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Budapest und Bratislava im Sprachenstreit

Die bilateralen Beziehungen Ungarns und der Slowakei sind ruiniert. Das gerade in Kraft getretene slowakische Sprachengesetz schränkt den Gebrauch von Fremdsprachen im öffentlichen Leben ein. Die ungarische Minderheit in der Slowakei und die ungarische Regierung betrachten das als Affront. Nun soll ein Krisengipfel die Wogen glätten.

Von Christina Janssen |
    Das Jokay-Theater im slowakischen Komarno, direkt an der Grenze zu Ungarn. Die Schauspieler proben ein modernes, ungarisches Märchen. Es wird gescherzt und gelacht - die Stimmung ist gelöst:

    Das Ensemble spielt ausschließlich ungarische Stücke. Komarno hat 36.000 Einwohner, 80 Prozent sind ungarischer Herkunft. Bislang war das kein Problem. Doch der aktuelle Streit zwischen Budapest und Bratislava hat die Atmosphäre verändert, meint Theaterdirektor Tibor Toth:

    "Ein Großteil der Menschen, mit denen ich Kontakt habe, hat Angst, dass es zu noch größeren Spannungen kommen könnte. Von dem Treffen unserer Premiers, des ungarischen und des slowakischen, erwarte ich deshalb dass sie die Bürger beruhigen. Die Politiker müssen jetzt klar machen, dass die Eskalation sofort aufhören muss."

    Die Beziehungen zwischen Ungarn und der Slowakei waren nie einfach. Doch selten waren sie so gespannt wie zurzeit. Eine halbe Million Ungarn leben in der Slowakei, sie machen 10 Prozent der Bevölkerung aus. Im Verhältnis zwischen Bratislava und Budapest spielt diese Minderheit eine wichtige Rolle. Jüngster Stein des Anstoßes: das slowakische Sprachengesetz. Egal ob Ortsschilder, Wahlplakate oder Werbespots - alles muss in Zukunft mit slowakischer Übersetzung erscheinen, auch in den vorwiegend ungarischen Gebieten; sonst drohen hohe Geldstrafen. Die Novelle hat auf ungarischer Seite massive Proteste provoziert. Vor dem Krisentreffen der beiden Ministerpräsidenten, Fico und Bajnai, in der ungarischen Kleinstadt Szecheny versuchen beide Seiten nun aber, die Lage zu beruhigen:

    "Ich habe allen Grund anzunehmen" – so der slowakische Außenminister Mirolslav Lajcak, "dass Ungarn Interesse an einem sachlichen Dialog hat. Ich gehe davon aus, dass das Treffen konstruktiv verlaufen wird. Die Gespräche werden aber nicht einfach sein, denn beide Seiten haben viel auf dem Herzen."

    Seit in Bratislava die Slowakische Nationalpartei mitregiert, deren Vorsitzender Jan Slota die Ungarn immer wieder unflätig beschimpft, ist Budapest in Alarmbereitschaft. Gleichzeitig gießen auch ungarische Nationalisten Öl ins Feuer: So erklärte der frühere Ministerpräsident Viktor Orban, Chef der national-konservativen Fidesz, im Europawahlkampf, er unterstütze die Autonomiebestrebungen der Ungarn in den Nachbarländern. Die Slowakei sieht nun ihre territoriale Integrität in Frage gestellt, Ungarn die Rechte der magyarischen Minderheit jenseits der Donau. Der Konflikt hat ein Ausmaß erreicht, wie man es sich nach dem Nato- und dem EU-Beitritt beider Länder kaum mehr vorstellen konnte. All dies, so der slowakische Historiker Milan Zemko, gehe auf die schwierige gemeinsame Geschichte zurück:

    "Das 19. Jahrhundert ist da immer im Spiel: Für die Slowaken ist die Zeit unter ungarischer Herrschaft eine Art Trauma. Für die Ungarn die Zerschlagung des Großungarischen Reiches 1918. Und dann die Jahre nach 1945: Damals kam es in der Slowakei zu einer Phase der "Reslowakisierung". Das war für die Ungarn eine schlimme Zeit."

    Immerhin hat Ungarns Premier Gordon Bajnai Anfang der Woche die Hand zur Versöhnung ausgestreckt. In einem Gastkommentar für die slowakische Tageszeitung Sme betonte er, beide Länder müssten gemeinsam gegen die Folgen der Wirtschaftskrise und den wachsenden Rechtsextremismus angehen. Als Bedingung forderte Bajnai aber eine Änderung des umstrittenen Sprachengesetzes. Einen Durchbruch erwartet von dem ungarisch-slowakischen Krisengipfel deshalb kaum jemand:

    "Das ist eine schwierige Situation," meint der slowakische Politologe Samuel Abraham. "Die Spannungen zu lösen, würde ein wenig Demut auf beiden Seiten erfordern. Aber solche Gesten haben unsere Staatsmänner nicht in ihrem Repertoire. Deshalb kann vermutlich nur eine Intervention von außen wirklich helfen, zum Beispiel durch die Europäische Union."

    Eskalation oder Entspannung? – Auch die Nachbarländer beobachten die Entwicklung mit Sorge. Ein tschechischer Kommentator schrieb diese Woche: Wären Ungarn und die Slowakei nicht in NATO und EU eingebettet, dann würde an der slowakisch ungarischen Grenze längst geschossen werden.