Ein Bürokomplex im Osten von Toronto. Martin Popoff öffnet mir die Tür und lässt mich in sein Reich: "Hello, come in".
Das Ein-Raum-Zimmer ist so, wie man sich das von einem Fan vorstellt. Jeder Zentimeter an der Wand ist mit Schallplatten seiner Idole zugestellt: AC/DC, Rush, Pink Floyd, Queen und Iron Maiden sind besonders stark vertreten. Über diese Bands hat Popoff auch schon Bücher geschrieben. Jetzt also "Led Zeppelin: Musik und Mythos". Angefangen hat seine Liebe in den 70ern im Alter von zehn Jahren in einer Kleinstadt in British Columbia: "Led Zeppelins Alben III und IV gehörten wohl zu den ersten harten Heavy Metal Alben, die wir jemals gehört haben."
Wegbereiter des Heavy Metal
Led Zeppelin und die Anfänge des Heavy Metal? Kritiker streiten sich immer noch, wie viel Anteil die Band daran gehabt hat. Es gibt unzählige Bücher darüber. Und auch Martin Popoff spricht das Thema in den 250 Seiten immer wieder an. Für ihn ist es aber ein Miteinander: The Who, Deep Purple und Black Sabbath haben wohl alle ihren Teil dazu beigetragen.
Martin Popoff:
"Zeppelin hatten als erste auf dem Debütalbum zwei oder drei sehr harte Heavy-Metal-Songs und dann 'Whole Lotta Love', 'Livng Loving Maid', 'Heartbreaker' und 'Moby Dick'. Auf Led Zeppelin II gab es also auch einige harte Songs. Sie haben mit dem langhaarigen blonden Sänger Robert Plant den typischen Heavy-Metal-Sänger. Sie sind aufregend. Es gibt Verzerrung und Gitarrensoli. Dazu kommt der lauteste Schlagzeuger aller Zeiten. Und dann kreischt Robert Plant auch noch."
In dem Buch heißt es dazu an einer Stelle:
"Tatsächlich hatte es viel mit dem Doppelschlag von 'Black Dog' und 'Rock and Roll' sowie der irren Marktdurchdringung der LP zu tun, dass Led Zeppelin in der Heavy-Metal-Schublade landeten, denn 1971 war es noch ein ziemlicher Schock, wenn eine Band dermaßen losrockte. Dabei spielten sie Heavy Metal weder sonderlich oft noch wirklich gut."
Autor Popoff geht rein chronologisch durch die Discografie. Jedes Album wird an Hand jedes einzelnen Songs besprochen. Dabei hat er sich an strikte Regeln gehalten: Jedes Stück bekommt ungefähr dieselbe Anzahl an Worten. So wird das Gesamtkunstwerk von Led Zeppelin gewürdigt. Einzelne Momente oder Songs sollen nicht im Vordergrund stehen. Ein Beispiel:
"'Out on the Tiles' ist eine schon fast nach Progressive Rock klingende Nummer und diesbezüglich ein Fortschritt gegenüber früheren Zeppelin-Rockern. Der Rhythmus ist komplex, gespickt mit markanten Pausen, die Bonham mit seinen Licks füllt, während er gleichzeitig einen gediegenen Shuffle vorantreibt. Neben all dem ist der Song fest im 4/4-Takt verankert und verfügt im Refrain über einen glasklaren Pop-Hook."
Man erkennt die Detailverliebtheit des Autors, aber auch sein Talent, sich in einen Song zu vertiefen. In der Vorbereitung hat sich der Kanadier immer wieder die Stücke angehört. Dabei seziert er das musikalische Konstrukt, geht auf die Verbindungen zwischen den einzelnen Mitgliedern ein, greift Hintergründe der Produktion auf, analysiert die Texte und verweist oft auf die Einflüsse der Band.
Letzte und beste "Blues-Boom Band"
Martin Popoff:
"Am Ende des britischen Blues-Boom werden sie als die letzte und beste Band davon gesehen. Das gilt auch für das Ende des Folks. Sie stammen also aus einer Tradition mit viel Musik, aus deren Vergangenheit sie sich viel herausnehmen. Die Bluesmusik bezieht sich auf Blues aus den 20ern. Und der Folk bezieht sich wahrscheinlich auf britische und europäische Musik aus der Renaissance."
Ein wichtiger Aspekt in der Band-Geschichte darf natürlich nicht fehlen: Die Rolle von Schlagzeuger John Bonham. Fans sind sich einig, dass seine Spielweise zusammen mit der Gitarre von Jimmy Page den besonderen Reiz von Led Zeppelin ausgemacht hat. Popoff schreibt über das Stück "Ten Years Gone":
"Was den Rhythmus betrifft, so setzt Bonham auf jede Menge Raumhall und eine kurze Phasenverschiebung. Seine Arbeit an den Toms bzw. deren Sound sind subtil und werden vom Ride- und vom Crash-Becken überlagert. Auch kehrt er beim Marschtrommel-Teil kurz die Schlagabfolge um. Sein Spiel umgibt eine Lockerheit, die gut zu Jimmys mäanderenden und jazzig angehauchten Akkorden passt."
Das Buch "Led Zeppelin: Musik und Mythos" verzichtet auf die großen Geschichten hinter der Band. Neue Anekdoten findet man selten. Hat man sich vorher nicht mit der Band auseinandergesetzt, sollte man es nicht lesen. Es ist eher etwas für Fans, die tief in der Materie drin stecken. Viele Informationen beziehen sich direkt auf die einzelnen Songs. Deshalb ist es wohl eher ein Nachschlagwerk als eine Biografie. Wer aber Spaß am Lesen und gleichzeitigem Hören hat, für den lohnt es sich.
Martin Popoff: "Die Leute erzählen mir, dass sie das Buch lesen und die Songs zeitgleich abspielen. Wie kann man das auch nicht machen? Es macht so viel Spaß! Man liest über zehn Verweise in einem Song. Und am Ende passiert dann das, wenn man es richtig laut dreht. Ich mache das die ganze Zeit, wenn ich Bücher über Rock lese!"
Martin Popoff: "Led Zeppelin: Musik & Mythos"
Hannibal Verlag Innsbruck, 2018. 256 Seiten, 25 Euro.
Hannibal Verlag Innsbruck, 2018. 256 Seiten, 25 Euro.