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Buchmesse in Buenos Aires
Dialog lateinamerikanischer Autoren

Seit den Welterfolgen des Kolumbianers Gabriel García Márquez oder des Peruaners Mario Vargas Llosa ist lateinamerikanische Literatur ein Begriff. Und viele Schriftsteller fühlen sich durch ihre lateinamerikanischen Wurzeln oder Themen wie Armut und Ungerechtigkeit miteinander verbunden. Aber ein Land wie Brasilien fehlt oft in den Anthologien.

Von Victoria Eglau | 05.05.2016
    Der brasilianische Schriftsteller Luiz Ruffato
    Mehr Aufmerksamkeit für die Literatur Brasiliens wünscht sich der brasilianische Schriftsteller Luiz Ruffato (dpa / picture alliance / Thomas Maier)
    "Ich glaube an jenen Satz von Fuentes, der sagte, jeder lateinamerikanische Roman sei ein Kapitel eines großen Romans, den wir alle zusammen schreiben."
    Die Argentinierin Sylvia Iparraguirre beruft sich auf den mexikanischen Autor Carlos Fuentes, um zu bekräftigen, wie sehr sie sich als lateinamerikanische Schriftstellerin fühlt.
    "Wir schreiben in derselben Sprache, wir haben eine gemeinsame, von Vielfalt geprägte Identität. Unser Spanisch ist von Land zu Land unterschiedlich, aber wir verstehen uns. Unsere Länder haben ähnliche Probleme, die Armut, die Ungerechtigkeit. Egal, worüber ich schreibe – meine lateinamerikanischen Wurzeln werden deutlich."
    Sagte Iparraguirre beim Schriftsteller-Dialog in Buenos Aires. Von ihr liegt auf Deutsch unter anderem der Roman Land der Feuer vor. Mit dem Boom Latinoamericano, dem Lateinamerikanischen Boom, wurde die Literatur des Subkontinents in den siebziger Jahren schlagartig berühmt. Der Kolumbianer Gabriel García Márquez, der Peruaner Mario Vargas Llosa und andere Romanciers avancierten zu internationalen Bestseller-Autoren.
    Boom Latinoamericano eng verknüft mit dem magischen Realismus
    "Durch dieses Phänomen wurde unsere Literatur von einer lokalen zu einer universalen Literatur. Plötzlich gab es eine lateinamerikanische Prosa, die weltweit verstanden wurde. So schrieb Vargas Llosa seinen Roman "Die Stadt und die Hunde" in peruanischem Spanisch, aber wir alle haben ihn verstanden."
    So erklärt der Schriftsteller Sergio Ramirez aus Nicaragua die Bedeutung des Boom Latinoamericano. Gerade in der europäischen Wahrnehmung ist dieser Durchbruch eng verknüpft mit der Strömung des magischen Realismus, dessen Paradebeispiel García Márquez‘ Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" ist. Von diesem simplifizierenden Etikett grenzt sich die heutige Generation lateinamerikanischer Autoren dezidiert ab – Sylvia Iparraguirre:
    "Der lateinamerikanische Roman trug den Stempel exotisch, spielte im Urwald, in den Tropen. Dazu trugen die Verlage bei, die vor allem diese Art von Büchern veröffentlichten. Dabei gab es eine Menge völlig anderer Literatur. Wir mussten uns regelrecht vom Boom befreien, damit unsere literarische Vielfalt sichtbar wurde."
    Möchte auch dazu gehören: das portugiesisch-sprachige Brasilien
    Zu dieser Vielfalt gehört zum Beispiel das Genre der autobiografischen Literatur, das seit einigen Jahren in Lateinamerika großen Erfolg hat. Piedad Bonnett, Schriftstellerin aus Kolumbien, verarbeitete den Selbstmord ihres Sohnes in einem Roman:
    "Als ich Literatur studiert habe, war autobiografische Literatur schlecht angesehen. Literatur musste objektiv sein – das Einbringen der subjektiven Erfahrung galt als schlechter Geschmack. Heute haben wir uns von diesem Vorurteil befreit."
    Am Lateinamerikanischen Schriftsteller-Dialog nahm auch der Brasilianer Luiz Ruffato teil, von dem auf Deutsch zuletzt der Roman "Ich war in Lissabon und dachte an dich" erschien. Ob es an der Sprachbarriere zwischen Hispanoamerika und dem portugiesisch-sprachigen Brasilien liegt oder nicht – der literarische Austausch ist gering und Ruffato bedauert das:
    "Wenn man Anthologien lateinamerikanischer Literatur durchblättert, fehlt Brasilien meist. Warum? Weil wir nicht zur lateinamerikanischen Vorstellungswelt gehören. Meine Bücher sind häufiger in Europa übersetzt als hier. Das ist schade. Brasilien und der Rest der Region haben viel gemeinsam – wir müssten einen intensiveren Austausch pflegen."