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Brustkrebs besser behandeln

Rund 57.000 Frauen sind im vergangenen Jahr in Deutschland an Brustkrebs erkrankt. Brustkrebs ist damit bei Frauen die häufigste Tumorart. Experten aus 90 Ländern haben vergangene Woche auf dem Europäischen Brustkrebskongress in Berlin über Strategien beraten, wie sich die Brustkrebserkennung und -behandlung noch weiter verbessern lässt.

Ein Beitrag von William Vorsatz. | 22.04.2008
    Immer häufiger wird bei Frauen Brustkrebs diagnostiziert. Die Zahl der entdeckten Fälle steigt jährlich im Schnitt um ein bis zwei Prozent. Zum einen, weil die Diagnostik ständig besser wird, beispielsweise durch das flächendeckende Mammographie-Screening. Aber Brustkrebs wird auch durch eine veränderte Lebensweise verursacht: Prof. Emiel Rutgers vom Niederländischen Krebsinstitut in Amsterdam:

    "Das Risiko, Brustkrebs zu bekommen, wächst mit der Anzahl der Menstruationszyklen, ausgelöst durch die weiblichen Hormone, die Östrogene. Je öfter das passiert, desto größer das Risiko. So hat ein Mädchen, das die erste Menstruation mit 17 hat und das erste Kind mit 20 und dann 5 Kinder bekommt und sie stillt und ihre Menopause vor dem 50. Lebensjahr hat, nur ein Drittel des Risikos, an Brustkrebs zu erkranken, wie ihre Schwester oder wer auch immer, die ihre erste Menstruation mit 12 bekommt, keine Kinder hat und die Menopause nach 55 oder 50."

    Auch das zunehmende Übergewicht vieler Frauen wirkt sich aus. Das Fettgewebe im Bauchraum baut Vorläufermoleküle von Östrogenen auf. Diese erhöhen ebenfalls das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Fettleibigkeit und Bewegungsmangel sind für jeden dritten Brustkrebs nach der Menopause verantwortlich sind, schätzen die Experten. Statistische Daten verdeutlichen: Übergewichtige Frauen gehen im Durchschnitt erst später zum Arzt. Evandro de Azambuja und seine Kollegen vom Jules Bordet Institut in Brüssel haben rund 3000 Patientinnen untersucht. Jede Fünfte von ihnen hat zu viel gewogen:

    "Bei diesen Patientinnen wird Brustkrebs später diagnostiziert. Sie kommen mit fortgeschrittenen Tumoren, die größer sind. Und in unserem Fall haben wir gesehen, dass unsere Übergewichtigen schon mehr Herz- und Gefäßerkrankungen und Diabetes hatten - am Anfang bei der Diagnose und vor dem Beginn einer Chemotherapie. Sie kommen also schon mit weiteren anderen Erkrankungen. "

    Und sie haben damit geringere Überlebens-Chancen. Auch, weil sie bei Chemotherapien wahrscheinlich oft zu geringe Medikamentendosen im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht bekommen, also unterbehandelt werden. Insgesamt gesehen werden die Brustkrebsbehandlungen jedoch immer wirksamer und gleichen die steigenden Erkrankungszahlen wieder aus.

    So ist die Sterblichkeit im Vergleich zu anderen Krebsarten in den letzten Jahren nicht gestiegen. Und die Therapien werden immer schonender. Weil der Brustkrebs früher erkannt wird, müssen die Chirurgen nicht mehr so viel Gewebe entfernen. Ihnen stehen außerdem neue molekulare Testmethoden für maßgeschneiderte und genau dosierte Chemotherapien zur Verfügung, Allerdings kommen gesicherte Forschungsergebnisse noch nicht schnell genug überall im klinischen Alltag an, klagt Professorin Nadia Harbeck von der TU München. Beispielsweise aus der Tumorbiologie, wo bestimmte Eiweißkonzentrationen im Tumorgewebe gemessen und ausgewertet werden:

    "Wir haben in Deutschland die ersten Faktoren, die Patienten zeigen können, ob sie eine Chemotherapie brauchen, ja oder nein. Die Faktoren haben wir seit 2002 in den Guidelines. Sie sind in Deutschland nicht in allen Kliniken etabliert, obwohl es ein günstiger Test ist, der kann wirklich bei 50 Prozent der Patienten die Chemotherapie vermeiden."

    Zertifizierte Brustkrebszentren sind hoch spezialisiert und bieten höhere Qualitätsstandards als allgemeine Kliniken. Frauen mit Brustkrebs sollten sich deshalb dort behandeln lassen. Aber schon bei der Vorsorge hilft Eigenverantwortung. Durch regelmäßige Teilnahme am Mammographie-Screening lässt sich das Sterberisiko um ein Drittel senken, sagen die Mediziner. Bisher nimmt allerdings nur jede zweite Frau im Alter, also zwischen 50 und 70, an solch einem Screening teil.