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BSE in Frankreich

Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn hat im Zusammenhang mit der Rinderseuche BSE vom Bund erneut stärkeren Schutz für den Verbraucher gefordert. Viele hätten noch nicht verstanden, dass Politik dem Verbraucherschutz eine höhere Priorität einräumen müsse, sagte Höhn dem Kölner «Express». Oft sei das Verhältnis zu Nachbarstaaten wichtiger als der Verbraucherschutz. Die Bundesländer sollten in der nächsten Sitzung des Bundesrates den Weg für ein neues Exportverbot für Rindfleisch aus Großbritannien und Frankreich stark machen, so die Ministerin. In Frankreich ist die Zahl der an BSE erkrankten Rinder in diesem Jahr besonders stark gestiegen. Viele Restaurants streichen heimisches Rindfleisch von der Speisekarte, nachdem bekannt wurde, dass Fleisch aus einer BSE-verseuchten Herde in die menschliche Nahrungskette geraten ist. Über die Lage in unserem Nachbarland informiert Sie jetzt Suzanne Krause.

von: Suzanne Krause |
    Rinderwahn, die große Angst, lautet der Titel der Sondersendung, die der private Fernsehsender M6 heute Abend ausstrahlt. Was kann man denn bloß noch essen?, fragt die Boulevardzeitung Le Parisien heute in dicken Lettern auf Seite 1. Am vergangenen Freitag berichtete die linke Tageszeitung Libération, dass es möglicherweise demnächst keine Rinderkoteletts mit Knochen mehr im französischen Handel geben werde. Um jede Infektionsgefahr mit eventuell BSE-verseuchtem Rückenmark auszuschließen. Seit zwei Wochen beherrscht das Thema vache folle, Rinderwahn, erneut die Schlagzeilen. Den Verbraucher reichts:

    Ja, ich bin sehr beunruhigt, bislang habe ich mir keine Sorgen gemacht, das ist nun anders angesichts solcher Nachlässigkeit.

    Mir scheint, dass es bei der modernen Landwirtschaft mehr um Profit als um Gesundheitsfragen geht. Ich versuche, das zu tun, was möglich ist, meine Familie gesund zu ernähren, mehr kann man nicht machen.

    Der Rindfleisch-Umsatz ist erneut um 20% eingebrochen, die Preise purzeln. Genau wie der Umsatz der Züchter. Ein Ende ist nicht absehbar: vergangenen Freitag wurden erneut Fälle von Rinderwahn entdeckt: 86 befallene Tiere alleine in diesem Jahr. Wie üblich, wird da unbesehen gleich die ganze Herde geschlachtet und vernichtet: bislang 18.000 Rinder. Ein hoher Tribut an die Politik der précaution, der Vorbeugung, die sich die französische Regierung 1995 per Gesetz auferlegt hat. Gestern Abend sprach sich Landwirtschaftsminister Glavany für das totale Verbot von Tiermehl im Tierfutter aus. Für die Rinderzucht gilt dies seit 1990. Würden auch Schweine, Geflügel und Zuchtfische kein Tiermehl im Futter mehr bekommen, beliefe sich die Rechnung für die Umstellung nach Expertenmeinung auf bis zu 1,5 Milliarden Mark. Mit der Frage des totalen Tiermehl-Verbots beschäftigen sich nun die Wissenschaftler bei der staatlichen Agentur für die sanitäre Sicherheit von Lebensmitteln. Eine Einrichtung, die zur Bekämpfung des Rinderwahns aus der Taufe gehoben wurde und die europaweit kaum ein Pendant kennt. Ebenso wenig wie das Centre d’Information des Viandes, CIV abgekürzt, das Informationszentrum für Fleisch. Zum CIV, 1987 gegründet, gehören die Fleischproduzenten im Land ebenso wie ein Rat unabhängiger Wissenschaftler, wie ein Rat, in dem Vertreter der Behörden und der Verbraucherverbände sitzen. Louis Orenga ist Direktor der Einrichtung:

    Frankreich ist das Land in Europa, wenn nicht weltweit, welches am meisten Vorkehrungen zum Schutz vor BSE getroffen hat. Denn Frankreich ist das Land, in dem die meisten Tests durchgeführt werden. Und das erste Land, neben Großbritannien, das alle Produkte verboten hat, die potentiell mit BSE kontaminiert sein könnten, wie Hirn, Rückenmark und so weiter.

    Das Testprogramm der Regierung, im vergangenen Juli gestartet, ist gigantisch: es umfasst 48.000 Rinder, die zur potenziellen Risikogruppe gehören. Landwirtschaftsminister Glavany wiederholt Mal um Mal: je mehr wir suchen, desto mehr finden wir. Für Mitte November hat er eine multidisziplinäre Konferenz angesetzt: Gelegenheit, die neuen Maßnahmen zu untersuchen, wie eine Übertragung der BSE-Krankheit verhindert werden kann. Die Drohung aus Deutschland, den Import französischen Rindfleischs verbieten zu wollen, löst so bei Louis Orenga vom Informationszentrum für Fleisch Unverständnis aus.

    Louis Orenga: Da sind wir in einem Bereich, der mit dem der Politik nichts mehr zu tun hat. Denn die Wissenschaftler haben die europäischen Länder auf ihr jeweiliges Risiko im Bereich BSE klassifiziert. Und da findet sich Deutschland in derselben Risikogruppe wie Frankreich. Ich meine also, dass es nicht normal ist, dass ein Land, das zur selben Risikogruppe gehört wie Frankreich, das aber nicht dieselben Sicherheitsvorkehrungen durchführt wie Frankreich, behaupten kann, dass Fleisch aus Frankreich höhere Risiken enthält als Fleisch aus dem eigenen Land.

    Die französische Regierung streitet dafür, eine Agentur für Lebensmittelsicherheit auf europäischer Ebene aufzubauen. Doch die totale Sicherheit für den Verbraucher lässt sich auch damit nicht garantieren:

    Das Risiko Null existiert nicht. Nirgendwo, in keinem Bereich. Deshalb informierten wir die Franzosen über alle Maßnahmen, die ergriffen werden. Damit sie wissen, dass sie die letztendliche Verantwortung haben, welches Produkt sie wählen.