Roms Siege haben sich in Niederlagen verwandelt; die bezwungenen Völker und die aus ihnen nach Rom verschleppten Menschen nutzen die Korruption des Weltzentrums für eigene brutale und grausame Machtspiele.
Das Imperium vergiftet sich an der Kultur der Besiegten, im Erfolg schlummert der Untergang. In der Shakespearschen Geschichte vom Titus Andronikus und seiner geschändeten Tochter Lavinia, in den zahllosen Morden, Vergewaltigungen, im Kannibalismus und der scheinbar sinnlosen Gewalt erkannte Heiner Müller in den achtziger Jahren Material für seine bevorzugte Theorie der Geschichte: Menschen lernen nur in Katastrophen. Der "Menschheit die Adern aufgeschlagen wie ein Buch, im Blutstrom blättern", das sind denn auch die Worte aus dem Off, noch bevor die Aufführung beginnt.
Aber am Deutschen Theater ist kein Katastrophendekor aufgebaut; der Blick fällt in einen schwarzen, leeren Raum und zunächst sind die acht Akteure zu einer Gruppe im Bühnenhintergrund formiert, sprechen die Texte im Chor und erobern langsam das leere Spielfeld.
Erst allmählich werden aus ihnen die Figuren einer Mordgeschichte, in die Müller immer wieder Exkurse eingelagert hat, zum Beispiel auch über den Rollentausch von Jäger und Beute, den Untergang der Metropolen, die Transformation der Philomela: Ovid hatte in seinen Metamorphosen die vergewaltigte Philomela, der ihr Vergewaltiger die Zunge herausgeschnitten hat, in eine Nachtigall verwandelt, und Müller interessiert, wie noch aus dem Grauen selbst der Urstoff der Kunst werden kann.
Wenn aber Dimiter Gotscheff die wohl grässlichste Szene der abendländischen Theatergeschichte, die Vergewaltigung und Verstümmelung der Titus-Tochter Lavinia inszeniert, der wie ihr mythisches Vorbild die Zunge abgeschnitten wird, dann ist kein Blut zu sein, wird kein Horror inszeniert.
Wie schon in den "Persern" des Aischylos und zuletzt mit Müllers "Hamletmaschine" will der Regisseur das Theater mit großen einfachen Bildern wieder in den Dienst der Sprache stellen. Müller wollte aus dem Blutstrom die Geschichte lesen, mit der ihm eigenen Kraftsprache, die irgendwie doch auch etwas Präpotentes hat und etwas mutwillig Heroisches, aber Gotscheff geht, gut zwanzig Jahre nach der Entstehung in eine halbironische Distanz: Sein Schauspielertheater nimmt Müllers wortmächtige Sprache ganz kindlich verspielt. Allen voran die vorzüglichen Wolfram Koch und Samuel Finzi als Titus Andronikus und Neger Aaron im Gefolge der nach Rom verschleppten Gotenkönigin Tamora sind ein lustvoll kraftmeierndes Duo.
Dimiter Gotscheffs karg-wirkungsvolle Inszenierung verzichtet vollends auf das Blutrünstige und auf vordergründige Schreckensbilder zugunsten einfacher theatralischer Mittel. Das einzige Requisit ist ein riesiges gelbes Seidentuch, das mal über den Köpfen der Akteure weht, mal langsam auf die Bühne herabsinkt, mal kurz gefasst als Vorhang eines ambulanten Puppentheaters dient, mal kreist, umringt von den Akteuren, so als wäre der Tanz ums goldene Kalb zu erzählen.
All das ist wunderschön, eben die uralte Anmut des seidenen Tuchs auf einer Theaterbühne, es bleibt aber oft genug ästhetischer Selbstzweck ohne einleuchtende Bedeutung. Erst am Ende, wenn die Überlebenden nur noch manisch zuckende, zerrüttete Kreaturen sind, den Bürgerkrieg und die grausamen Spiele der Macht als untote Opfer überlebt haben, plumpst der riesige gelbe Vorhang, zum Bündel gerafft, wie eine schwere Masse auf den Boden.
Die Spielerei der Menschen, das luftig Leichte ist bleierne Geschichtswirklichkeit geworden, die die Menschen erschlägt. Hier wurde die Geschichte zwar ohne Blut geschrieben, aber auch in diesem Theater plumpst dennoch auch die heiterste Leitmetapher auf den Boden wie Müllersches Granit.
Das Imperium vergiftet sich an der Kultur der Besiegten, im Erfolg schlummert der Untergang. In der Shakespearschen Geschichte vom Titus Andronikus und seiner geschändeten Tochter Lavinia, in den zahllosen Morden, Vergewaltigungen, im Kannibalismus und der scheinbar sinnlosen Gewalt erkannte Heiner Müller in den achtziger Jahren Material für seine bevorzugte Theorie der Geschichte: Menschen lernen nur in Katastrophen. Der "Menschheit die Adern aufgeschlagen wie ein Buch, im Blutstrom blättern", das sind denn auch die Worte aus dem Off, noch bevor die Aufführung beginnt.
Aber am Deutschen Theater ist kein Katastrophendekor aufgebaut; der Blick fällt in einen schwarzen, leeren Raum und zunächst sind die acht Akteure zu einer Gruppe im Bühnenhintergrund formiert, sprechen die Texte im Chor und erobern langsam das leere Spielfeld.
Erst allmählich werden aus ihnen die Figuren einer Mordgeschichte, in die Müller immer wieder Exkurse eingelagert hat, zum Beispiel auch über den Rollentausch von Jäger und Beute, den Untergang der Metropolen, die Transformation der Philomela: Ovid hatte in seinen Metamorphosen die vergewaltigte Philomela, der ihr Vergewaltiger die Zunge herausgeschnitten hat, in eine Nachtigall verwandelt, und Müller interessiert, wie noch aus dem Grauen selbst der Urstoff der Kunst werden kann.
Wenn aber Dimiter Gotscheff die wohl grässlichste Szene der abendländischen Theatergeschichte, die Vergewaltigung und Verstümmelung der Titus-Tochter Lavinia inszeniert, der wie ihr mythisches Vorbild die Zunge abgeschnitten wird, dann ist kein Blut zu sein, wird kein Horror inszeniert.
Wie schon in den "Persern" des Aischylos und zuletzt mit Müllers "Hamletmaschine" will der Regisseur das Theater mit großen einfachen Bildern wieder in den Dienst der Sprache stellen. Müller wollte aus dem Blutstrom die Geschichte lesen, mit der ihm eigenen Kraftsprache, die irgendwie doch auch etwas Präpotentes hat und etwas mutwillig Heroisches, aber Gotscheff geht, gut zwanzig Jahre nach der Entstehung in eine halbironische Distanz: Sein Schauspielertheater nimmt Müllers wortmächtige Sprache ganz kindlich verspielt. Allen voran die vorzüglichen Wolfram Koch und Samuel Finzi als Titus Andronikus und Neger Aaron im Gefolge der nach Rom verschleppten Gotenkönigin Tamora sind ein lustvoll kraftmeierndes Duo.
Dimiter Gotscheffs karg-wirkungsvolle Inszenierung verzichtet vollends auf das Blutrünstige und auf vordergründige Schreckensbilder zugunsten einfacher theatralischer Mittel. Das einzige Requisit ist ein riesiges gelbes Seidentuch, das mal über den Köpfen der Akteure weht, mal langsam auf die Bühne herabsinkt, mal kurz gefasst als Vorhang eines ambulanten Puppentheaters dient, mal kreist, umringt von den Akteuren, so als wäre der Tanz ums goldene Kalb zu erzählen.
All das ist wunderschön, eben die uralte Anmut des seidenen Tuchs auf einer Theaterbühne, es bleibt aber oft genug ästhetischer Selbstzweck ohne einleuchtende Bedeutung. Erst am Ende, wenn die Überlebenden nur noch manisch zuckende, zerrüttete Kreaturen sind, den Bürgerkrieg und die grausamen Spiele der Macht als untote Opfer überlebt haben, plumpst der riesige gelbe Vorhang, zum Bündel gerafft, wie eine schwere Masse auf den Boden.
Die Spielerei der Menschen, das luftig Leichte ist bleierne Geschichtswirklichkeit geworden, die die Menschen erschlägt. Hier wurde die Geschichte zwar ohne Blut geschrieben, aber auch in diesem Theater plumpst dennoch auch die heiterste Leitmetapher auf den Boden wie Müllersches Granit.