutes Ergebnis bekommen, die Koalition wird bestärkt sein, und die gleichen Volontäre oder Schreiberlinge in den Zeitungen, die sich jetzt über Herrn Brüderle hermachen, werden eine andere Sau durchs Dorf treiben.

    Zagatta: Ist es dann aber nicht ein ziemlicher Blödsinn, wenn man das mal so sagen darf, einen Tag oder zwei Tage vor der Wahl diese Diskussion genau so wieder anzuzetteln, wenn es am Montag, wenn Sie meinen, dann ohnehin schon wieder beendet ist?

    Koppelin: Ja, das hat er doch nicht angezettelt, das ist eine Diskussion, die schon Anfang des Jahres bestand, auch mit führenden Persönlichkeiten, die sich ähnlich geäußert haben. Auch Herr Rösler hat ja nicht gesagt, dass er dagegen ist, sondern ist da voll mit eingebunden. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man so einen Blödsinn wirklich schreiben kann, wenn Herr Brüderle zum Beispiel sagt, ich stehe zu Rösler, und anschließend – das haben Sie ja auch zitiert – heißt es dann, man würde Messer wetzen oder sonst was. Das ist einfach übel, und Sie werden das ja erleben, ab Montag wird man sich wieder auf andere Personen stürzen, auch von anderen Parteien, das haben wir ja alle schon erlebt: Da sucht man sich neue Opfer, und wenn es dann gar nicht mehr geht, dann schreiben wir über Bettina Wulff.

    Zagatta: Was hat sich denn seit dem Dreikönigstreffen geändert? Da war man ja der Meinung, so ein vorgezogener Parteitag würde nichts bringen, da hat man das nicht auf den Weg gebracht. Was hat sich da jetzt in diesen Wochen seither verändert?

    Koppelin: Na, es haben einige – ich auch, ich habe gesagt: Das bringt nicht viel. Aber ich merke auch immer mehr, vielleicht muss diese Diskussion auf diese Weise beendet werden, und sei es nur, dass man den Medien sagt: Guckt mal, die FDP ist geschlossen. Das wollen die ja nicht haben, sonst hätten sie ja gar nichts mehr zu schreiben. Es hat sich aber sehr viel geändert, nämlich, dass die Chancen der FDP in Niedersachsen erheblich gestiegen sind, wie sie auch in den Umfragen sehen, ja, dass sogar die Chancen, die Koalition fortzusetzen, gestiegen sind, und das war vor einigen Wochen noch anders, da schrieb man uns schon runter. So, und nun müssen die gleichen Leute noch versuchen, dass sie noch die Kurve kriegen und der FDP noch schaden wollen. Ich habe den Eindruck, wirklich, es geht einigen Medienleuten geht es nur noch darum, der FDP zu schaden, und das ist das Ergebnis, was ich heute in den Medien lese. Unsere Freunde in Niedersachsen sollten sich davon nicht verrückt machen lassen, es sind die gleichen Leute, die sich morgen auf andere stürzen oder ein anderes Schwein durchs Dorf treiben.

    Zagatta: Aber die Wähler in Niedersachsen lesen ja auch Zeitungen, und der Spitzenkandidat dort, der hat sich jetzt auch ziemlich verärgert gezeigt – er habe überhaupt keinen Sinn für solche Diskussionen, hat Stefan Birkner gesagt. Herr Koppelin, schmälert das nicht tatsächlich die Wahlchancen, wenn eine Partei so kurz vor einer so wichtigen Wahl ihre Führung so offen infrage stellt?

    Koppelin: Ich sage ja noch mal, dass das einfach nicht stimmt, sondern dass irgendwelche Leute in Zeitungen das noch mal schreiben am Tag vor der Wahl, wir wollen auch noch mal der FDP Knüppel zwischen die Beine werfen. Das ist doch hier die Zielsetzung, den vorher haben sie ja geschrieben, Rot-Grün gewinnt, und nun scheint das also nicht mehr der Fall zu sein. Sie müssen ja auch sehen, es ist zum Beispiel der Christian Lindner zitiert, mein Freund aus Nordrhein-Westfalen. Der hat nur gesagt, wenn die Partei der Meinung ist, wir brauchen einen vorgezogenen Parteitag, dann werden wir uns nicht widersetzen, er hat es ein bisschen anders formuliert. Aber er hat weder Unterstützung noch sonst irgendwas gesagt. Das wird aber völlig falsch ausgelegt, man muss ja nur mal sehen, was die Leute gesagt haben. Und wie man dann zu bestimmten Auslegungen kommen kann, da wundere ich mich. Ich kann nur sagen, unsere Freunde in Niedersachsen haben einen ausgesprochen guten Wahlkampf jetzt gemacht, und Sie werden sehen, am Sonntagmorgen wird also die FDP wieder reinkommen, das haben viele nie geglaubt, die FDP hat es geschafft mit einem ordentlichen Wahlkampf, aber auch, weil die Menschen sehen, die Alternative Rot-Grün zu Schwarz-Gelb in Niedersachsen, dann doch lieber bei Schwarz-Gelb bleiben.

    Zagatta: Und wenn es so kommt, dann kann Rösler weitermachen?

    Koppelin: Darüber diskutieren wir doch am Montag ganz ruhig im Bundesvorstand. Wir müssen auch mal hören, was der Bundesvorsitzende selber sagt. Aber wissen Sie was, wenn die FDP wieder reinkommt, nach dem, was wir in den letzten Wochen erlebt haben, wie man die FDP runtergeschrieben hat, wird wahrscheinlich die FDP in guter Stimmung sein, man wird sich freuen, und man wird eine ganz – Sie werden das erleben – wir werden eine ganz ruhige Bundesvorstandssitzung haben, und die Journalisten werden draußen vor der Tür stehen, der eine oder andere wird das Taschentuch zücken, Tränen in den Augen, weil er völlig daneben gelegen hat.

    Zagatta: Meinen Sie, ja?

    Koppelin: Ja, das meine ich!

    Zagatta: Haben Sie noch volles Vertrauen in Rösler?

    Koppelin: Er ist mein Freund.

    Zagatta: Warum gibt es diese ganze Diskussion dann überhaupt, warum liefert man da den Journalisten den Stoff, den die dann so falsch interpretieren, wie Sie das sagen?

    Koppelin: Das ist eine gute Frage, aber es wird ja inzwischen also wirklich jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, also nicht nur bei der FDP. Sie können ja auch das eine oder andere von Herrn Steinbrück nehmen, wo man manchmal auch den Kopf schüttelt und sagt, na ja, das hätte er auch anders sagen können. Und die Medien ziehen drüber her, und es wird demnächst wieder jemand anders treffen. Das ist heute so in dieser Konkurrenz der Auflage, wer bringt die beste Sensation, Harmonie verkauft sich nicht, also müssen wir in den Medien etwas über Streit schreiben, das verkauft sich dann gut. Und das Schlimme ist ja – ich komme ja selber aus dem Journalismus, bin ja lange Journalist gewesen –, der eine schreibt vom anderen ab. Heute auch Ihre Anmoderation, die haben Sie ja auch irgendwo abgeschrieben von irgendwelcher Zeitung …

    Zagatta: Ich habe Zeitungen zitiert, natürlich, klar doch.

    Koppelin: Ja, natürlich, aber Sie haben gesagt, schneller Parteitag und all diese Dinge – einer schreibt plötzlich vom anderen ab, und dann wird das eine Lawine, statt sich überhaupt selber mal den Text anzugucken. Sie waren ja noch so freundlich und haben den Text eingespielt, aber sich den Text anzugucken und sagen, hat er ja eigentlich gar nicht gesagt – da sitzt irgendwo jemand als Volontär, schreibt da irgendwas auf "Spiegel online" oder sonst was, und alle anderen schreiben ab. Es ist ein Trauerspiel, was der Journalismus in Deutschland teilweise liefert. Da muss man sich nicht wundern, dass die Menschen nicht politik-, aber parteienverdrossen werden. Dabei liefern die Parteien alleine nicht diese Möglichkeit oder diese Argumente, sondern es ist ein schlimmer Zustand, den wir im Journalismus haben.

    Zagatta: Aber die Parteien liefern doch genau diese Aussagen. Und, Herr Koppelin, bei aller Kritik, die Sie da an den Medien äußern, Herr Brüderle ist doch kein Anfänger, der hat das doch gestern wahrscheinlich nicht gesagt, weil er ein Glas Wein zu viel getrunken hat, sondern das hat er doch wohl überlegt gesagt.

    Koppelin: Das ist ja wohl überlegt – natürlich hat er das wohl überlegt gesagt, aber die anderen Sätze, die er davor, direkt davor gesagt hat, das können Sie ja alles nachlesen, dass er zu Rösler steht und all diese Dinge, ja, da kann man dort doch nicht … also das muss man dann doch mit zitieren, das gehört auch zur Fairness dazu.

    Zagatta: Aber das ist doch klar, dass ein Fraktionsvorsitzender im Bundestag zu seinem Parteichef steht, ich meine, wo kommen wir dann hin?

    Koppelin: Ja, aber Entschuldigung, dann widersprechen Sie sich jetzt selber.

    Zagatta: Nein, …

    Koppelin: auf der einen Seite …

    Zagatta: … dass er öffentlich zu ihm steht, das ist doch ganz klar. Wieso kann er ihn denn öffentlich infrage stellen … ?

    Koppelin: Ja, aber das hat er doch gar nicht getan. Ich weiß überhaupt nicht, wie man auf diese Idee kommen kann, das so entsprechend auszulegen. Es geht auch nicht um Philipp Rösler, es geht um den Gedanken, wählen wir unsere ganze Bundesspitze neu, es geht ja dann um die Neuwahl der gesamtem Bundesspitze, da sind ja alle mit eingebunden, auch Herr Brüderle und wer auch immer da dabei ist, damit vielleicht Schluss ist mit der Diskussion, damit die Medien zu dem Punkt zumindest nichts mehr zu schreiben haben.

    Zagatta: Aber warum sollte man das machen, es läuft doch alles auf diese Diskussion um Herrn Rösler hinaus, wenn Sie ehrlich sind. Und wenn man wie ein Fraktionsvorsitzender, wie ein erfahrener Politiker wie Rainer Brüderle, weiß, wie so etwas in den Medien ankommt, was jetzt die Wähler auch in Niedersachsen lesen, ob es gerechtfertigt oder nicht ist, was soll dann diese Diskussion? Schadet er dann nicht der FDP?

    Koppelin: Nein, schaden wollen diejenigen, die dann das falsch auslegen. Ich meine, ich merke ja, dass Sie hier jetzt auch gerade einen Eiertanz machen, indem ich Ihnen ja sage …

    Zagatta: Den würde ich Ihnen unterstellen!

    Koppelin: Nein, indem ich Ihnen ja sage, warum wird das andere, was er gesagt hat zu Rösler in diesem Interview, warum wird das nicht eingespielt und zitiert.

    Zagatta: Weil das doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist für einen Fraktionsvorsitzenden.

    Koppelin: Ja, aber das darf man doch nicht unterschlagen. Auch Selbstverständlichkeiten sollte man vielleicht nicht unterschlagen als Journalist, sondern sollte sagen, das hat er gesagt, und dann hat er das auch gesagt. Dann kriegt das Ganze ein anderes Gewicht. Hier geht es darum, das ist mein Eindruck, wenn ich die Medienlage heute sehe, wollen wir noch mal ordentlich der FDP schaden. Ich hoffe, die Wähler lassen sich davon nicht verrückt machen, von dem, was die Medien schreiben.

    Zagatta: Also ich glaube, das können wir zumindest für die meisten Journalisten zurückweisen, wir haben ja auch über die Umfragen und die …

    Koppelin: Ja, Sie weisen es zurück, aber ohne Argumente …

    Zagatta: Nein, nein!

    Koppelin: Nein, nein, man muss ordentlich zitieren, und man muss nicht Schlussfolgerungen ziehen, die einfach so nicht stimmen, und Zitate auch teilweise verfälschen, wie ich das heute in den Medien lese.

    Zagatta: Also, aber wir halten doch fest, wir haben die Umfragen genau so erwähnt, wonach die FDP wieder Chancen hätte, da gibt es doch keinen bösen Willen. Es geht um diese Aussage von Herrn Brüderle, und das sind offensichtlich unterschiedliche Meinungen.

    Koppelin: Es geht aber darum, jetzt der FDP für die Landtagswahlen noch mal zu schaden. Da geht doch kein Weg dran vorbei, also man muss doch, wenn, das ganze Interview muss man doch sehen. Ich habe mir das ja nicht nur angesehen, ich habe auch den Text nachgelesen, es ist schon ein bisschen bösartig, was da läuft.

    Zagatta: Herr Koppelin, das glaube ich zwar nicht, aber das sind unterschiedliche …

    Koppelin: Glauben Sie, glauben heißt nicht wissen.

    Zagatta: So ist das, da sind wir unterschiedlicher Meinung.

    Koppelin: Ich wünsche Ihnen aber einen schönen guten Tag!

    Zagatta: Den wünsche ich Ihnen auch, da bleiben wir sicher unterschiedlicher Meinung.

    Koppelin: Ja, bitte schön!

    Zagatta: Herr Koppelin, herzlichen Dank für das Gespräch! Das war Jürgen Koppelin, der FDP-Bundestagsabgeordnete und Ehrenvorsitzende seiner Partei in Schleswig-Holstein.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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