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Brunftschreie aus Brandenburg

Während die Menschen gerne im Frühjahr in Hormon-Stress geraten, legen sich die Rothirsche eher im Herbst ins Zeug. Ende September beginnt bei den Huftieren die Paarungszeit, die so genannte Brunft-Zeit. Dann muss der Hirsch zum einen Rivalen aus dem Feld schlagen, ständig seine Vorherrschaft im Rudel verteidigen - daher auch der Begriff Platzhirsch - zum anderen muss er aber natürlich auch erstmal um die Gunst der Hirschkuh kämpfen. Und das tut er lautstark, und fast ausschließlich in der Dämmerung und in der Nacht. Dieses einzigartige Naturschauspiel ist auch in den Wäldern um Ragow zu beobachten.

Von Vanja Budde |
    Kiefern in schnurgeraden Reihen und ein paar Birken wachsen auf dem kargen, sandigen Waldboden. In der Morgendämmerung sieht man die schlanken Stämme nur schemenhaft. Es duftet nach Harz, Kiefernadeln und Pilzen. Als Anton-Wilhelm Jansen um fünf Uhr morgens auf den Hochsitz geklettert ist, war es noch stockdunkel. Jetzt wird es langsam hell. Es ist kalt, so um die Null Grad. Jansen, Jäger und Hotelier aus Friesland, hat sich in einen grünen Jagdsack gehüllt und wartet geduldig. Ein urtümlicher Laut schallt in einiger Entfernung aus dem Unterholz. Ein Hirsch röhrt. Langsam kommt er näher. Anton-Wilhelm Jansen macht das Gewehr scharf und späht angespannt durchs Zielfernrohr. Rotwild ist normalerweise extrem scheu. Nur während der Brunft sind die Hirsche so aufgewühlt, dass sie laut röhrend durchs Unterholz wandern. Plötzlich ist er da, der Hirsch:

    " Das ist ein ganz Großer! Ein Riesenhirsch! "

    Ein kräftiger, dunkelbrauner Hirsch mit majestätischem Geweih tritt aus dem Wald, zögert kurz und springt dann mit einem eleganten Satz lautlos quer über den Waldweg:

    " Das war ein unheimlich Großer. Der war nicht frei. Das war ein Riesenhirsch! Das ist auch nach wie vor der König der Wälder, das ist faszinierend! "

    Schießen darf Janssen nicht. Denn der Jagdherr aus Niedersachsen, dem hier alles gehört, hat nur junge und kranke Hirsche zum Abschuss freigegeben. Die Prachtexemplare sollen weiter um die Hirschkühe kämpfen und die Väter der neuen Kälber werden. Enttäuscht ist der Jäger aber nicht. Schon der Anblick eines Rothirsches lohnt das stundenlange Bibbern in der Kälte, schwärmt er:

    " Ich glaub bei mir ist das so, weil der Hirsch als König der Wälder das stolzeste Wild ist, das wir in den deutschen Wäldern haben. Wenn so ein Hirsch hier majestätisch durchs Holz zieht, das hat etwas. Das ist früher schon immer das königliche Wild gewesen. Und wenn man jagen darf auf ein edles Wild, das ist, glaube ich, das Reizvolle für uns. "

    Es ist acht Uhr und endgültig hell. Die Hirsche ziehen sich ins Dickicht zurück. Janssen steigt vom Hochsitz. Er ist mit Freunden hier, die ringsum im Wald auf anderen Hochsitzen gelauert haben:

    " Auf zu den heimischen Rühreitöpfen! "

    Auf dem Weg zu den Autos begegnen die Jäger der Revierförsterin. Sie hat auch in der Dämmerung die brunftenden Hirsche beobachtet:

    " Es ist nicht mehr so häufig, auch nicht in Brandenburg, dass die Hirsche in dem Maße schreien, dass es so eine Population gibt an Rotwild. Rotwild braucht nun mal große, zusammenhängende Waldflächen, also Lebensräume allgemein. Und andererseits ist es natürlich auch eine Frage der Jagd. "

    Denn dass es hier so viele Rothirsche gibt, ist eine Entscheidung des Jagdherrn. Viele andere Waldbesitzer lassen möglichst viele Hirsche abschießen. Denn sie schälen im Winter die Rinde der jungen Bäume ab:

    " Die müssen ja auch was fressen, so große Tiere und wenn sie in der Anzahl auftreten. Also darf man das nicht aus den Augen verlieren, dass die auch sichtbare Schäden hinterlassen. Und nun ist die Frage: Was will man? Will man das Rotwild oder will man den Wald - oder beides? Und dann muss man sein Ziel definieren und konsequent verfolgen. Und in dem Fall ist hier eben das Ziel Rotwild. Und nu haben wir hier eben so ein Naturschauspiel in dieser Ecke Brandenburgs. "